Geschichten:Die Katastrophe (Al’Katas Pu’ranuth) - Hintergründe
Triggerwarnung: Dieser Text ist fiktional. Er ist emotional-politisch eingefärbt, entspricht aber nicht der Meinung des Autors.
Kaiserlich Gerbenwald, Barbenwehr, Mitte Hesinde 1039 BF
Müde stütze er sich über das alte Schreiben, dass vor ihm lag. Das welches alles ins Rollen gebracht hatte. Es war die erneute und letzte bestimmte Ablehnung eines seiner Gesuche an die Kaiserin und ihren damals noch nicht Gemahl, den Perricumer Markgraf. Gesuche in dem er angeregt hatte ihm und seiner Familie für die treuen Dienste in der Armee und in Gerbenwald eben dieses zum erblichen Lehen zu geben. Doch es war abgelehnt worden, zum wiederholten und letzten Male, wie man ihm darin ausdrücklich mitgeteilt hatte. Den Verfehlungen des (nebachotischen) Barons zuvor wegen war man nicht gewillt Gerbenwald als wichtige Kontrollinstanz innerhalb Perricums wieder frei zu geben. Doch was konnte seine Familie, was konnte er für die Verfehlungen eines Aslam von Schurr? Er war keiner von denen und doch hatte man ihn mit solcherlei Zurückweisungen genau dahin gedrückt. Er war es leid sich abzuarbeiten und der Markgrafschaft bedingungslos zuzuarbeiten, ohne eine Entlohnung.
Ha, die Verfehlungen des Aslam von Schurr. Der war doch nicht der einzige der hier schaltete und waltete wie er es gewollt hatte. Ständig leisteten sich die Tulamiden Verfehlungen, die sich ein Raulscher nie leisten durfte, aber wurde ihnen deswegen die Gunst der Markgrafschaft oder des Reichs versagt? Nein. Und es waren nicht nur sie, auch die die es ihnen ständig durchgehen ließen, die vielen Perricumer die sogar mit Stolz von der alten Kultur, der Geschichte der Lande und den Sonderprivilegien der Nebachoten redeten und dabei nichtmal sahen wie oft diese sie sogar noch dehnten. Wie oft hatte er das selber miterlebt. Vorallem im Heer und im Reshminianer-Orden, undiszipliniert waren sie in besonderem Maße. Natürlich scherrten nicht nur sie aus der Reihe, aber sie ganz besonders. Frech waren sie, immer ihre Grenzen austestend, in offenen Wettstreit tretend. So waren sie es gewohnt, so waren sie.
Er war nicht so. Er war nicht wie sein Vater, auch wenn dieser und er selber es gerne so gesehen hätten. Und lange hatte er es versucht, hatte sich stets Mühe gegeben, hatte sich für die Vermittlung eingesetzt zwischen Alt-Perricumern, Nebachoten und zuletzt auch den ehemaligen Darpatiern. Hatte sogar desöfteren ein Wort für die Nebachoten eingelegt, wo es ihm eigentlich zu weit ging, auch er war so ein Versteher, zumindest oberflächlich. Doch immer öfter hatten ihm diese undankbaren Nebachoten kleine Nadelstiche versetzt. Auch hier in Gerbenwald hatte ihn der ehemalige Baronssohn Brinian immer wieder in elendige Diskussionen um dies und jenes verwickelt, nur um einen noch so kleinen Vorteil für sich rauszuholen, als hätte ihm das Vergnügen bereitet. Dabei sollte der Sohn eines Verräters froh darüber sein, dass er überhaupt noch solche Privilegien besaß, noch so ein Zugeständnis.
Und was besaß seine Familie? Eine lächerliche Herrschaft und wie man immer wieder betonte die Ehre für die Kaiserin eine wichtige Stellung in Perricum einzunehmen, ha, aber viel Unterstützung hatte er dafür nie gesehen. Allein als dieses Gesteinsmonster sein Unwesen hier getrieben hatte und eine wichtige Festung beschädigte, musste er um Unterstützung beim Aufbau betteln und bekam nur ein lächerliches Formalschreiben und eine viel zu geringe finanzielle Hilfe. Während die Kaiserin die Finder eines alten, zerbeuelten Helms eines Nebachotischen Heiligen, zur selben Zeit auf SEINEM Grund, noch lobende Worte fand, wahrscheinlich angestachelt durch den Markgrafen, der eine Vorliebe für soetwas hatte.
