Geschichten:Die Jagd in Breitenhof - Teil 6
Eslam war nun auch heran, den Säbel hoch erhoben, doch bevor er den tödlichen Streich vollführen konnte, erwischte ihn ein Pfeil in der Seite. Abrupt brach er den Angriff ab und ritt, sich mühsam auf seinem Ross haltend, am Feind vorbei.
Eilig drehte er sein Pferd und zog mit zusammengebissener Miene den Pfeil aus der Wunde. Fluchend warf er das blutige Geschoss zur Seite und bereitete eine neue Attacke vor, denn der offenbare Anführer des Gesindels, ein bulliger Kerl mit einem Streitkolben in den Pranken, stapfte gerade auf Yendor und den scheinbar ohnmächtigen Rondrigo zu. „Na wartä Burschä, Disch wärdä isch besondärs gründlisch Kor anbiedän!“
Erschrocken hatte der eben noch siegreiche Räuber sich dem Reiter zugewandt und mit Erleichterung erkannt, dass der Berittene vorbei war. Nun war es Zeit sein Werk zu vollenden. Er drehte sich um, bereit dem bewusstlosen Baron von Gallstein den Garaus zu machen. Statt einem liegenden, wehrlosen Mann, stand er nun einem kräftigen und vor allem wachen Krieger gegenüber. In den dunklen Augen Yendors spiegelte sich noch nicht einmal Hass, nur eisige Kälte und stählerne Entschlossenheit. Vom Pfeil, der den Edelmann niedergeworfen hatte, war nichts mehr zu sehen. Unter dem Loch, welches die Spitze des Geschosses in das Wams des Barons gerissen hatte, war ein Kettengeflecht zu sehen. Das Wams war blutig verschmiert, aber offenbar war die Pfeilspitze nicht tief durch den leichten Panzer gedrungen. Blitzartig zuckte der linke Arm des Barons vor und packte den Gemeinen an der Kehle. Der Strauchdieb wand sich im harten Griff Yendors und ließ seine Keule los, um mit aller Kraft am Arm seines Peinigers zu zerren.
Rasch zog der Baron sein Schwert und durchbohrte den panisch zappelnden Mann vor ihm ohne Mitleid.
„Versichere dich immer, dass dein Gegner wirklich tot ist. Dies war dein Fehler...“ Der Baron zog sein Schwert aus dem Körper des tödlich Verletzten und rammte es sogleich wieder mit enormer Wucht in das zuckende Fleisch. „Spürst du es? Ich mache diesen Fehler nicht.“ Das Winseln des Sterbenden ignorierend, stellte er sich dem Anführer. Wütend warf sich der kräftige Kerl auf den Baron.
Yendor wich einen Schritt zurück und parierte jeweils einen Schlag nach links und einen nach rechts. Entschlossen ging nun der Baron zum Angriff über. Dem ersten Streich wich der bärenstarke Mann noch aus, doch der folgende Hieb schnitt durch seine Hüfte. Aufheulend verzog der Getroffene das Gesicht und empfing den tödlichen Streich, der nur einen Herzschlag später folgte. Der Letzte von Rondrigos ursprünglichen Gegnern zögerte, als er seinen Hauptmann zu Boden gehen sah. Yendor jedoch kannte kein Zaudern. Schnell machte er einen Schritt auf den überraschten Mann zu und hieb ihm das breite Schwert in die Seite. Wie ein verwundetes Tier aufjaulend, fiel der Getroffene zur Seite.
Yendor hob die Klinge hoch über den Kopf und führte einen vernichtenden Hieb, der den bereits Besiegten fast in zwei Hälften teilte.
Otwin kämpfte immer noch verbissen gegen seinen direkten Gegner, als Eslam und der verbliebene Soldat, der mittlerweile auch aus zahlreichen Wunden blutend, seinen Feind jedoch bezwungen hatte, heran nahten.
Die Übermacht erkennend, warf der Räuber seinen Spieß fort und rannte um sein Leben. Weit kam er allerdings nicht. Laut stampfend gruben sich die Hufe von Eslams Pferd in den Waldboden und nur wenige Augenblicke später hatte der Nebachote den Flüchtenden eingeholt. Ein Rempler des Streitrosses brachte den Fliehenden zu Fall. Flugs sprang der Südländer ab und verpasste dem sich gerade wieder Aufrappelnden einen harten Faustschlag aufs Kinn. Wie ein Stein kippte der Räuber um und blieb reglos mit aufgepatztem Gesicht liegen. Laut vor sich her fluchend schleifte Eslam den Bewusstlosen mit zu den anderen. „Nä Eslam Du raitäst wie ain liebfäldischäs Kind. Raitäst ainfach an däm Kärl vorbai, statt übär ihm wäg!“
„Gud, dass där Junkär von Silbärblick mit sainän Mannän nicht mähr allzu wait äntfärnt war und dän faigen Bogänschützän ärschlagen hat.“ Eslam schob den Teller von sich weg und bedeutete der hübschen Magd noch einmal Wein nachzuschenken.
„Gut gesprochen,“ meinte Rondrigo, „sonst hätte es für alle Verwundeten und auch für mich selbst schlecht ausgesehen. Wir sollten ohnehin den Göttern danken, dass wir so glimpflich davon gekommen sind. Auch wenn ich ein paar Tage das Bett hüten muss, so sind ein zerschnittener Arm und gebrochene Rippen nicht so schlimm; das heilt wieder zusammen. Einer der Soldaten und die Knechte hatten weniger Glück, sie mussten die Bekanntschaft Golgaris machen.“
Der Junker von Silberblick hingegen, der bis jetzt geschwiegen hatte, tat seinen Teil des Kampfes mit einer Geste der rechten Hand als belanglos ab.
„Nicht der Rede wert, Herr. Sicherlich wärt Ihr auch ohne meine Hilfe noch gut zurecht gekommen, auch wenn es noch die ein oder andere Blessur hinzugegeben hätte. Für die Seelen der tapfer im Kampf gefallenen werde ich beten.“
Alle Anwesenden, der Junker von Silberblick ausgenommen, hatten mehr oder weniger schwere Verletzungen davon getragen. Am meisten Glück hatte der Herr von Gallstein gehabt, denn wie durch ein Wunder hatte der Pfeil das dünne Kettengeflecht kaum durchdrungen und somit nur eine nicht zu tiefe Fleischwunde hinterlassen.
„Was wirklich ärgerlich ist,“ begann Yendor, „ist, dass der Gefangene uns entwischt ist.“
„Entwischt?“ Otwins Stimme klang überrascht, ob der Wortwahl des Barons von Gallstein. „Verzeiht, aber Ihr habt ihn auf der Flucht erschossen, Herr Yendor.“ Der Gallsteiner nickte kurz. „Genau dies meine ich auch. Er ist uns dadurch entwischt, aber den Tod hatte er auf jeden Fall verdient.“
Rondrigo bekräftigte die Worte des Barons mit einem lauten: „Bei Praios! Recht hat der Herr Yendor. Was für ein feiger Hinterhalt! Rondra sei Dank, dass wir das Blatt wenden konnten! Wahrlich erschütternd sind aber die Dinge, die wir von diesem Abschaum erfahren haben.“
„Wuos hast Du auch erwartät, von so ainem Pack?“ warf Eslam fragend ein...