Geschichten:Die Höhle des Löwen - Unwegsame Pfade
Teil 12 – II Unwegsame Pfade
Dramatis personae:
- Adran Bredenhag von Aarenstein, Großmeister vom Orden des Heiligen Zorns
- Aischa saba Melin, Leibwächterin des Großmeisters
Trotz der Wut, die in ihr kochte, war Aischa Anjuns Anweisung gefolgt und hatte sowohl sich als auch ihr Pferd abseits vom Hauptweg versteckt und wartete atemlos, bis die Geräusche ihrer Verfolger sich mehr und mehr entfernten. Ewig, so schien es, wartete sie, allein mit sich und ihrer Wut. Wie hatte sie versagt! Wie blind waren sie in dieses Wespennest gestolpert! Es wäre ihre Aufgabe gewesen, die anderen zu beschützen, und was war geschehen? Geopfert hatten sich alle drei – für sie! Auch wenn sie den Gedanken, dass es bei dieser Mission Verluste geben könnte, natürlich in Betracht gezogen hatte, so war sie doch eher davon ausgegangen, selbst zu fallen und nicht, dass jemand anders ihr Leben für sie lassen würden. Schwer schluckte die Wächterin.
Einatmen – ausatmen.
Es half nichts. Es war geschehen. Die Folgen dieser Nacht würden sich später zeigen. Jetzt galt es erst einmal, sicher nach Schwertwacht zu kommen. Auf dem Hauptweg konnte sie nicht bleiben, da würden die Verfolger zuerst suchen. Ihre einzige Chance war es, andere, wenig begangene Wege zu finden, um möglichst viele von Simionas Schergen zu umgehen. Als die Geräusche der Verfolger verstummt waren, zog Aischa schnell den Wasserschlauch vom Sattel, trank einen Schluck und tränkte dann ihren schweißnassen Hengst. Dankbar streichelte sie dem Tier über die Nase. „Du musst durchhalten, mein Freund. Wir müssen es schaffen“, sagte sie in ihrer Muttersprache. Ob sie damit das Tier oder vielmehr sich selbst ermuntern wollte, fragte sie sich lieber nicht.
Vorsichtig sah sie sich um, konnte aber derzeit keinen Verfolger entdecken. Es würde nicht lange dauern, bis diese die Finte bemerkten. Sie musste sich beeilen. Ein kurzes Stück ritt Aischa dann doch noch auf dem Hauptweg entlang, bis ein etwas breiterer Feldweg nach Westen abbog. Den schlug sie ein, ging aber nach einigen Metern noch mal zurück und verwischte sorgfältig die Hufspuren. Dann saß sie wieder auf und gab ihrem treuen Reittier die Sporen. Jetzt zählte nur ein Gedanke – durchhalten.
Die ganze Nacht hindurch ritt Aischa trotz der bleiernen Müdigkeit, die nach einiger Zeit von ihr Besitz ergriffen hatte. Ihr Pferd war so müde, dass sie es nicht weiter in einen Galopp zwingen konnte, so kam sie nun nur noch langsam voran, langsamer, als sie gewollt hatte. In den frühen Morgenstunden des nächsten Tages erreichte sie einen kleinen Weiler. Die Menschen waren schon auf und gingen ihrem Tagewerk nach, in welchem sie aber staunend, teils auch misstrauisch, inne hielten, um die Fremde zu begaffen. Aischa konnte sich kaum im Sattel halten, versuchte aber dennoch, einen möglich geordneten und vertrauenserweckenden Eindruck zu machen, in dem sie die Bauern im Namen Peraines und ihrer zwölfgöttlichen Geschwister grüßte. „Könnte ich von Euch einen Schluck Wasser für mich und mein Pferd, sowie etwas zu essen erbitten? Ich kann natürlich den Aufwand entschädigen.“ Fragte sie den ersten Bauern, den sie zu fassen bekam. Der junge Mann staunte nicht schlecht über die noble Anrede, die ihn weit über seinen Stand hinaushob, und zog erstmal den Hut vor der herrschaftlich aussehenden Dame. „Die Zwölfe zum Gruße, werte Dame. Äh, ich vermute, das sollte kein Problem sein. Bitte folgt mir, ich zeige Euch den Weg.“
Es dauerte nicht lange, da fand Aischa sich an einem Bachlauf wieder, in dem sie ihr Pferd tränken und sich selbst erfrischen konnte. Wachsam, aber unauffällig, behielt sie dabei ihre Umgebung im Auge, so entging ihr nicht, wie sich eine kleine Gesandtschaft des Dorfes näherte. Angeführt wurde die Gruppe von einem älteren Herrn, anhand der schweren Kette, die um seinen Hals hing, wohl als Schulzen oder ähnliches zu identifizieren. Aischa hoffte inständig, dass die Nachrichten aus der Stadt hier noch nicht durchgedrungen waren. „Die Zwölfe zum Gruße, gute Frau.“ Fing der Ältere an zu reden. „Mein Name ist Ungalf, ich bin der Dorfvorsteher von Waldrode. Darf ich nach dem Euren fragen?“ Aischa grüßte den Mann höflich zurück: „Aber sicher doch. Ich bin Aischa saba Melin, Mitglied im Orden des Heiligen Zornes der Göttin Rondra, aus Garetien. Habt Dank für Eure traviagefällige Gastfreundschaft.“ „Das ist doch selbstverständlich… Was führt Euch denn in diese Gegend, so abseits vom Wege?“
Das war die Frage, die Aischa befürchtet hatte. „Nun, eigentlich bin ich auf der Rückreise nach Gareth, und ich dachte, ich kann eine Abkürzung nehmen, die mir ein Herr in der Stadt Leihenbutt empfohlen hat. Bin ich da richtig?“ Die beste Lüge enthielt immer ein Quentchen Wahrheit, das hatte Aischa schon früh gelernt… Der Alte jedoch runzelte die Stirn. „Nun, da müsst Ihr aber falsch abgebogen sein. Der Weg, der vom Dorf wieder weg führt, führt Euch sicher nicht nach Gareth.“ Der Mann beobachtete aufmerksam seine Gegenüber, besonders der erkennbar schlechte Zustand des Pferdes schien ihm nicht zu entgehen. „Wie es aussieht, habt Ihr es eilig, oder? Ihr seid sehr früh aus Leihenbutt aufgebrochen, wenn Ihr um diese Stunde schon hier seid.“ Nun war es an Aischa, die Stirn zu runzeln. „Und, gibt es damit ein Problem?“ entschloss sie sich, die Flucht nach vorne anzutreten. „Oh, nein, gar nicht“, ruderte Ungalf zurück. „Vielleicht wollt Ihr Euch ein bisschen ausruhen. Meine Frau hat noch was vom Frühstück übrig, ich lade Euch gerne ein, die Tafel mit uns zu teilen.“
Trotz ihres Misstrauens konnte Aischa dieses Angebot kaum ablehnen und begleitete den Schulzen in seine Wohnstube. Dort geriet sie leicht in ein freundliches Gespräch mit Hermine, der Ehefrau Ungalfs, die auf die Schnelle ein schmackhaftes Mahl auf den Tisch zauberte. Um keinen Verdacht zu erregen, griff Aischa zu und unterhielt sich mit dem Ehepaar, erzählte von den neuesten allgemeinen Neuigkeiten, dem Leben in Gareth und natürlich auch vom Zornesorden, stellte aber auch ein paar allgemeine Fragen, die jeder Durchreisende stellen würde. Besonders das Thema Zornesorden schien Ungalf zu interessieren, gerne schilderte Aischa ihm die Geschichte des Ordens und die Gebote und Aufgaben, denen der Orden nachging. „Kurz gesagt, der Zornesorden schützt die Schwachen und kämpft wider das Böse und Unheilige, wo immer es zu finden ist. Dies ist die Aufgabe, der alle Ordensmitglieder, selbst seine Exzellenz, ihr Leben verschrieben haben. Jeder von ihnen würde sein Blut bereitwillig hingeben, wenn damit das Leben eines Unschuldigen gerettet werden kann.“ Über diese Worte schien Ungalf nachdenklich zu werden, denn er sagte erst mal nichts, sondern zog nur an seiner mit würzigem Tabak gefüllten Pfeife.
Plötzlich drangen Hufgetrappel und laute Stimmen durch das geöffnete Fenster in die kleine Hütte. Aischa konnte nicht anders, als kurz in ihrer Bewegung inne zu halten. Ob Ungalf dies registrierte, verriet seine Miene nicht. „Oh, noch mehr Besuch… so viel hatten wir hier schon in vielen Götterläufen nicht…“ eine gewisse Süffisanz war seiner Stimme schon zu entnehmen. Innerlich spannte Aischa sich an, bereit, jederzeit die Flucht zu ergreifen. Kurze Zeit später klopfte es hektisch an der Tür, die Ungalf sogleich öffnete. Der junge Mann von vorhin stand da, reichlich aufgelöst: „Da sind die Soldaten, aus der Stadt. Ich glaube, die suchen jemanden.“ Unwillkürlich gingen die Blicke des jungen Mannes, Ungalfs und seiner Frau zu Aischa, aber Ungalf brummte nur: „Lass mich das mal machen, Jungchen.“ Seiner Frau warf er einen beredeten Blick zu, den Aischa aber nur schwer deuten konnte. Würde er sie jetzt verraten? Ungalf schloss die Türe hinter sich und Aischa blieb nichts weiter übrig, als abzuwarten. Die Worte, die Ungalf mit den Soldaten wechselte, waren kaum zu verstehen. Nach einigen Minuten allerdings hörte Aischa eine markante Männerstimme in Befehlsgewohntem Ton brüllen: „Und wenn du mich belogen hast, Alter, dann mach ich dich einen Kopf kürzer, und zwar höchstpersönlich!“ Hermine erbleichte, schlug ein Schutzzeichen vor der Brust. Dem folgte sich eilig entfernendes Hufgetrappel.
Aischa konnte es kaum glauben. Sollten die Götter doch ein Einsehen mit ihr gehabt haben? Nachdem die Soldaten den Weiler verlassen hatten, hörte Aischa aufgeregte Stimmen, die allerdings von Ungalf beschwichtigt werden konnten. Nach etlichen Minuten bangen Wartens öffnete sich die Tür und ein ernst dreinblickender Ungalf kam herein. „Was wollten die denn?“ fragte seine Frau ängstlich. „Ach, die haben nur nach einem Verbrecher gesucht, der in Leihenbutt was angestellt haben soll, nichts weiter.“ Dabei blickte er Aischa an, die dem forschenden, ja wissenden Blick standhielt. „Die Soldaten, die machen mir immer Angst…“ meinte Hermine leise. Ungalf nahm seine Frau kurz in den Arm. „Keine Sorgen, uns passiert schon nichts. Die Zwölfe beschützen uns, glaub mir.“ Auch jetzt noch blieb der Blick zwischen Ungalf und Aischa bestehen. Ernst nickte sie ihm zu, einmal. Kein weiteres Wort fiel über diesen Vorfall.
Ungalf bot Aischa an, sich in ihrer Hütte ein paar Stunden auszuruhen. „Gegen Abend dann wird mein Junge Euch zu einem Weg bringen, der direkt zur Grenze der Baronie führt. Dann dürftet Ihr in Sicherheit sein.“ Aischa, zutiefst gerührt von dem Mut und der Liebenswürdigkeit der Leute, wusste kaum, was sie sagen sollte.
Es dämmerte schon, als Hermine Aischa weckte. „Hier, nehmt das.“ Sie drückte ihr ein paar in ein großes Tuch eingeschlagene Lebensmittel in die Hand. „Mögen die Götter mit Euch sein.“ Dankbar drückte Aischa die Hand der alten Frau und verließ das Schlafgemach. Den Beutel mit ihren Dukaten hatte sie schon gleich auf der Kommode zurück gelassen, sie wollte darum kein großes Aufheben veranstalten.
Die Worte des Abschieds waren schnell gewechselt. „Mögen die Götter Euch Eure Hilfe danken, Ungalf. Ihr seid ein guter Mann, so wie Eure Leute hier.“ Zu ihrer Überraschung entbot Ungalf Aischa den Kriegergruß, den sie grinsend akzeptierte. Dank der Hilfe von Ungalfs Sohn fand Aischa alsbald auch den Feldweg, der sie endlich weg bringen würde von diesem götterverlassenen Ort. Naja, vielleicht nicht ganz so götterverlassen, sagte sie sich.
Bald schon hatte sie die Grenzen Leihenbutts hinter sich gelassen, danach wurde es einfacher für sie zu reisen, konnte sie doch wieder die Hauptstraßen benutzen. Aischa entschied sich, sofort den Weg nach Schwertwacht einzuschlagen, dessen Tor sie einige Tage später, abgehetzt und allein, mit schwerer Miene durchritt… Schwer ließ Aischa sich aus dem Sattel gleiten. Ihre Rückkehr, vor allem allein, hatte die Torwache in Alarm versetzt und dazu veranlasst, sofort einen Knecht zu seiner Exzellenz zu schicken. Es dauerte nicht lange, da wurde Aischa in dessen Zimmer beordert. Kein Wort hatte sie bis zu diesem Zeitpunkt gesprochen, oder erlaubt dass man nach ihr sah, allein ihr Blick hatte gereicht, um jede Nachfrage ihrer Ordensgeschwister abzubrechen.
Nun stand Aischa saba Melin vor ihrem Vorgesetzten. Adran erkannte mit einem Blick, dass nur schierer Wille und Disziplin seine Leibwächterin vor ihm zusammen und aufrecht hielten. Er ahnte, dass etwas Schlimmes passiert sein musste. Seine Aufforderung: „Berichtet…“ war reine Formalität. Seine Exzellenz konnte kaum die eigene Anspannung verbergen, versuchte jedoch Zuversicht auszustrahlen und wappnete sich der Dinge die er gleich vernehmen sollte. Er ahnte Schlimmes. Aischa seufzte schwer, bevor sie anfing: „Wir müssen uns eilen, Exzellenz. Dieses Leihenbutt hat sich als größere Bedrohung heraus gestellt, als uns allen klar war. Die Comtessa, sie ist wesentlich gefährlicher, als ich es für möglich gehalten hätte … sie… verehrt den Gott ohne Namen.“ Es dauerte einige Sekunden, in denen die Ungeheuerlichkeit von Aischas Worten Gestalt annahm in den Köpfen der Anwesenden. „Seid Ihr Euch da sicher, Schwester?“ ruhig klang die Stimme des obersten Wissensbewahrers des Ordens, Serafin. Aischa nickte: „Bei allem was mir heilig ist, ja. Ich habe es selbst gesehen. Mit eigenen Augen und Ohren wurden ich und seine Gnaden Anjun von Ingrams Fels Zeugen eines frevelhaften Götzendienstes, bei dem eine Figur, die eindeutig als die Comtessa erkannt werden konnte, ein mystisches Wesen namens Kerbold anbetete. Am Höhepunkt dieses perfiden Spektakels wurde die Statue eines liegenden, gefesselten Mannes mit goldenem Gesicht enthüllt, dem ein Frevler einen seiner eigenen Finger opferte. Dann haben ihre Söldner uns entdeckt.“ Hier geriet Aischa ins Stocken, musste sich sammeln, bevor sie weiter sprach. Der Großmeister wollte schon zu ihr eilen und sie stützen, doch hielt ihn ihr stolzer Blick davon ab.
„Bei unserer Flucht wurde Bruder Manujuk schwer von dem Bolzen einer Armbrust getroffen. Es war ihm nicht möglich, weiter zu laufen. Schwester Seanna Maraghain entschied sich, bei ihm zu bleiben und gemeinsam deckten sie den Rückzug von seiner Gnaden und mir. Obwohl die beiden mit Rondras Stärke und Hlûthars Mut kämpften, ist nicht zu erwarten, dass sie der Übermacht der Schergen Simionas gewachsen waren. Es waren einfach zu viele. Dennoch, ob sie ermordet wurden, oder vielleicht noch leben, kann ich nicht sagen, denn seine Gnaden und ich nutzten die Gelegenheit, die Seanna und Manujuk mit ihrem Blut für uns erkauften, und flohen aus der Stadt. Doch wurden wir verfolgt und bald schon kamen die Verfolger immer näher. Da entschied seine Gnaden von Ingrams Fels sich, eines der überzähligen Pferde zu nehmen und in eine andere Richtung zu reiten, während ich mich verstecken und dann bis hier her durchschlagen sollte. Ich … ich weiß nicht, was aus ihm geworden ist. Verzeiht.“ Das letzte Wort kam nur noch als Flüstern über Aischas Lippen.
Trauer umschloss sich bei diesen Worten um des Großmeisters Herz. Gerade Anjun, den er als jungen Knaben aufnahm und zum Knappen ernannte, den er wie seinen eigenen Sohn aufzog und lehrte zwischen Gut und Böse, Recht und Unrecht zu unterscheiden. Dem er alles mit auf dem Weg gab, was er selbst war. Dem er lehrte, dass Mut, Treue und Loyalität nicht angeboren, sondern von einem selbst kommen musste. Seine Exzellenz war immer stolz auf seinen Schützling gewesen und hatte dies doch nie gesagt. Sollte es jetzt zu spät dafür sein? Der Großmeister erlaubte nicht, dass diese Gedanken sich in seinem Geist und in seinem Herzen ausbreiteten, sondern nahm sie und schob sie behutsam, aber bestimmend in eine Ecke seines Geistes, wo er sich diesen später annehmen konnte. Es gab noch Hoffnung und er musste sich auf das Jetzt und Hier konzentrieren.
Adran konnte den Schmerz, der in Aischas Gesicht stand, beinahe körperlich spüren. Sie hatte drei Ordensgeschwister zurück lassen müssen. Ausgerechnet sie, die sich einst hinter die feindlichen Linien jenseits der Grenze zu Darpatien gewagt und ihr Leben riskiert hatte, um die Überreste von zurückgelassenen Kameraden des Freiwilligenbanners zu bergen. Der Großmeister trat an sie heran und legte seine Hände auf ihre Oberarme. „Aischa, Du hast gut getan hierher zu eilen. So besteht noch Hoffnung was unsere Brüder und Schwestern angeht und wir haben nun Gewissheit was Leihenbutt angeht.“ Seine Stimme wirkte beruhigend und bestätigend. Aischa schaute ihren Großmeister in die Augen und sah, dass er verstand was sie gerade durchmachte und dass er dies immer durchlitt, wenn er jemanden auf Mission in die Lande entsandte und dieser dabei den Tod fand. Einen Teil der Last nahm er damit von ihren Schultern.
Bis spät in die Nacht hinein zogen sich die Beratungen des obersten Zirkels des Zornesordens. Trotz ihrer offensichtlichen Erschöpfung ließ Aischa es sich nicht nehmen, dabei zu sein, um durch ihre Beobachtungen und Hinweise Hilfestellung zu leisten. Derweilen wurden Boten in die Wachten am Großen Fluss, Orkward und Südmark entsendet, damit diese den bevorstehenden Zug unterstützen sollten, so sie konnten. Nimmgalf und die Brüder auf Burg Trollhammer mussten informiert werden, während ebenso Osenbrück verständigt werden sollte, in der Hoffnung, dass sich der Schwerterorden dem Kampf wider Simiona anschloss. Serafin, Hüter des Wissens im Orden und Abgänger der Akademie Schwert und Stab sollte sich gen Gareth aufmachen um Saldor Foslarin, den Leiter der Weißen Gilde zu überzeugen, dass sie den Zug ebenfalls verstärken sollten. Bei diesem bevorstehenden Kampf galt es Stahl, Geist und Glaube zu vereinen, um den Zwölfen zu dienen.
„Noch vor dem Mittag werde ich aufbrechen und dem Baron von Gallstein persönlich informieren.“ Stellte der Großmeister fest. Auf die fragenden Blicke seiner Offiziere hier, fügte er hinzu. „Wir benötigen Verbündete und mag seine Hochgeboren oftmals Mittel einsetzen, die wir als übertrieben ansehen oder gar ablehnen, so ist er doch ein Streiter des Reiches und glaubt an die Zwölfe. Wenn wir ihn für den Zug gewinnen können, mögen sich vielleicht noch weitere Adelige uns anschließen, die bisher noch zögern.“
Der Morgen graute schon, als die Beratungen endlich vertagt wurden, und Aischa sich zurückziehen konnte. Doch anstelle in ihre Kammer zu gehen, wo ihre Bett verheißungsvoll auf sie wartete, schlug sie den Weg zum Rondratempel ein. Schwer fiel die Tür hinter ihr zu. Es war niemand anwesend, nur das Licht der Flamme des Heiligen Zorns leuchtete aus dem heiligen Raum hinter dem Altar ins Tempelschiff, warf Schatten auf die Statuen der Rondra und Hlûthars, vor die Aischa nun trat. Erst hier, vor der Göttin, ließ sie das Zittern zu, das die letzten Tage lang auf diesen Moment gewartet hatte.
Erst jetzt ließ sie zu, dass die Trauer, die die ganzen letzten Tage lang hinter einer Wand aus Pflichterfüllung und Disziplin eingesperrt gewesen war, an die Oberfläche gelangte. Als die Tränen schließlich versiegten und das Zittern allmählich ihren Körper verließ, breitete sich eine seltsame Art Ruhe in Aischas Geist aus. Sie richtete ihren auf den Knien zusammen gesunkenen Körper auf, richtete den Blick auf das Abbild der Göttin. Stumm zog sie ihren Dolch und stach damit in ihre Hand. Rotes Blut rann aus der Wunde hervor.
Manche Schwüre brauchten keine Worte.