Geschichten:Die Huren, die du liebtest - Geldsorgen
Dramatis personae:
- Darian Ardor von Bieninger, Junker zu Altenbeek
- Fredo Silberhain, Verwalter auf Gut Bieninger
Gut Bieninger (Junkertum Altenbeek), 1. Firun 1036 BF
„Immer geht es überall nur ums Geld. Man könnte meinen es gäbe wichtigeres…“
„Bei allem Respekt, mein Herr. Ihr macht viele Zugeständnisse in letzter Zeit, die für mich nicht immer nachvollziehbar sind. Würdet ihr mich einweihen, könnte ich Euch unter Umständen helfen.“ Fredo Silberhain schaute betrübt seinen Herrn an. Einige Monate waren vergangen seit die, in der Baronie so genannte „Zwergenstolzfehde“ zu Ende ging und Darian von Bieninger zurückkehrte mit seinen Männern, doch ohne das Geld, das er einfordern wollte. Zwar hatte Raimund von Dunkelwald ihm die Treue geschworen und Bock und Biene standen tatsächlich seitdem zusammen, doch blieb ein bitterer Beigeschmack, da Darian Fredo seinen Sinnenwandel nicht erklären konnte. Die Monate danach verliefen zwar ohne größere Zwischenfälle, doch Darian von Bieninger begann zunehmend der Bevölkerung, bei dem von ihm ausgerufenen Stammtisch Zugeständnisse zu machen für Projekte, für die er das Geld nicht besaß. Er beteuerte zwar stets vehement, dass er das Geld auftreiben würde, doch die Falten in seinem Gesicht wurden tiefer und die Truhen immer leerer.
„Fredo, du hast dir mein Vertrauen verdient, ich weiß und es tut mir in der Seele weh, dir verschweigen zu müssen, was ich erfahren habe, doch die Situation erfordert es.“, gab Darian zurück mit beinahe flehendem Blick. Er schenkte Fredo noch einmal vom dampfenden Wein ein. Darian hatte schon immer viel getrunken hatte Fredo erfahren, doch nahm es in letzter Zeit zu, wie ihm nicht entgehen konnte. Fredos eigene Becher blieben meist voll, da er versuchte zu verstehen, was sein Herr tat und dafür seine volle Konzentration benötigte.
„Die Situation mag es vielleicht erfordern, dass wir die Straße zu Gut Dunkelwald aufbessern, das war lange überfällig, nur warum zahlt Ihr es? Das neue Lagerhaus für die große Mühle in Farningen, obwohl das alte ausreichte? Wieso stellt Ihr zwanzig Bauern ab, um Tag für Tag Holz zu schlagen? Wofür benötigt ihr es? Unsere Lager sind voll. Wir werden den Winter problemlos überstehen und selbst das Vieh in Euren Ställen lebt im Überfluss, da Ihr so viel Heu habt kaufen lassen.“
„Wenn die Lager voll sind, lasst ein neues Bauen. Es braucht nicht viel. Für den Anfang reicht eine überdachte Fläche.“
„Aufträge wie diesen meine ich.“
„Es tut mir Leid Fredo. Ich kann es Euch beim besten Willen nicht sagen, verdammt noch mal…“ Der Wein schwappte aus dem Becher, als Darian ihn auf den Tisch knallte. Fredo zuckte kurz zusammen. Stille.
„Verzeih mir.“, bat Darian Fredo kleinlaut.
„Ist schon in Ordnung.“ Fredo ging zum Schreibtisch, nahm seinen Wein und verließ den Raum. Er wusste mittlerweile, wann es keinen Sinn mehr machte weiter zu diskutieren. Als er die Tür des Schreibzimmers geschlossen hatte wandte er sich Richtung Hof. Die Viehbestände mussten geprüft werden. Auf dem Weg zu den Ställen dachte er weiter nach. Was könnte Dunkelwald ihm erzählt haben? Holz, Mehl, Heu, zusätzliche Lager…auf was bereitet er uns vor? Fredo ließ sich schon lange nicht mehr vorgaukeln, dass er nur um Wintervorräte ging. Die zweite Option für Fredo war Krieg, doch gegen wen? Fredo nahm einen tiefen Schluck und verbrannte sich dabei die Zunge. Es wäre eine Sache, wenn er all dies tun würde, wenn er das Geld dafür hätte, doch das hat er nicht. Statt in die Ställe trugen Fredos Füße ihn so in Gedanken verloren in sein eigenes Zimmer und hinter den Schreibtisch. Er rieb sich die Augen. Diese ständigen Zahlen. Fredo beschloss sich ein wenig auszuruhen und nahm das Buch hervor, das er immer las, wenn ihm nicht mehr nach Zahlen war. Chronik derer von Rothental. Mittlerweile blass standen die Worte auf dem ledernen Umschlag. Wie so oft vergaß Fredo beim Lesen die Zeit und langsam übermannte ihn die Müdigkeit, als etwas seine volle Aufmerksamkeit weckte. Der Wahlspruch des Hauses Dunkelwald: "Unser ist der Forst".Das Haus wählte ihn eine Generation nachdem sie das Lehen erhalten hatten. Jeder wusste, dass sie den Wald gut kannten und die Gebote Firuns höher hielten, als die Rondras. Insofern machte der Spruch Sinn. Fredo war seit über dreißig Götterläufen Verwalter dieses Gutes und war sich vollkommen sicher dass der Wahlspruch des Hauses Dunkelwald in der gesamten Zeit „Solange ich atme, wanke ich nicht“ gelautet hatte. Was war geschehen? Wieso änderte das Haus seinen Wahlspruch? Wieso war der Forst nun nicht mehr der Ihrige? Weshalb sollte Raimund von Dunkelwald wanken? Wem galt diese Ankündigung? Viele Fragen schossen durch Fredos Kopf und er wusste nur eines mit Gewissheit: Ihm stand eine lange Nacht bevor.