Geschichten:Die Gneppeldotzin - Der schöne Gerding

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Pfalz Puleth, 30. Ingerimm 1016 BF

Irmhelde hatte sich den Schemel vor das Zelt ihres Knappenvaters gestellt und ließ ihren Blick über das farbenfrohe Treiben auf dem Turnierplatz zu Füßen der stolzen Königspfalz schweifen, während sie eher achtlos mit Bürste und Tuch die staubigen Schuhe ihres Herrn bearbeitete. Ritter Edelwin hatte sich gut geschlagen an diesem Tjostentag und wurde beim Gastmahl am Abend auf der Pfalz erwartet und bis dahin musste alles blitzblank sein.

Dabei blieb sie mit den Augen immer wieder an einem jungen Mann in etwa ihrem Alter hängen, der sich angeregt mit einer reich gekleideten Kaisermärker Edeldame unterhielt. Für einen Schreiber, der er aufgrund der Livree offensichtlich war, sah er ziemlich gut aus, sogar sehr gut, befand Irmhelde: Er war groß gewachsen und hielt sich überraschend gerade, nicht so zusammengekrümmt, wie die meisten der ihr bekannten Tintenkleckser der gräflichen Schreibstube auf Feidewald. Sein freundliches Gesicht strahlte Offenheit und aufrichtiges Interesse an den Worten seines Gegenübers aus. Des Burschen einziges Manko – oder machte dies ihn geheimnisvoller und damit interessanter? – war eine weiße Strähne, die vorwitzig inmitten seines braunen Lockenkopfs über dem linken Auge wippte. Sie beobachtete, wie die Dame ob einer Bemerkung des Jünglings in ein amüsiertes Lachen ausbrach ihm zum Abschied gönnerhaft die Hand zum Kuss hinreichte. Jener ergriff sie elegant und kam mit einer fließenden formvollendeten Verbeugung der Aufforderung nach. Dabei hob er jedoch – wie als hätte er Irmheldes Blicke bemerkt – für einen Moment die Augen und schaute schelmisch lächelnd zu ihr herüber. Der Knappin stockte der Atem. Doch noch bevor sie die Röte ins Gesicht schießen spüren konnte, hörte sie einen scharfen Knall und fühlte gleich darauf, wie mit einem kräftigen Ruck der Schemel unter ihrem Hintern weggerissen wurde. Unsanft landete sie auf ihren vier Buchstaben.

„Na, ausgeträumt?“, dröhnte das Lachen ihrer Base Jorunde, die ihre lange Lederpeitsche einrollte, während sie heran schlenderte. Irmhelde rappelte sich auf und schluckte die aufkommende Wut herunter. Mit Jorunde von Gerstungen suchte man besser keinen handfesten Streit, so man Wert auf eine gerade Nase und gesunde Knochen legte. In der Reichsarmee hatte sie gedient und sowohl in der Answinkrise als auch gegen die Orkhorden gekämpft. Hinter vorgehaltener Hand raunte mancher, dass sie dabei mehr von den Schwarzpelzen abgeguckt hätte, als gut für einen sein könnte. Ihren Ruf als skrupellose Raufboldin hatte sie jedenfalls nicht von ungefähr.

„Warum hast du das gemacht?“, maulte Irmhelde darum beim Aufrappeln nur und sah sich vorsichtig um. Zu ihrer gleichzeitigen Erleichterung und Enttäuschung war der Jüngling zwischen den Zelten verschwunden.

„Du weißt doch: Jeder versucht, eine Knappin reinzulegen“, grinste die Soldatin breit, „Außerdem wollte ich mal sehen, was du so treibst und in Erfahrung bringen, wieso Herr Edelwin so lange auf seine Schuhe warten muss.“

„Also, ich...“ Irmhelde sah sich mit rotem Kopf hastig nach der Bürste und den Schuhen um, die verstreut vor dem Zelt lagen.

„Keine Sorge, ich verpfeif dich nicht. Dieser Bursche, dem du da hinterhergegafft hast, war aber auch wirklich schnuckelig“, knuffte Jorunde ihre Base freundschaftlich in die Seite und deutete in die Richtung, in die der Schreiber verschwunden war.

„Du kennst ihn?“

„Flüchtig. Gerding von Plötzbogen heißt er und versucht überall Eindruck zu machen. Ist wohl auf der Suche nach einer Stellung – und wenn schon nicht dauerhaft, dann doch wenigstens für eine Nacht. Soll ich dich mit ihm bekannt machen?“

„Was? Ich meine... geht das denn?“

„Pfff. Das Leben ist kurz. Darum empfehle ich dir: Nimm, was du kriegen kannst und bereue nichts. Morgen beginnt der Rahjamond mit dem Fest der Freuden. Da geht es nicht darum, einen Traviabund zu schließen. Und immerhin hält es der Kronvogt Schroeckh persönlich genauso: Du glaubst gar nicht, mit wem der sich gerade unten im Auenwäldchen an der Pulsa vergnügt...“