Geschichten:Die mit Giganten ringen - Versöhnung

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Dramatis Personae


Baronie Sturmfels, 16.Phex 1033 BF

Allmählich kam sie sich schon reichlich dumm vor. Ihr Groll war inzwischen längst verflogen, und sie überlegte gerade zum zigsten Male hin und her wie sie gegenüber Unswin den Anfang machen konnte, als er plötzlich in ihr Sichtfeld kam. Scheinbar führten ihn seine Schritte geradewegs zu ihr. Ihr Herz begann zu poltern. Sie stählte sich innerlich, war sie sich doch zu deutlich bewusst, wie kalt sie ihm gegenüber gewesen war, doch die Dinge, die er ihr durch seine Zurechtweisung indirekt unterstellt hatte, waren zu ungeheuerlich, als das sie das hätte unkommentiert lassen können. Sie wollte sich nicht entschuldigen, dafür hatte sie keinen Grund, aber einen Anfang machen, das würde sie versuchen. Sie schluckte ihren Stolz hinunter, was sie zuletzt bei der zurück genommenen Forderung gegenüber Marnion getan hatte, und machte einen halben Schritt auf ihn zu.

Sie versuchte ihr Gesicht halbwegs freundlich aussehen zu lassen, als er jetzt vor ihr zum stehen kam. Der Zornesritter hielt ein sehr offiziell aussehendes Büttenpapier in Händen. Fragend schaute sie ihn an.

„Habt ihr eine neue Order erhalten, oder was ist es was dich zu mir führt?“ ‚Verdammt!’ dachte sie sogleich, so hatte sie das nicht sagen wollen. Wie hatte sich DAS denn angehört...? Die Stimme kühl und beherrscht, fast wie Geshla fiel ihr mit Schrecken auf. Das konnte sie besser.

Sie nahm seine freie Linke, umgriff sie, schloß die Augen, sammelte sich, um dann erneut anzufangen.

„Hallo Unswin, schön dich zu sehen, wollen wir ein paar Schritte gehen?“ Das Lächeln in ihrem Gesicht war ehrlich, wenn sie auch ein wenig angespannt wirkte. