Geschichten:Die Faust des Grafen - Des Grafen Wille
Festung Feidewald, 05. Peraine 1031 BF, wenige Augenblicke später
Nachdem Perdia das Zimmer verlassen hatte, räusperte sich der Diener, welcher die Tür geöffnet hatte. Werdomar schaute auf. Der Diener sprach mit ruhiger Stimme: „Die Wohlgeborenen Herren Grabandt und d’Altea warten!“ Immer noch in das Schreiben vor ihm vertieft winkte Werdomar die zwei herein und schaute erst auf, als die beiden im Raum waren.
„Euer Wohlgeboren! Euer Wohlgeboren!“ Er nickte beiden zu. „Setzt Euch doch bitte!“ Werdomar verwies auf die beiden Sessel vor dem Schreibtisch und wandte sich an den Diener: „Lares! Fordere bitte den gräflichen Zeugmeister auf, sich hierher zu begeben!“
„Natürlich!“
Werdomar erhob sich. „Meine Herren, ich will nicht viele Worte verlieren, daher komme ich gleich zum Kernpunkt Eurer Anwesenheit hier auf Feidewald. Graf Geismar beabsichtigt einen Feldzug zu führen.“
Boraccio hob die Augenbraue über dem gesunden Linke Auge. „Verzeiht meine Frage, aber wurde nicht damals vor nicht ganz einem Jahr im Angesicht der jungen Göttin eine Waffenruhe mit diesem Luidor von Hartsteen vereinbart? Beabsichtigt seine Hochwohlgeboren gegen dieses Abkommen zu verstoßen?“
„Eben diese Frage habe ich mir auch bereits gestellt“, pflichtete Ulmenbert der Frage Boraccios bei.
Werdomar ging zur Wand an seiner Rechten, wo eine Karte der Grafschaft zu sehen war. Mit dem Rücken zu den beiden sprach er: „Mitnichten, Euer Wohlgeboren. Das Ziel Eurer Unternehmung liegt nördlich von hier!“
„Nördlich?“ echote Boraccio.
Auf den Absätzen drehte sich Werdomar. „Der Graf möchte Burg Orbetreu angreifen!“
Ein zischender Laut entfuhr Ulmenbert.
Der almadaner Condottiere piff kurz durch die Zähne. „Ein wehrhaftes Ziel, wie ich vernommen habe. Und gut verteidigt, nehme ich an. Da trifft es sich wohl gut, dass ich in den nächsten Tagen die Ankunft meines Leutnants mit weiteren Verstärkungen erwarte. Es wird seine Hochwohlgeboren freuen zu hören, dass ich mich in Punin der Dienste eines Belagerungsexperten aus dem Volk der Angroschim versichern konnte, der mit seinem Trupp Sappeure ebenfalls hier eintreffen wird. Keine ganz billige Angelegenheit, wie ich anmerken möchte, aber angesichts des Angriffszieles offensichtlich gut angelegtes Geld.“
Bei dem letzten Satz warf der Aracener einen vielsagenden Blick auf Werdomar. Dann strich er sich nachdenklich durch den Bart. „Aber wenn ich mich recht entsinne, gehört die Burg doch der Familie Schwingenfels und damit den Verbündeten des Hauses Quintian-Quandt. Hat der Hartsteener etwa die Burg eingenommen oder warum will Graf Geismar einen Waffengang mit seinen Vasallen?“
Werdormars Stimme war eisig. „Hadrumir von Schwingenfels weigert sich bereits seit einigen Götternamen, den Befehlen Graf Geismars Folge zu leisten. Wie Ihr Euch sicher erinnern werdet, weigerte er sich bereits, seine Truppen in die Schlacht vor der Feste Feidewald zu führen. Der Graf wird diesen Zustand nicht länger tolerieren!“
Boraccio nickte kurz. „Ich verstehe. Seine Hochwohlgeboren will ein Exempel statuieren, damit niemand anderes auf dumme Gedanken kommt.“
„Falsch!“ sprach Werdomar scharf.
