Geschichten:Die Pforte aufgestoßen - Der Plan des Hirschs
Burg Trollhammer, Baronie Hirschfurten, 10. Peraine 1046 BF
Salix nahm den Pokal entgegen und setzte sich seinem Gastgeber gegenüber, nachdem sich beide zugeprostet hatten, ergriff er das Wort. „Ich hatte einige aufschlussreiche Tage in der Stadt Rallerspfort verbracht. Es stellt sich heraus, dass im Umfeld des dortigen Barons Leute in Schlüsselpositionen dazu neigen zu… verschwinden oder direkt zu sterben“. Der Perricumer lächelte seinem Gegenüber vielsagend entgegen.
„Die Geschichte mit dem Ritter zu Radulfsfelden ist hierbei nur eines der neueren Beispiele. Offiziell von waldsteinern Marodeuren überfallen und verschleppt, gab es bis wohl heute keine Lösegeldforderung an die Familie“. Er nippte etwas an dem vorzüglichen Wein, fuhr dann jedoch fort.
„Eines der älteren Beispiele wäre eine Frau Namens Argande von Hohenfels. Die damalige Lanzenführerin der Zweifelfelser Grenzwächter, welche vom verstorbenen Baron Debrek von Zweifelfels entsandt wurden, um die Familie Raulbrins zu beschützen. Sie starb in der Zeit, als Haldans Wirken in der Baronie begann. Um genauer zu sein, einen Mond nachdem dieser zum Edlen ernannt wurde“. Er ließ Nimmgalf einen Moment Zeit, damit die Worte sacken konnten. „Ihr Tod war ein gewaltsamer, der nie aufgedeckt wurde“.
Nimmgalf hatte gezeigt, dass er von dem Emporkömmling Haldan genauso wenig hielt, wie von gewissen Leuten am Reichsforster Grafenhof. Doch zu dieser Verbindung hatte Salix in der kurzen Zeit nichts finden können. Dafür hatte er jedoch eine andere Karte, die er nun ausspielen würde. Ganz sicher war er sich zwar noch nicht, dass er dies letztlich auf Haldan zurückführen konnte, doch im Zweifel würde Salix wissen, wie er damit umzugehen hatte.
„Ein weiterer tragischer Tod ist der des Nardes von Zerbelhufen, dem Erben des einstigen Junkers zu Zerbelhufen. Seine Entführung ließ damals 1037 die Gemüter in der Baronie hochkochen und es kam beinahe zur offenen Auseinandersetzung“. Der Perricumer machte eine kurze Pause. „Jedenfalls wurde Raulbrin von Rallerspfort vorgeworfen in diesen Zwischenfall, an dessen Ende der Spross des Junkers starb, verwickelt worden zu sein. Eine Untersuchung wurde eingerichtet, die allerdings nie zu einem Ergebnis kam und deren Ermittlungen sich irgendwann verliefen. Spätestens mit Raulbrins Tod und Haldans Ernennung dürfte sie zu den Akten gelegt worden sein.“
„Sehr interessant, was Ihr da bislang schon herausfinden konntet. Das sieht schon insgesamt sehr danach aus, dass der Neubaron ziemlich viel Dreck am Stecken hat. Allerdings wird das für eine Anklage vor dem Reichsgericht bei weitem noch nicht ausreichen. Konntet Ihr denn noch mehr erfahren?“
„Nun, ich konnte herausfinden, dass zur damaligen Zeit hinter vorgehaltenen Händen eine Gruppe von Tobriern mit dem Tod von Nardes und dem damaligen Sprecher der Zünfte sowie dem Brand in dessen Lagerhaus in Verbindung gebracht wurde. Noch konnte ich nicht tiefer bohren, doch es gibt keine Hinweise darauf, dass sich Raulbrin mit einer Gruppe Tobrier eingelassen hatte…“. Den Rest des Gedankens würde er Nimmgalf sich selbst zusammenreimen lassen.
„Raulbrin hätte sich niemals mit irgendwelchen Totschlägern eingelassen, dazu war zu edelmütig. Nein, es sieht ganz danach aus, dass ihm das jemand in die Schuhe schieben wollte. Vielleicht um einen Grund zu fingieren, um Raulbrin absetzen zu können, wer weiß?“
Salix stimmte ihm zu, das läge durchaus im Bereich des Möglichen.
Nimmgalf überlegte: „Wie es der Zufall so will wurde meine Gemahlin vor kurzem mit einem zentralen Junkersgut in der Baronie Rallerspfort belehnt. Da dieses keinen eigenen Sitz hat, kommt sie für gewöhnlich auf Burg Rotkrähenborn unter, wo sie ein Quartier im Gästebereich bewohnt. Da ich ihr voll vertraue würde ich sie bitten – Euer Einverständnis mal vorausgesetzt – bei ihrem nächsten Besuch auf der Burg mal die Augen und Ohren offen zu halten. Vielleicht fällt ihr ja noch die ein oder andere Ungereimtheit auf. Was sagt Ihr dazu?“
Der Perricumer schürzte die Lippen und ließ sich die Worte durch den Kopf gehen. Schließlich nickte er langsam und bedächtig, „ein Versuch wäre es wohl wert. Ich weiß nicht wie unbemerkt sich Eure Gattin durch die Burg bewegen kann, doch ich möchte anmerken, dass wir es mit einer verschlagenen Kreatur zu tun haben. Wer weiß wozu dieser Emporkömmling bereit ist?“
Nimmgalf zuckte mit den Schultern: „Naja, Ederlinde ist auch nicht gerade auf den Kopf gefallen. Ich würde ihr durchaus zutrauen, da mit aller gebotenen Umsicht vorzugehen. Und sollte sie doch erwischt werden, ist sie immerhin die Schwester des Grafen von Reichsforst und vor allem MEINE Frau. Der Kerl wird es nicht wagen, ihr irgendwas anzutun“, entgegnete Nimmgalf selbstsicher.
Salix setzte einen besorgten Gesichtsausdruck auf, „es wäre von unschätzbaren Wert, wenn wir jemanden dort haben. Doch sollte Eure Gattin achtgeben, sie ist dort auf sich gestellt… Noch…“. Dann schenkte er dem Baron zu Hirschfurten ein beinahe entschuldigendes Lächeln. Derzeit würde Haldan sie nicht auf dem Schirm haben, doch sobald sich dies ändern würde, würde eine herumschleichende Ederlinde sicherlich Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Sie mussten in jedem Fall vorsichtig sein.