Geschichten:Die Faust des Grafen - Der Kaufmann von Hartsteen

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Burg Orbetreu, 24. Peraine 1031 BF


Boraccio hatte die Rüstung abgelegt und sich umgezogen. Der goldbestickte Wams, die kunstvoll geschlitzten Ärmel, die hohen Stiefel aus feinem Leder und nicht zuletzt der unvermeidliche Caldabreser mit einer schillernden Pfauenfeder verrieten unzwei-felhaft den almadanischen Caballero. Interessiert beobachtete er den alten Mann, der sich mühsam aus seiner Kutsche quälte und nun, auf seinen Stock gestützt, zu ihm humpelte. Ohne ihm auch nur einen Schritt entgegen zu kommen, wartete der Junker, bis der Handelsherr den Weg zu ihm zurückgelegt hatte. „Phex zum Gruße. Dom Cordovan von Schwingenfels, wie ich annehme? Ich bin Boraccio D’Altea, Junker von Aracena. Und Edler von Hohenkamp.“ fügte er hinzu. „Ich denke wir besprechen das Geschäftliche bei einem angemessenen Tropfen in meinem Zelt.“ Er wies auf den offenen Eingang seines Zeltes. Gemessenen Schrittes betrat Cordovan das Zelt. Er wartete darauf, bis Boraccio den Wein eingeschenkt hatte, nahm sich den angebotenen Becher und nahm einen Schluck. „Kein schlechter Tropfen!“ sprach er. „Wobei ich Euch einige bessere Tropfen besorgen könnte, wenn Ihr dies wünscht.“

Boraccio trat nun hinter seinen Tisch. „Ihr schmeichelt mir, Dom Cordovan. Zu Hause wäre es geradezu unhöflich den Gaumen seines Geschäftpartners damit zu belästigen, aber man muss hierzulande wohl Abstriche machen. Sollte ich mich länger in der Grafschaft aufhalten, komme ich vielleicht noch mal auf Euer Angebot zurück.“

Mittlerweile hatte er ein Holzkistchen hervorgeholt und öffnete den Deckel, so dass der Inhalt, sorgfältige gerollte Zigarren, zu sehen war. Der aromatische Duft von Tabak begann sich im Zelt auszubreiten. Der Almadaner hielt dem Kaufmann die Kiste hin. „Methumischer“ merkte Boraccio an.

Cordovan nahm sich eine aus der Schachtel und zündete sie mit einem Zündholz an. Er nahm einen leichten Zug. „Wir beide wissen, aus welchem Grunde ich hier bin. Ich will Eure sicherlich knapp bemessene Zeit auch nicht über Gebühr strapazieren. Daher denke ich, dass Ihr mir Euer Angebot auch jetzt sagen könnt.“ Der Junker setzte ein freundliches Lächeln auf. „Ihr kommt gleich ohne Umschweife zur Sache, Dom Cordovan. Das gefällt mir. Nun, dann will ich Eure Zeit ebenfalls nicht über Gebühr strapazieren. Euren ... Sohn, wie man mir sagte, habe ich der Obhut des gräflichen Zeugmeisters überlassen. Ich nehme an, diese Angelegenheit werdet Ihr in der Familia regeln. Was nun die hübsche Domna Eleona angeht, die genießt meine Gastfreundschaft. Für eine Aufwandsentschädigung in Höhe von, sagen wir 300 Dukaten, wäre ich bereit auf die Gesellschaft der reizenden Domna zu verzichten. Ihr versteht doch sicherlich, dass der hartnäckige, und durchaus gut organisierte, Widerstand des Dom Hadrumir gegen den Willen seiner Hochwohlgeboren mir einige nicht unerhebli-che Kosten verursacht hat.“ Augenklappe und die Narben im Gesicht des Söldnerführers ließen erahnen, was von dem lockeren Plauderton zu halten war, in dem das Angebot unterbreitet worden war. Cordovan lächelte. „Und Ihr werdet sicherlich verstehen, dass für diese Kosten doch eher der Graf aufkommen sollte. Es war doch schließlich seine Idee die Orbetreu zu belagern.“ Cordovan machte eine künstliche Pause, doch ehe Boraccio etwas erwidern konnte, fuhr Cordovan fort: „Jedoch bin ich bereit, die Gastfreundschaft, welche Ihr der Edlen Eleona von Schwingenfels zu teil habt werden lassen, mit der Zahlung von 150 Dukaten zu entlohnen.“ Der Almadaner lächelte verschmitzt zurück. „Ach, Dom Cordovan, Ihr wisst doch wie das mit den Grafen ist. Sie versprechen Euch alles, wenn sie etwas von einem wollen, aber sobald es ans Bezahlen geht, lässt Ihr Gedächtnis sie im Stich. Was nun die bezaubernde Domna Eleona angeht, so reizend ihre Gesellschaft auch ist, so kostspielig ist sie auch. Ihr wisst ja selbst, wie schwierig es hier ist, einen angemessenen Tropfen aufzutreiben. Und bei Rahja, wer bin ich, dass ich es wagen würde den Gaumen einer schönen Frau mit einem minderwertigen Wein zu beleidigen? Am Ende würde man noch schlecht über mich reden. Und aus eben diesem Grund fürchte ich, dass sich wohl meine Kosten auf mindestens 250 Dukaten belaufen.“

