Geschichten:Die caldaische Fabel über Bock und Ratte

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Irgendwo in Caldaia

In einem der sanften Täler Caldaias, wo Apfelbäume in den leichten Winden schaukelten und die sanften Hänge sich mit Weinreben schmückten, lebte ein stolzer Schafbock. Seine mächtige Gestalt und die beeindruckenden, gedrehten Hörner machten ihn zum unbestrittenen Herrscher seines Hofes. Jeden Morgen stand er auf dem höchsten Hügel und blökte laut in den Sonnenaufgang, als wolle er der ganzen Welt verkünden, dass er der Herr seines Landes sei.

Die Herde, treu ergeben, folgte ihm, wohin er ging, denn er schien stark und weise, und sein Selbstvertrauen gab ihnen Sicherheit. Doch im Schatten des großen Scheunentores, verborgen vor den neugierigen Blicken, lauerten glitzernde Augen – ein kleines Geschöpf, kaum größer als ein Knäuel Heu, aber dessen Blick scharf und listig war. Es beobachtete den Anführer mit einem freudigen Grinsen und wusste, dass seine Eitelkeit ihn blind machte für das, was in der Dunkelheit lauerte.

Eines Abends, als die Schatten lang wurden und die Sonne hinter den Hügeln versank, glitt ein prächtiger, weißer Vogel sanft zum Hof hinab und ließ sich auf einem Ast des großen Apfelbaums neben dem der Bock graste nieder. Mit ruhiger Stimme sprach er zum Schafbock: „Sei wachsam, Hüter der Herde. Nicht alles, was glänzt, ist dein Freund, und in der Dunkelheit regt sich eine Gefahr, die du nicht siehst.“ Der Bock lachte nur, seine stolze Brust geschwellt. „Wer könnte mir etwas anhaben? Ich bin der Stärkste hier auf dem Hof, und niemand kann mich täuschen!“

Doch die Ratte, die sich leise im Stroh verbarg, hörte jedes Wort. Ein Plan formte sich in ihrem hinterhältig listigen Verstand, und sie beschloss, den stolzen Hüter der Herde in eine Falle zu locken, die seine eigene Arroganz ihm bereiten würde.

Am nächsten Tag schlich die Ratte aus ihrem Versteck im Stroh hervor. Mit leisen Schritten näherte sie sich dem Schafbock, der stolz über die Wiese stolzierte und seine Herde im Auge behielt. „Oh, weiser Herr der Herde“, flüsterte die Ratte, „deine Stärke ist unübertroffen, und deine Hörner glänzen im Morgenlicht wie goldene Kronen.“ Der Schafbock, geschmeichelt von den Worten, stellte sich noch gerader hin und betrachtete seine Hörner mit einem zufriedenen Lächeln.

„Aber warum begnügst du dich damit, nur hier auf diesem Hof zu herrschen?“, fragte die Ratte weiter. „Es gibt Weiden jenseits des Waldes, voller saftiger Gräser und unberührter Felder. Dort könntest du wahrhaft zeigen, dass du der Herr der Lande bist!“ Der Schafbock runzelte kurz die Stirn, doch die Worte der Ratte klangen verlockend. Schließlich hob er das Haupt und antwortete: „Ich werde es mir überlegen.“

Tag für Tag kam die Ratte wieder, flüsterte Worte von Ruhm und Macht in das Ohr des Schafbocks, während der prächtige, weiße Vogel aus der Ferne zusah. „Wage es nicht“, warnte der Vogel eines Abends erneut. „Verlass dich nicht auf die falschen Versprechungen eines Wesens, das aus der Dunkelheit kommt.“ Doch der Schafbock schlug die Warnungen in den Wind. Seine Eitelkeit hatte bereits Wurzeln geschlagen, und er war fest entschlossen, sich den neuen Weiden zu nähern.

Eines Morgens, als der Nebel noch schwer auf den Feldern lag und die Praiosscheibe noch nicht genug Kraft hatte, den Nebel zu vertreiben, führte der Schafbock seine Herde aus dem Schutz des Hofes. Mit entschlossenen Schritten marschierte er durch den dunklen Wald, angeführt von der Ratte, die ihm versicherte, dass sie den Weg kenne. „Folge mir“, flüsterte die Ratte, „und du wirst sehen, wie die anderen Tiere dich bewundern, wenn du der Erste bist, der diese Weiden entdeckt.“

Doch als sie den Wald durchquerten und die „neue Weide“ erreichten, bemerkte der Bock, dass etwas nicht stimmte. Das Gras war nicht saftig, sondern welk und trocken, Blutbuchen umrandeten die Lichtung, und die Luft war seltsam still. Plötzlich tauchten aus den Schatten hungrige, rote Augen auf – achtbeinige Tiere mit großen, haarigen Beinen, Spinnen, aber viel größer, als der Bock jemals gesehen hatte. Sie lauerten in der Dunkelheit und warteten nur auf ihre Gelegenheit, die jetzt gekommen schien.

Die Ratte hüpfte hastig auf einen Felsen und grinste triumphierend. „Du Narr“, zischte sie, „dein Stolz hat dich in den Abgrund geführt. Jetzt wird deine Herde für deine Torheit bezahlen.“ Der Schafbock, panisch und voller Reue, versuchte, seine Herde zu beschützen, doch es war zu spät – die blutrünstigen Spinnen kamen näher, und die Ratte verschwand in den Schatten einer Blutbuche.

In diesem Moment erschien der weiße Vogel, und seine Stimme hallte über die dunkle Weide. „Zu mir!“, rief er mit ruhiger, aber entschlossener Stimme. Die Gänse vom Hof stürmten herbei und schufen eine lebende Barrikade um die Herde. Sie flatterten und schnatterten unentwegt und irritierten die Spinnen, die nun innehielten und sich verwirrt gegenseitig ansahen.

Eine der Spinnen wandte sich der Ratte zu und fauchte: „War es das, was du uns versprochen hast? Wir sollten den treuen Bock haben und nicht den ganzen Hofstand – dafür haben wir unsere Netze gesponnen, um dich vor dieser Eule zu schützen.“ Die Ratte wich ausweichend tiefer ins Unterholz zurück.

Mit einem Schrei, so rein wie der Winterwind, stieß der weiße Vogel aus der Höhe hernieder, schnappte sich die Ratte, die im Dunkeln hockte, und schleuderte sie weit fort. Die großen Spinnen, eben noch zum Angriff bereit und nun weit in der Unterzahl, suchten missmutig, dass sie verraten worden waren, alsdann das Weite und verschwanden ebenso unerkannt, wie sie aufgetaucht waren. Schnell kehrte die Herde, flankiert von den Gänsen, zum großen Hof zurück.

Müde und gedemütigt, stand der Schafbock dann vor den anderen Tieren. Der weiße Vogel blickte strafend auf den Bock, doch es sprach eine Gans mit einer sanften, aber bestimmten Stimme: „Du hast deine Herde in Gefahr gebracht, weil du mehr wolltest, als dir zustand. Deine Eitelkeit hat dich blind gemacht für die wahren Gefahren.“ Der Bock senkte beschämt den Kopf. „Ich habe die Gemeinschaft verraten“, sagte er leise, „aber ohne sie wäre ich verloren gewesen.“

Die Tiere des Hofes akzeptierten seine Reue, und der Schafbock schwor, nie wieder auf falsche Versprechungen hereinzufallen. Die Ratte aber blieb in der Dunkelheit verborgen, immer bereit, erneut zuzuschlagen, wenn Stolz und Gier im Herzen eines neuen Opfers keimen würden.[1]

Inspiriert durch:


unbekannt
Die caldaische Fabel über Bock und Ratte


Kapitel 1

Ein Gespräch zweier Bauern
Autor: Firnske