Geschichten:Die Schlacht auf Darpats Wogen – Koscher Tränen
verzeih, dass die letzten Monde es nicht erlaubt haben, Dir, der Du mit Sicherheit voller Sorgen um mein Leben und Sicherheit auf Nachricht aus meiner neuen Heimat wartest, zu schreiben. Aber der Wille der Zwölfe ist es, mir eine unerwartete Prüfung aufzuerlegen, der ich mich würdig zu erweisen habe.
Wie ein ferner Traum erscheint es mir, dass vor etwas mehr als einem Götterlauf Du mich am schönen Angbarer See meinem neuen Gatten übergabst. Wie feierlich alles damals war, so wundervoll und schön! Ich erinnere mich noch wie gestern an die herrliche Feier auf Grauensee. Und doch erscheint es mir wie die Erinnerung eines anderen Menschen – eines glücklichen Menschen ohne Sorge um die Zukunft.
Lass Dir, mein Herzbruder, meinen ergebensten und tiefsten Dank aussprechen für das Banner Hügelländer Ritter, die auf Deinen weitsichtigen und klugen Befehl gekommen sind. Ihre Dienste sind mir mehr wert als Gold, denn die Gunst mich mit Hauptfrau Firuna über das ruhige und überschaubare Leben meiner Kindheit zu unterhalten, hat mir manche verzweifelte Nacht gerettet, als ich alle Hoffnung und mich selbst für verloren hielt.
Die Grafschaft Hartsteen ist in völliger Auflösung begriffen. Von allen Himmelsrichtungen werden wir von Feinden angegriffen, die wir bis vor wenigen Monden noch für gute Nachbarn oder Freunde hielten. Es scheint manchmal, als sei der Sinn der Garetier vernebelt durch eine dunkle Macht, als ob eine leise Stimme in ihnen sie zum steten Kampf aufrufe, um ihre Ehre zu retten oder um Gewinn aus der Unruhe zu ziehen. Noch immer bin ich in meiner tiefsten Seele erschüttert über den hinterhältigen und den Bruch des Turnierfriedens der Reichsforster Ritter auf dem Erlgardsfeld. Aber bei dem schäbigen und feigen gemeinsamen Angriff der Schlunder und Kaisermärker Familien auf die unvorbereiteten Hartsteener Ritter schreit alles in mir auf. Ich weine der unschuldigen Niope nach, die in ihrer mädchenhaften Koscher Unschuld sich niemals solche Niedertracht hat vorstellen können und das Böse stets als dämonische Kraft, hervorbeschworen von dämonischen Erzschurken gedacht hat.
Die neue Niope muss anerkennen, dass der Griff der Dämonen nach den Seelen der Menschen schon im Wunsch liegt, dem Hass im Herzen über eine Verletzung der Ehre freien Lauf zu lassen oder in der Gunst der Stunde nach leichter Beute zu greifen, wenn sich niemand wehren kann. Könnte dergleichen im Kosch geschehen, darüber habe ich mich lange mit Hauptfrau Firuna unterhalten. Die alte Niope war der Meinung, dergleichen sei unmöglich, es sei denn die aufrechten und göttergefälligen Edlen meiner Heimat würden durch dunkle Mächte versucht. Hauptfrau Firuna meint, solange es den Koschern gut ginge und sie wohlgenährt und keine Sorgen hätten, bräuchte man keine Furcht zu haben. Aber die neue Niope weiss, dass es nicht viel braucht, um den Firniss der Kultur, der Götterfurcht und des Anstands zerreissen zu lassen, so dass die Hunde des Krieges auch die ruhigen Hügellande verheeren. Mein geliebter Bruder, ich habe, glaube mir, viele Nächte geweint bei diesem schrecklichen Gedanken.
Gibt es Hoffnung für mich in dieser Fehde? Wird meine neue Familie, der ich mich in diesem Kampf mit Leib und Seele opfere, diese schlimme Krise überstehen? Ich denke – ja.
Die Wochen der reinen Abwehr sind vorbei, der Schock über die überraschenden Angriffe überstanden. Während ich Dir schreibe sammelt mein treuer Gatte und der tapfere Graf von Hartsteen seine Getreuen nördlich des Feidewaldes. Er war, anders als ich, nicht einen Tag, ja, nicht eine Stunde im Zweifel. Ärger, Wut, Zorn, Enttäuschung – das waren in unseren wenigen gemeinsamen Stunden seine Gefühle. Aber voller Kraft und Überzeugung hat er die Aufgabe angenommen, seine Grafschaft und seine Familie aus dieser finsteren Stunde herauszuführen.
Und so ist auch die jüngste Niederlage auf dem Darpat des Hartsteener Heermeisters Hagen von Schwingenfels, so bitter sie auch für alle aufrechten Hartsteener sein mag, für mich doch das klare Zeichen des Umschlag des Schicksals. So wie der Wind im Phex sich in den Hügellande dreht und die Wärme Almadas und der Khôm in das Land meiner Kindheit bringt, so fühle ich, dass diese Niederlage der Anfang eines großen Sieges sein wird. Die Opfer, die Toten und Versehrten auf Darpats Wogen, werden nicht vergebens sein. Und eines Tages wird man sich ihrer als der großen Helden erinnern, die sie waren. Und ihre Kinder und Kindeskinder werden stolz auf ihre Namen sein.
Noch eine Nachricht habe für Dich, mein geliebter Bruder, und sie ist das eigentliche Zeichen für mich, dass die Hoffnung nicht verloren ist. Du bist die erste menschliche Seele, der ich mein Geheimnis offenbare, das bisher nicht einmal mein treuer und tapferer Gatte erahnt.
Neues Leben wächst in mir heran, ich fühle den Segen der Herrin Tsa in mir, jeden Tag ein wenig deutlicher und stärker. Und weil ich weiß, dass die große Fehde mit dem Tod eines unschuldigen Ungeboren begonnen hat, so ist meine Sorge, dass die Feinde meiner Familie umso stärker danach trachten werden, Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Es ist daher mein Plan, mein ungeborenes Kind so schnell wie möglich in Sicherheit zu bringen – und ich kenne derzeit keinen geschützteren Platz als Deinen Schutz.
Im Schutz des rasenden Banners werde ich bei Wintereinbruch den gefährlichen Weg durch die Ländereien meiner Feinde nehmen und lege mein Schicksal völlig in die Hand der Götter. Du wirst mich in wenigen Tagen, nachdem Du diese Nachricht erhalten haben wirst, entweder mit Tränen in den Augen in Deine brüderliche Arme schließen – oder das Schicksal Deiner Schwester mit ihnen betrauern.
Die Zwölfe seien mit Dir. Sie mögen Dich segnen und mir die Kraft geben, mich in dieser vor mir liegenden Prüfung zu bewähren. Auch wenn ich heute zittere vor Furcht über das Schicksal, das mich erwartet – die neue Niope wird Dir zur Ehre gereichen und mit Stolz erfüllen.
Dein Dich liebende Schwester
Niope
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