Cordovan lachte leise. Er zückte einen Notizblock und eine Feder. „Nun, mein lieber Dom Boraccio, offensichtlich haben Euch Eure Lieferanten tatsächlich über den Tisch gezogen.“ Er begann in seinem Block, Notizen zu machen und murmelte vor sich hin: „Also, Kost, Getränke, Logis…mh…Bad…Sold der Wachen…weitere Auslagen.“ Nach einer kurzen Pause, schaute Cordovan mit einem gewinnenden Lächeln zu Boraccio. „Nach meiner Berechnung dürften sich Eure Kosten auf 180 Dukaten belaufen. Wollt Ihr selbst nachrechnen?“ Boraccio schmunzelte. Die Verhandlungen über seine Gefangene waren deutlich amüsanter als der Rest des ganzen Feldzugs. Fast bedauerte er tatsächlich, sie gehen zu lassen. Aber dann schalt er sich einen Narren. Natürlich waren sie freundlich zu ihm ... seine Tercios hatten die Oberhand behalten, im Augenblick konnte er die Bedingungen diktieren. Im Geschäftston fuhr er fort: „Da habt Ihr in Eurer Kalkulation wohl einen Punkt vergessen, Dom Cordovan. Schließlich war die Kleidung der Domna durch die Kampfhandlungen ein wenig in Mitleid gezogen, da konnte ich sie ja schlecht in diesem Zustand belassen. Es wäre ja auch nicht schicklich, wenn das gemeine Volk unzüchtige Einblicke erhielte, nicht wahr? Wenn ich also diesen Posten zu Eurer Rechnung hinzufüge komme ich auf 200 Dukaten. Ein angemessener Betrag, wie mir scheint.“ Cordovan schüttelte kurz den Kopf. „Also eigentlich hatte ich das schon unter den sonstigen Ausgaben berücksichtigt, aber wenn ich das recht bedenke, muss ich Euch tatsächlich Recht geben.“ Cordovan nickte. „Meine Frau hat auch immer Unsummen für Kleider ausgeben. Also erhöhen wir diesen Posten. 200 Dukaten sind angemessen. Einverstanden!“ „Ja, Frauen sollen teuer sein, wie ich hörte. Also sind wir uns einig.“ Der Almadaner erhob sich und bot seinem Gegenüber die Hand an. „Es ist mir ein Vergnügen, Geschäfte mit Euch zu machen, Dom Cordovan.“ Cordovan erhob sich ebenfalls und ergriff die Hand Boraccios. „Das Vergnügen war ganz auf meiner Seite."

Der Concottiere schlug plötzlich einen verschwörerischen Ton an. „Nehmt Eure Verwandte und reist ab, bevor jemand Ansprüche anmeldet, die ich nicht abweisen kann. Ich hoffe, wir können einmal unter erfreulicheren Umständen Geschäfte machen.“ „Phex auf Euren Faden mit Euch" sprach Cordovan, zog seinen Hut auf, nahm seinen Stock und begab sich auf den Weg nach draußen. Eleona wurde von einer Wache herbeigeführt. Ehe sie zur Kutsche ging, trat sie zu Boraccio. Leise flüsterte sie: „Ich hoffe sehr für Euch, dass wir uns dereinst unter anderen Umständen wiedersehen und Ihr nicht die Erfahrung machen musstet, die bisher jeder machen musste, der mit Geismar Geschäfte gemacht hat. Im Moment seid Ihr sein Köter, welchem er den dicken Knochen hinhält, morgen ist dies vielleicht schon dieser Grabandt. Hütet Euch vor dem Grafen!"

Dann setzte sie sich zu Cordovan in die Kutsche. „Lebt wohl, schöne Domna!" gab Boraccio seinem "Gast" noch mit auf den Weg, bevor er sich mit einem wehmütigen Blick abwandte. Joß, der zusammen mit Zafira die Szene beobachtet hatte warf seiner Kameradin einen vielsagenden Blick zu. Diese verdrehte nur die Augen.