Geschichten:Die Katastrophe (Al’Katas Pu’ranuth) - Ein kleiner Funke
Triggerwarnung: Der Text ist fiktional und entspricht nicht unbedingt der Meinung des Autoren.
Burg Firnwacht, Junkertum Firunswald, Baronie Dürsten-Darrenfurt, Mitte Hesinde 1039 BF:
Erhaben thronte die Feste Firnwacht auf einem steilen zu drei Seiten schroff aufsteigenden Bergkegel. Von hier aus konnte man den gesamten Firunswald überblicken. Die Burg war die Wacht des Nordens der Baronie Dürsten-Darrenfurt. Sie war vor gut dreihundert Götterläufen im pragmatisch- nüchternen raulschen Stil von der Familie Firunswald errichtet worden. Doch das Geschlecht der Erbauer war längst erloschen. Seit vier Jahrzehnten herrschte hier die Familie Taunig und zwar mit einem Selbstverständnis, als ob sie hier schon seit Anbeginn der Schöpfung herrschen würden.
Die jetzige Burgherrin über die mittelgroße Wehranlage war Junkerin Ardare von Taunig, die stolz und selbstbewusst über den Firunswald und die angrenzenden Ländereien herrschte. Treu folgten sie und ihre Vorgänger der raulschen Baronsfamilie Darben-Dürsten. Baronin Ruffina hatte stets hohes Ansehen unter den raulschen Junkern genossen. Doch nun war sie tot. Erst hatte ihr Geist Stück für Stück Deres Antlitz verlassen, schließlich folgte dann auch ihr Körper. Möge sie in einem der zwölfgöttlichen Paradiese ihren Frieden gefunden haben. Denn im Diesseits hatte sie Unfrieden hinterlassen, resultierend aus einer ungeklärten Erbfolge. Durchsetzen konnte sich nach einigen Wirren letztendlich Ruffinas Enkel Thorondir. Doch der neue Baron war noch jung und unerfahren, was sich Barnhelm von Darrenfurt und das von Ardare so verabscheute Nebachotenpack zu nutze gemacht hatten. Die Junkerin von Firunswald, die nicht umsonst einen so rondragefälligen Namen trug, sah die Zeit gekommen um zu handeln. So schickte sie Boten zu ihren Verbündeten innerhalb Dürsten-Darrenfurts, aber auch ins benachbarte Gerbenwald und Gnizenkuhl.
So erreichten am 16. Tage des Hesindemondes die Geladenen Burg Firnwacht. Aus direkter Nachbarschaft erschienen Junker Eslam von Borstenfeld, sowie Ritter Almor von Aarenhaupt und der Edle Zordan von Tannhaus, aus Gnitzenkuhl Junkerin Amara von Bleichenwang und aus Gerbenwald Eborian von Meidersee, seines Zeichens Mundschenk am gerbenwalder Hof. In Eborians Begleitung kam ebenfalls die Erbin von Gaulsfurt und Kastellanin von Barbenwehr Samia von Gaulsfurt.
Die Adligen hatten sich erst frisch machen können, bevor sie im kleinen Speisezimmer zu einem leichten Mahl mit gutem Perricumer Roten zusammen fanden. Die Mienen der Anwesenden waren frostig, als ob so eben Golgari höchst persönlich durch den Raum gefegt war. Ardare von Taunig erhob das Wort.
„Wir wissen alle warum wir hier sind. Die Lage ist ernst. Die internen Konflikte dieses Nebachotenpacks gefährdet die Sicherheit und Stabilität der gesamten Markgrafschaft … und das zu diesen Zeiten, wo uns der Kampf gegen den Reichsverräter Haffax bevorsteht.“
„Wir können doch froh sein, dass sich diese Hunde gegenseitig zerfleischen“, warf Zordan von Tannhaus betont gelassen ein.
„Ja, aber gewinnen wir Raulsche dadurch einen Vorteil?“, bläffte Eslam von Borstenfeld ungehalten zurück, „Wo ist denn der Machtgewinn der unsrigen? Wir schauen doch nur untätig zu!“
„In der Tat, Eslam, bisher hat keiner der Unsrigen versucht die Situation zu nutzen und den Einfluss der Nebachoten zurück zu drängen und unseren zu stärken.“, analysierte Almor von Aarenhaupt kühl die Lage.