Und das war nur eine von vielen solcher schmachhaften Situationen, die ihn zu einem Umdenken gebracht hatten und da war er schon längst soweit gewesen. Sie alle hatten ihn dazu gebracht, sein Vater würde sich für ihn schämen, doch er war nicht sein Vater, sein Vater war immer zu gutmütig gewesen und hatte treudumm gedient. Trotzdem hatte er ihn geliebt, diesen Träumer, doch er hatte immer mehr Güte und Verständnis für andere als für ihn gehabt. Und vorallem für diese Tulamiden. Ihnen allen hatte er es jetzt gezeigt. Wie einfach war es diese berechenbaren Gauner zu manipulieren. Zugegeben die Tode Simolds und Ra’ouls, vielleicht auch die einzig Vernünftigen unter ihnen, hatten ihm in die Hände gespielt, da er es "nur" noch mit Eslam zu tun hatte, der aber ein Feldherr war und allein noch die Kontrolle über die Unstimmigkeiten innerhalb der Nebachoten bewahrt hatte, aber allein, ohne Simold und Ra’oul konnte das nicht gut gehen. Das hatte er gewusst. Und da er die Nebachoten jahrzehnte lang hatte studieren müssen, wusste er um die zerbrechliche Einheit, die nur durch charismatische Anführer zusammengehalten und gefügt werden konnte. Und wer weiss vllt hätten Simold, Eslam, Ra’oul und der Al’Haresh auch eine dauerhafte Einheit schmieden können, aber dies war ihnen nicht vergönnt und wer weiss vielleicht wäre diese auch Gefährlich für Perricum gewesen. Mit Sicherheit.
Wie dem auch war. Sein Plan, auf den er nach dem Gespräch mit einem anderen Wehrheimer Stab gekommen war, hatte den Marschall schnell überzeugt und er hatte ihm darin weitgehend freie Hand gelassen und ihn durch Kontakte unterstützt. Im Namen dessen hatte er Boten zu Eslam senden lassen. Er hatte gewusst, dass Eslam ablehnen würde, wie konnte es auch anders sein und selbst wenn nicht hätte der Marschall die kriegslüsternen Nebachoten als Frontschweine in die Schlacht schicken können. Doch Eslam hatte sehr deutlich gezeigt was er von dem Angebot gehalten hatte. Das hatte er so erwartet, was danach gefolgt war überflügelte sogar noch seine Erwartungen. Wie ein tollwütiger Hund war Eslam aufgesprungen, hatte diese minderen Verbündeten gefunden, die man ihm teilweise sogar zugespielt hatte und sie ohne größere Verhandlungen hingerichtet. Er hatte eine riesen Schau daraus gemacht, sein Maul in nebachotischer Manier weit aufgerissen und dabei in den eigenen Reihen und der Markgrafschaft nur wieder seinen Ruf als unglaubwürdigen Schlächter gefestigt. Die Nebachoten hatten ihn dafür freilich geliebt und auch seine Speichellecker. Aber wer so ein Aufsehen um sich macht, musste alsbald fallen und die Sache mit der Kleinen, die seine Mörderin werden sollte, war auch zu einfach gewesen, da war der große Krieger Eslam zu berechenbar, wo man ihn auf dem Feld nicht besiegen konnte - da wäre er wahrlich ein großes Hindernis gewesen, seine Nebachoten wären geschlossen hier gewesen. Doch so ohne den letzten ihrer Helden zerfleichten sich diese Hitzköpfe wie ein Rudel hungiger Wölfe in einem Gehege.
Und dazu hatte er kaum noch etwas zu tun müssen, nur ein paar Spitzen hier und dort, ein paar Informationen an die eine Partei durchsickern und die nächste davon Wind bekommen lassen. Auch der bereits bestehende Kontakt des Marschalls Agenten zu Hamar tat sein Übriges. Der hatte jetzt im Süden zusammen mit dem ehemaligen Bluthund Eslams gewütet. Welch Ironie, dass er den Sohn seines Vorgängers in Gerbenwald mit dazu nutzte hier den Boden zu bereiten, der Sohn des Mannes wegen dessen Verfehllungen ihm und seiner Familie die zustehende Ehrung verweigert wurde. Das würde sich bald ändern, die Nebachoten verloren ihre Einheit. Ein weiterer wichtiger Eckpunkt für die Wegbereitung des Marschalls. Bendan schluckte, nun war er selbst einer von ihnen, ein Aslam von Schurr, doch hatte man ihn dazu gedrängt, durch Ignoranz und Blindheit für Rechtschaffenheit. Und selbst wenn er jetzt zurück wollte, es war zu spät, die Kaiserin würde bald gehen, der Marschall würde bald kommen und mit ihm eine neue Glanzzeit für ihn und der Untergang Perricums und dieser unsäglichen Bande.