Geschichten:Die Katastrophe (Al’Katas Pu’ranuth) - Aufruhr in Haselhain
Baronie Haselhain, Festung Haselhain, Nebachot-Halle, Anfang Travia 1039 BF
Sogar die Größe der opulenten Thronhalle war kaum ausreichend für die vielen Anwesenden. Die Situation erforderte aber dass sie alle vor Ort waren. Der gesamte Hofstaat, der Großteil seiner raulschen und nebachotischen direkten Vasallen sowie etliche Vertreter des Stammes der Ammayin und einiger anderer Stämme waren dem Ruf des jungen Barons gefolgt oder vielmehr ihrer ganz eigenen Agenda, die aber mit dem kindlichen Siyandor zumindest in Zusammenhang stand. Dieser saß etwas verloren zwischen den vielen Kissen seines Diwanartigen Throns, zwischen all dem prunkvollen und üppigen Luxus den die prächtige Halle zu bieten hatte. Dabei versuchte er sich Unsicherheit und sein kränkelndes Gemüt nicht anmerken zu lassen, was ihm für einen 13jährigen auch recht passabel gelang.
Das beständige Stimmengewirr wurde leiser als der Stab des Majordomus zur Ruhe gemahnte und sich Siyandors wichtigste Berater von ihren niedrigen Kissenlehnhockern erhoben, die Vögtin Lyn, der Vorsitzende des Pfiffenstocker Familienrates Ramaro, der alte Amnon der für die Ammayin sprach und seit neustem auch sein Onkel Selo. Direkt neben Siyandor erhob sich noch die archaische Gestalt des Ersten Reiters und Leibwächters Hamkim.
Dann erhob Ramaro die Stimme, man hatte sich auf ihn geeinigt, da man sie Sache zu heikel fand um Lyn als nicht Nebachotin die Versammlung eröffnen zu lassen. Zumal diese nachdem Verschwinden ihres Sohns Caihyn in Brendiltal absolut unberechenbar war und nur lange beschwichtigende Gespräche sowie eigene haselhainsche Suchtrupps sie davon abgehalten hatten selbst loszuziehen und jeden noch so geringen Verdächtigen sofort nieder zu machen.
Ramaro eröffnete: „Dän Al’veranischän, unändlichän 12en szum Grußä, ährwurdigä Brudär und Schwästärn, Va’sallän, ärhabäne Gästä. Im Namän däs Marben han Hassal'han, däs Furstän där Ammayin und däs gäsägnäten groszän Al’Hatim Si’Yandor han Fir’Enock, Siyandor von Pfiffenstock, haiszä ich Ramaro han Fir’Enock, Sprächer därer aus där Sippe däs Hausäs däs edlän Hauptäs, eich willkommän auf Hassal’han Ammayin, Festung Haselhain Armeenschreck, die schon trotzä tausänd Faindän.“
Bei den ersten Worten, der Aufzählung der offiziellen Titel des Barons, ging erstes Raunen durch den großen Raum, dessen Ausmaße es noch drastischer klingen ließ. Die Umstände des Treffens machten sich also sofort bemerkbar. Aber anders hatte man es auch nicht erwartet, nicht nach den Ereignissen in Brendiltal und Morganabad, welches der Familiensprecher, dem das Raunen natürlich nicht entgangen war, auch gleich etwas ungehalten ansprach: „Wir habän Morganabad gäsähen, die Stadt där Stämme, wir sahän dass sie uns diesmal kainä ainände Waishait brachtä, sogar där Al’Haresh blieb färn. Und so mussän wir uns sälbär, Nebachoti für Nebachoti, nach där Wahrhaftigkait graifän.“ Nun trat der Greis Amnon vor, für den Ramaro einen Schritt zurück machte. Mit tatriger Stimme, krächzte der untersetzte Mann: „Ich waiß uum diä Un’ainighkait mainär zart’blutigän Shar, diä sonst fur ihrä Groszmutigkait bä’ruhmt iszt. Ich horä diä Rufä, doch wir mussän Ainigkait szaigän. Nur diä Ainigkait, wie sie Sankt Simold unsz lährte, bäwahrt unsz vor där Willkur von Außän und auch im Innärän. Dashalb iszt Si’Yandor sait däm Todt äben jänem Sankt Simold däs Ainändän unsär Furst und Al’Hatim. Är soll ins Tal där Pfärdehärrän gähen und sähen, ob där Brändil’talär uns waitär szur Saitä stähän kann wie sain Va’tär.“ Wieder ging ein Raunen durch den Saal, diesmal lauter, Unmut machte sich breit, denn so war schon vor der Veranstaltung klar dass auch der Ammayin-Nebachote und Vasall Haselhains Sal von Blutauge gedachte Martok den Titel des Al’Shuars streitig zu machen. Doch hatte man mit ihm ein Gespräch geführt und er hatte seine Ansprüche vorerst zurück gestellt, da seine Tochter die nächste Baronsgemahlin und er ab nun Haselhainer Zeugwart werden sollte. Doch wie lange dies anhielt ließ die Stimmung im Saal kaum erahnen, da sich in Sals Lager ebenfalls laute Stimmen regten, die den Namen des Blutauges riefen. Man hatte sowas erwartet, allerdings war die Unruhe heftiger als man gedacht hatte, so dass die Raulschen im Raum nervös wurden und Selo kurz Augenkontakt mit Hakim hielt, der ihm aber bedeutete alles im Griff zu haben. Die Schwarzen Wölfe, griffen die Speere fester, das Stimmengewirr wurde immer lauter, die Menge geriet in Bewegung, Streit unter den einzelnen Anwesenden brandete auf, dann trat ein Vertreter der Darrenfurter vor, edel war er gekleidet, sehr selbstbewusst, vielleicht zu sehr, bahnte er sich seinen Weg und rief den Beratern Siyandors und vorallem Amnon zu: „Und du willst ain waisär Altär unsär allär Stammäs sain, Amnon, du klingst alsz wärst du ainär där ihrän, was habän sie dir värsprochän? Odär hat dich all där Prunk hiär blind gämacht fur die andären Familien? Du hast Morganabad sälbst gäsehen, die Ammayin dänken äs ist Szait, sie dänken äs bäraits sait däm Tode St. Simolds. Wir Ammayin wollän ainän andären Furstän, dann gäben wir Si’Yandor dän Al’Hatim.