„Ihr, Ulmenbert, werdet dem Schwingenfelser ein Ultimatum überbringen, sich unverzüglich hierher nach Feidewald zu begeben und sich zu verantworten!“ Werdomar beobachtete die Reaktion der beiden und fuhr ungerührt fort. „Leistet er dem nicht Folge, so werdet Ihr, Boraccio, als gräflicher Waffenmeister damit beauftragt, diesem Wunsch Geismars mit Waffengewalt Nachdruck zu verleihen.“
Mit entschlossenem Gesicht antwortete Ulmenbert: „Hadrumir von Schwingenfels hat sich wohl einen Affront zu viel geleistet. Wie sieht es mit weiteren Verstärkungen aus? Hat der Graf noch weitere Vasallen für diese Aufgabe einbestellt?“
„Dafür sieht Seine Hochwohlgeboren keinerlei Veranlassung. Seht Ihr diese Aufgabe als zu schwer für Euch an?“ forschte Werdomar ungerührt nach.
„Natürlich nicht!“ erwiderte Ulmenbert während sein Gesicht in verschiedenen Rottönen anlief. Einen kurzen Augenblick schien es, als ränge er mit seiner Selbstbeherrschung. Sich wieder sammelnd fragte er: „Ich nehme an, wir sollen so schnell wie möglich mit der Durchführung der Aktion beginnen?“
„Selbstverständlich“, erwiderte Werdomar mit einem leichten Seufzen.
„Unterstehe ich bei eventuellen Kampfhandlungen dann den Befehlen Seiner Wohlgeboren d’Altea?“
Werdomar seufzte erneut. ’Verdammte Adlige und ihr blödes Kompetenzgerangel’ dachte Werdomar. Mit betont gelassener Stimme erwiderte er: „Den Oberbefehl über den Angriff vertraut seine Hochwohlgeboren Euch und Ludorand von Schwingenfels an. Ihr drei werdet den Angriff planen, koordinieren und durchführen. Wobei seine Wohlgeboren Schwingenfels das letzte Wort hat.“ Als Werdomar die fragenden Gesichter seiner Gegenüber sah, sprach er gelassen weiter: „Seine Wohlgeboren ist als gräflicher Zeugmeister natürlich am Angriff beteiligt. Er ist schließlich Junker zu Orbetreu und offensichtlich der einzige der Familie, welcher zu seiner Hochwohlgeboren steht.“
„Bei dieser Gelegenheit stellt sich die Frage, wie mit den restlichen Familienangehörigen der Familie Schwingenfels und anderen Leuten von Stand zu verfahren ist, die bei Kampfhandlungen ihre Waffen gegen uns erheben?“ wollte der nun wieder mit normaler Gesichtsfarbe aufwartende Junker wissen.
Werdomars Stimme war kalt: „Wer nicht für uns ist, ist gegen uns! Nur will seine Hochwohlgeboren die Burg unversehrt wissen. Das schließt auch eine Plünderung aus!“ Sowohl Ulmenbert wie auch Boraccio nickten.
„Gut ich werde mit meiner Schar spätestens binnen sieben Tagen hier in Feidewald eintreffen. Ich nehme an Eure letzten Verstärkungen sind bis dahin eingetroffen, d’Altea?“ richtete sich Ulmenbert an Boraccio.
„Zumindest ist ihr Eintreffen bis dahin geplant, Dom Ulmenbert. Allerdings scheint man in Eslamsgrund neuerdings ein wenig übernervös zu werden, was Grenzüberquerungen ganzer Tercios von Bewaffneten angeht, wie ich schon auf dem Marsch feststellen musste. Von daher will ich nicht unbedingt einen Eid auf den Herrn Praios ablegen. Aber ich habe bereits entsprechende Vorkehrungen getroffen und bin zuversichtlich, dass sich die Dinge in unserem Sinne regeln lassen.“
„Gut damit wäre wohl alles geklärt. Euer Hochgeboren, Euer Wohlgeboren, ich breche unverzüglich auf!“ Mit einer beiläufigen Handbewegung entließ Werdomar den Junker von Cavans Steg, der sogleich von dannen schritt.