Eslam haute mit seiner Faust auf den Tisch. „Ja, wo ist Zillingen? Wo ist Sturmfels? Wo ist Weißbarun? Wo ist Wasserburg? Die verstecken sich doch alle in ihren Festungen. Ungeheuerlich ist das!“
„Bis auf die Baronin von Gnitzenkuhl, die nutzt die Gunst der Stunde!“, merkte Samia von Gaulsfurt mit Blick auf Amara von Bleichenwang an. „Der Anschluss von Gaulsfurt an Gnitzenkuhl steht unmittelbar bevor. Daran arbeiten mein Vater und die Baronin im Hintergrund sehr intensiv. Das kann ich versichern.“
„Der Abfall von Gaulsfurt würde Haselhain und seinem Kindbaron den Zugang zum Darpat nehmen und so nachhaltig schwächen“, merkte Almor kurz und präzise an.
„Der Handel am Darpat wäre wieder in Raulscher Hand“, frohlockte Samia.
„Pah, das ist alles noch viel zu wenig. Meine Herrin hätte viel mehr tun können und müssen.“ Amara von Bleichenwang hatte schweigsam und mit versteinerter Miene dem Gespräch zugehört, während das Flackern in ihren Augen immer mehr zunahm. „Rotfurt, Bergstamm, Eisensitz die sind alle noch da. Sie hätte sie all in den Darpat treiben sollen. Aber was sag ich, wir zeigen immer nur auf die anderen. Es ist an UNS zu handeln!“
„Wir haben im Dreibaronieseck an Boden gut gemacht. Einige Häuser dieser räudigen Hunde wurden angezündet und deren Bewohner vertrieben“, brüstete sich Eslam.
„Soweit sind wir schon gesunken, jetzt ergötzen wir uns schon an ein paar abgefackelten Ziegenställen.“ Die Bleichenwang rollte mit den Augen.
„So, was hast du denn vorzuweisen?“, giftete Borstenfeld zurück.
„Wir haben uns in Steinhausen und Seeheim diesem Gezücht entledigt. Natürlich nicht offen und durch meine Ritter, nein. Es sollte so aussehen, als ob die sich gegenseitig angehen. Sie wurden allesamt vertrieben oder totgeschlagen.“ Wieder war dieses Flackern in den Augen der Junkerin von Ochsweid zu erkennen.
„Offen gegen die zu Felde zu ziehen ist keine geeignete Option, auch wenn mir das auch am liebsten wäre.“ Ardare tippte sich mit ihrem Zeigefinger an ihr Kinn. „Dann würden die sie sich wieder zusammenraufen und das kann nicht unser Ziel sein, nein, im Gegenteil, der Zwist zwischen den einzelnen Sippen und Stämmen muss noch verstärkt werden. Wir müssen sie gegeneinander ausspielen, wie es Amara in ihrer, mir so liebgewonnenen Art, so treffsicher formuliert hat.“
„Auch müssen alte Bündnisse erneuert und neue geschlossen werden“, warf der bis dahin eher zurückhaltende Eborian von Meidersee ein, „Mein Bruder mag sich zwar aus allem heraus halten, aber er wird nicht ewig Junker sein … auch sollten wir die Brunden von unserer Sache überzeugen.“
„Den Rabicum ebenso“, ergänzte Samia, "vielleicht auch die Quittenstein? Obwohl, die verträgt sich nicht mit Welferich. Außerdem sind das eh keine echten Raulsche mehr."
„Wir müssen geeint zusammen stehen und unseren Einfluss an den Höfen nutzen. Hier in Dürsten-Darrenfurt müssen wir vor allem den verderbten Einfluss des alten Darrenfurt auf unseren Baron unterbinden. Auch sollten wir dafür arbeiten, dass die Bande zwischen Gnitzenkuhl und Dürsten-Darrenfurt enger werden. Thorondir muss dazu bewegt werden. Und auch hier ist die Schlüsselfigur der Darrenfurt. ER MUSS WEG!“ Ardares Gesichtszüge verfinsterten sich.
„Was ist eigentlich mit diesem Altmark der jetzt neuerdings bei Hofe ein und aus geht? Wie ich aus vertrauter Quelle bei Hofe erfahren habe, hat der gegen Darrenfurt Stellung bezogen.“
„Wieder mal bestens informiert, Tannhaus, wie? Aber das passt uns doch gut in den Kram. Sollen sich doch die Nebachoten gegenseitig aufreiben … mit unserer dezenten Hilfe.“ Nunmehr zauberte sich erstmals ein Lächeln über das sonst so strenge Gesicht der Junkerin.