Geschichten:Die Faust des Grafen - Augen und Ohren
Festung Feidewald, 05. Peraine 1031 BF, am Abend
„Also gut, bis hierhin Fragen?“
Boraccio schaute in die kleine Runde seiner Offiziere. Joss, der an Größe und Schulterbreite den nicht eben kleinen Junker noch überragte, rieb nachdenklich seinen gepflegten Bart.
„Das riecht nach einem harten Stück Arbeit, Capitan. Dieser Hadrumir und seine Schwingen waren hier früher so in etwa das, wofür man uns heute bezahlt, die gepanzerte Faust der Grafen. Das sind nicht nur Bauernlümmel unter einem arroganten Caballero!“
„Hast Du etwa Angst, Kleiner?“
Zefira, die fast zwei Köpfe kleiner war als der Baum von einem Mann, über den sie gerade spottete, funkelte angriffslustig in seine Richtung. Ihre Zahori-Abstammung mit ihren schwarzen Haaren, schwarzen Augen und den markanten tulamidischen Gesichtszügen lies sich wahrlich nicht verleugnen.
„Macht doch sonst gar keinen Spaß, wenn es zu einfach ist.“
„Wie ich sehe gibt es keine Fragen!“ mischte sich der Junker wieder ein.
„Also gut, was ist zu tun? In etwa einer Woche kommt dieser Ulmenbert mit seiner Landwehr. Verdreht nicht so die Augen, zum Schanzen sind die gut genug. Oder wollt Ihr die Gräben selber buddeln? Also! Bis dahin ist auch Jacopo mit einem weiteren Tercio und den Sappeuren hier. Bis dahin müssen wir wissen, woran wir sind. Zefira, Joss!“
Die beiden Angesprochenen nickten.
„Sagt den Leuten, sie sollen sich umhören, was man sich so über diesen Hadrumir und Orbetreu erzählt. Fragt vor allem auch Händler oder Bauern, die von dort angekommen sind. Franjo!“
Er richtete nun das Wort an einen Soldat in Reiteruniform, der bisher schweigsam in der Runde gestanden hatte.
„Du und Deine Leute reiten morgen früh los. Schaut Euch in Orbetreu und Umgebung um, aber seht zu, dass man Euch nicht unbedingt sieht und fangt keine Händel an. Ich will wissen, was sich dort tut.“
Er blickte nun zu einer schlanken Frau mit spitzen Ohren.
„Simyane, Du schaust Dir auch mal Orbetreu mit Deinen scharfen Augen aus der Nähe an. Schwärmt aus und seid meine Augen und Ohren!“
Gut Katterquell, 06. Peraine 1031 BF
„Der Verrückte – ich weiß, seht mich nicht so an, aber als, hm, Befürworter des Hauses Hartsteen kann ich mir wohl ohne Gewissensbisse anmaßen, Geismar so zu betiteln – hat also Leute zusammengezogen... Was hat er vor? Hadrumir zur Räson bringen?“
Brinian ging heftig auf und ab.
„Und Ihr habt Eurem ehemaligen Knappen natürlich Eure Hilfe gegen einen eventuellen Übergriff zugesichert.“
Wieder legte Brinian zwei Runden zurück.
„Und aktuell treiben sich wieder diese Almadaner bei Geismar herum, sagt Ihr?“
Borstefred nickte. Und begann dann, Brinian mitzuteilen, was er wusste.
„Und deshalb habe ich den dringenden Verdacht, dass wir nicht länger warten dürfen“, schloss von Katterquell seine Erläuterungen.
„Verdammt, während wir hier noch schwätzend herumsitzen, hat Geismar vielleicht seinen Blick schon gen Orbetreu geworfen, bereits seine Faust gegen Hadrumir erhoben!“
Brinian nickte nur benommen. Das Ausmaß der Geschehnisse war ihm bereits jetzt zu viel, er fühlte sich wie in einem Strudel, der ihn unfreiwillig in einen Abyss sog. Er war kein guter Diplomat, kein guter Politiker, er folgte lediglich seinem Herzen. Die Ernüchterung, dass ihn dies keinesfalls der Politik hatte entkommen lassen, traf ihn wuchtig wie ein Reiterhammer. Doch für Schwäche blieb keine Zeit!
„Meine Mannen und Frauen sind innerhalb kürzester Zeit abmarschbereit zu machen“, ergänzte Borstefred nun wieder gelassen und mit einem Anflug von Zufriedenheit, „und wir werden uns schnellstmöglich nach Gut Eichenwalde durchschlagen. Dort werden wir uns auf die Lage vor Ort flexibel einstellen und Augen und Ohren offenhalten müssen. Ich kenne ihn, Hadrumir wird kluge Vorkehrungen getroffen haben... Tja, wir werden sehen und hören, welch warmen Empfang er für Geismars Söldlinge bereithält.“