“ Zustimmende Rufe brandeten gegen kritische, Lager bildeten sich, bevor irgendwer auf dem erhöhten Podium sprechen konnte schritt der sonst eher ruhige Can von Rabenstock gefährlich nah auf den Darrenfurter zu und schrie diesen an, so dass sein gewaltiger Schnauzbart dabei bebte: „Was bildest du dir ain, Darren’Far? Wie kannst DU hier fur alle Ammayin sprächen, während du es däm alten Amnon värwaigerst? Die Raben fliegän mit dän Fir’Enocks.“ Stolz klopfte sich der eher gemütlich-kräftige Mann auf die Brust und erntete dafür von seinen Anhängern Jubelrufe, während er sich symbolisch zu den anderen auf dem Podium gesellte. Doch ein anderer brüllte von hinten auf tulamidischem Nebachotisch herein: „Dich haben sie ja auch gekauft, Can der Stolze, deine Loyalität gegen deine Fleckige.“ Es brachen Gelächter und Zornesrufe zu gleich aus und der Schönbartheimer Junker suchte voller Zorn die Menge vor ihm nach dem Rufer ab und forderte diesen brüllent auf er solle sich zeigen. Als ein großer Krieger der Lanzenruher vortrat drohte die Situation zu eskalieren.
Es wurde zunehmend lauter, es war sogar vereinzelt zu hören wie Waffen gezogen wurden. Woraufhin die Wölfe näher rückten und die ersten bei Seite zogen. Als plötzlich die schrille Kinderstimme Siyandors alles durchschnitt und selbst seine Berater, die versucht hatten die Situation zu schlichten, überrascht aufsahen. Der kleine Baron stand nun, wies die Kontrahenten mit Gesten auseinander, die dem teils etwas wiederwillig folgten. Dann rief er Selo, Lyn und Hakim zu sich und beriet sich kurz und leise, während sich die verschiedenen Parteiungen immer noch mit bösen Blicken bedachten. Dann ließ Hakim die Wölfe wieder an den Rand der Halle rücken. Lyn stellte sich zu Siyandros linken, Hakim zur rechten, in ganzer drohender Gestalt. Selo trat kurz zu den anderen Beratern, der Plan hatte sich geändert, alle traten ein Stück zurück. Nur das Kind machte einen Schritt nach vorn. „Ich spürä euer Värlangän als wäre äs main aigänes, mainä Gäschwistär…“, Siyandor schluckte, er war unsicher und es ging ihm nicht gut, „so will ich eich horän und mir nicht ainfach nähmen was mir main Onkäl gab, obwohl äs main Rächt ist. Auch ich sähe Brendil’tal und auch ich sah Morganabad. Ich mag ain krankäs Kind sain…“, das war nicht geplant gewesen, man hatte vorher genau besprochen, dass man nicht nachgeben wollte, da die meisten Siyandor eh schon als schwach sahen. Selo wollte instinktiv vortreten, doch Siyandor wies ihn zurück, die anderen begannen zu tuscheln, „ich brauchä nicht daruber zu schwaigän, ich waiß was jäder dänkt, dänn so bin ich viellaicht schwach, abär dumm, blind odär taub bin ich nicht. Und so bin ich bärait zu värhandeln. Doch sagt mir wäm soll ich gäben die Ähre szu führän was main sain solltä? Und was ärlange ich von eich? Ich värmutä ihr währet eich auch uneins daruber. Und so will ich eich Szait gäben, dies szu bäratschlagän, ob’wohl ich bäfurchtä das Szait das Lätztä ist was wir habän, bävor das Wärk mainäs Onkäls gänszlich zärbricht. Därwail wärde ich mit Värträtern där unsären ins Land där Pfärdehärren raisän um szu sähen was är dän Nebachosja und voralläm dän Ammayin zu bietän hat. Danach wärde ich ärneit abwägän und zu eich sprächen und ihr konnt mir eire Wahl und eier Gäboth nännen. Doch jätzt will ich nur Blut sähen das värbindet, nicht solchäs das äntzwait. Gäht szu eiren Sippän und Familiän und haltät Rat und säht zu dass diesär klug ausfällt und nicht nur ain waitäres Morganabad.“ Mit diesen Worten löste sich die Anspannung des hageren Körpers und der Junge schaffte es gerade noch sich würdevoll auf dem Thron nieder zu lassen.
Alles andere hätte wohl auch nur für erneute Tumulte gesorgt, dachte er und auch sein Onkel Selo, der dies wohl bemerkt hatte und innerlich hoffte, dass die Tat des Jungen Anklang fand, aber ahnte jetzt schon dass nicht alle mit ihm ziehen würden. Denn die Stimmung im Raum, auch wenn sie nun etwas heruntergekocht war, verkündete leise rufend einen anderen Klang. Jetzt duellierten sie sich nur in hitzigen Debatten oder gingen zum leidenschaftlichen Gelage über um sich Luft zu machen, doch wenn seine Vorahnung ihn nicht trügte würde das bald ganz anders aussehen. Wenn sie nichts daran ändern würden.