Geschichten:Die Pforte aufgestoßen - Gesucht, männlicher Tobrier, moralisch flexibel
Stadt Rallerspfort, Baronie Rallerspfort, Anfang Efferd 1047 BF
Dicke Wolken verdeckten den Himmel und verbargen das Praiosmal, Regen drückte seit Tagen auf den Deregrund sowie die Stimmung der Bewohner Rallerpforts. Die Wege waren schlammig und der Boden vollgesogen. Wo man auch hinging der Matsch war nicht weit und der Saum der Mäntel als auch Umhänge war von ihm bedeckt, genauso wie die Sohlen der Stiefel. Doch das Zimmer im ‘‘Winterkönig‘‘ war angenehm warm und trocken.
Salix von Hardenstatt saß an dem schmalen Tisch nahe des Fensters und blickte auf den Markt unter sich. Sein Blick verharrte auf dem Praios-Tempel, der ihn zum Grübeln brachte. Der Praiot dessen Predigt einst Stimmung gegen Raulbrin gemacht hatte war verstorben. Ob man das irgendwie ausnutzen konnte? Vielleicht mit den neugewonnenen Kontakten zur waldsteiner Praios-Kirche? Ein Klopfen an der Tür riss ihn aus den Gedanken.
Lingmar öffnete sie und bat die Personen herein. Es war der Mann mit dem Kaiser-Alrik-Bart, Vrak Mauerbrecher sein Name – wenn sich Salix nicht irrte. Ihm folgte eine Frau mit dünnen, glatten, schwarzen Haaren, in das Zimmer. Der Adlige hatte sie als Farnlieb Eichholz kennengelernt. Beide blieben im Eingangsbereich stehen und verbeugten sich, als Salix sie fragend anblickte.
Farnlieb Eichholz kam ursprünglich aus Andergast, zumindest war dies die Antwort die sie zu geben pflegte sollte man sie auf ihre Herkunft ansprechen. Unzweifelhaft kampferprobt, war sie jedoch mehr eine Spezialistin für ‘‘Befragungen‘‘. Angeblich hatte sie als Helfershelferin der KGIA einst ihr Handwerk erlernt. Eine überaus nützliche Frau, wie Salix befand. Ganz allgemein war er sehr zufrieden mit den Fähigkeiten seiner neusten Angestellten. Nicht so plump und einfach wie die üblichen Helfer.
„Unser Kontakt hat Neuigkeiten für Euch, hoher Herr. Er möchte sich in zwei Stundengläsern mit Euch treffen. Espejo ist bereits vorgegangen und kundschaftet die Lage aus“. Vraks Stimme war rau und bestimmt. Er war ein Tobrier der während der Invasion seine Heimat nicht verlassen hatte sondern in den Untergrund gegangen war, um dort gegen die Epigone des Sphärenschänders zu kämpfen. Ein kampferprobter Mann, der es verstand mit wenig Mitteln größtmöglichen Schaden anzurichten. Was ihn dazu bewogen hatte ins Königreich zu kommen entzog sich Salix‘ Verständnis. Vielleicht würde er es eines Tages herausfinden, vielleicht auch nicht, es war aktuell jedenfalls nicht von Interesse.
Der Adlige nickte knapp, „gut! Dann geht in den Schankraum und wärmt euch auf, in einer Stunde brechen wir auf“. Die beiden Angesprochenen verbeugten sich abermals und gingen aus dem Zimmer. Lingmar wandte sich an Salix und blickte ihn fragend an. „Du nutzt die Zeit und stattest dem Praios-Tempel einen Besuch ab, hör dich um, du weißt worauf du achten musst“.
Salix setzte sich in den Sessel, der nahe des Kamins stand und nahm einen Schluck aus dem Glas. Vrak stand etwas abseits, er war als einziger neben Lingmar mit ins Zimmer gekommen. Farnlieb kümmerte sich um die die Pferde, während Espejo im Schankraum sich mit dem Eintopf stärkte. Ein Räuspern lenkte des Adligen Aufmerksamkeit auf den Mann aus Tobrien. „Mein Herr? Wie sollen wir weiterverfahren?“
Der Angesprochene kratzte sich nachdenklich am Kinn. Das Treffen mit ihrem Kontakt in der rallerspforter Stadtwache war überaus aufschlussreich gewesen. Er hatte ihnen eine Handvoll Namen genannt, die womöglich damals ihre Finger bei der Entführung und dem anschließenden Tod des Nardes von Zerbelhufen im Spiel hatte. Allesamt Tobrier, von den meisten wusste ihr Kontakt, dass sie nicht mehr hier waren – auf die eine oder andere Art.
„Espejo soll nach der einen Hälfte, Lingmar nach der anderen Hälfte suchen. Zumindest nach denen, von denen wir wissen, dass sie noch hier sind. Wir müssen diese Leute finden! Sie sind unsere einzige Möglichkeit zu erfahren was damals wirklich von Statten ging.“, stellte der Perricumer knapp fest.
Vrak nickte und verbeugte sich, eher er zügigen Schritts hinausging. Währenddessen trat Lingmar an Salix heran. „Sollten wir nicht auch langsam Kontakt in den Niederadel pflegen? Immerhin müssen wir diesen irgendwann sowieso für die Sache gewinnen, oder nicht?“.
Der Adlige schürzte die Lippen. „Ein guter Gedanke, allerdings dürfen wir nicht zu forsch auftreten, um nicht die Aufmerksamkeit des Barons auf uns zu ziehen. Einen Umstand den ich solange wie möglich hinauszögern möchte“. Er richtete sich in dem Sessel auf und blickte seinen Schüler an. „Wir müssen davon ausgehen, dass wir es bei Haldan mit einem sehr gerissenen und verschlagenen Gegenspieler zu tun haben. Ein falscher Schritt könnte uns den Vorteil kosten oder noch schlimmeres…“.