Nachdenklich schaute Boraccio dem sich entfernenden Ulmenbert nach. „Verzeiht die Frage, Dom Werdomar, aber ist sich seine Hochwohlgeboren ganz sicher bei der Auswahl seiner Heerführer? Es ist keine leichte Sache sich gegen seine Famiglia zu stellen, zu mal in einer solchen Angelegenheit. Und ich lasse mich ungern von meinen Aufgaben ablenken, nur weil ich ständig darauf achten muß kein Messer in den Rücken zu bekommen.“
Werdomar blieb gelassen. „Ich zweifle nicht an der Loyalität des Zeugmeisters!“
Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, trat der Diener erneut ein. „Seine Wohlgeboren Schwingenfels!“
„Soll warten!“ sprach Werdomar scharf.
Der Diener verneigte sich und ging nach draußen.
„Wenn Ihr keine Fragen mehr habt, würde ich vorschlagen, dass Ihr Euch mit dem Zeugmeister bezüglich des Feldzuges unterhaltet“, sprach Werdomar während er sich wieder setzte.
Boraccio räusperte sich vielsagend. „Eine Sache wäre da wohl noch vorher unter vier Augen zu besprechen. Graf Geismar ausreichend Truppen für einen Feldzug zur Verfügung zu stellen und gar Spezialisten für eine Belagerung zu finden war mit einigen, sagen wir ‚nicht unerheblichen’, Kosten verbunden. Und um die Leute zu motivieren, als erste über die Breschen zu steigen, werde ich wohl einen Sturmsold ausloben müssen, zumal Ihr eine Plünderung untersagt habt.“ Abwartend blicke er auf Werdomar.
„Es ist wohl Eure Lehenspflicht Euren Lehensherren zu unterstützen, findet Ihr nicht?“ Mit diesen Worten überreichte Werdomar dem Almadaner ein Schreiben.
Boraccio überflog die Zeilen. „Ich werde in den Edlenstand erhoben?“ fragte er verwundert.
„In zwei Tagen habt Ihr einen Termin beim Grafen, wo Ihr den Lehenseid leisten werdet. Diese Entscheidung war schon lange überfällig.“
Boraccio hatte sich erhoben und begann im Raum auf und ab zu gehen. „Ein durchaus großzügiges Angebot, dass seine Hochwohlgeboren da unterbreitet. Es ist nur ... nun ... wie soll ich sagen? Wie Ihr sicher wisst habe ich bereits einen Lehnseid geleistet, gegenüber dem almadanischen König. Und wie ich Euch sicher nicht erklären muss, bringt mich ein Eid gegenüber Graf Geismar, und damit gegenüber der Schwester seiner Majestät, in der aktuellen Situation im Reich eventuell in eine unerfreuliche Lage. Wie sieht denn seine Hochwohlgeboren den augenblicklichen Zustand des Reiches?“
Werdomar räusperte sich. „Nun, eigentlich hatte ich erwartet, dass Ihr über dieses Angebot erfreut seid. Aber um Eure Frage zu beantworten: Seine Hochwohlgeboren kann die Anmaßungen seiner Kaiserlichen Hoheit, des Königs von Almada, nicht tolerieren und verabscheut diese Scharade. Vielleicht sollte ich seiner Hochwohlgeboren aber in Anbetracht dieser Tatsachen mitteilen, dass Ihr ablehnt?“
Der Almadaner hob beschwichtigend die Handflächen. „Oh, bitte versteht mich nicht falsch, an dem Angebot ist nichts auszusetzen. Es birgt nur die Gefahr von ... zukünftigen Komplikationen. Über die wir uns vielleicht aber gar nicht weiter die Köpfe zerbrechen müssen, und bei Zeiten wird sich schon eine angemessene Lösung finden lassen, wenn es denn sein muss. Ihr könnt seiner Hochwohlgeboren berichten, dass es mir eine Ehre sein wird, in seine Dienste zu treten.“ ´Und der Herr Phex gebe, dass ich aus dieser Nummer heil wieder heraus komme. Verfluchte Politik!´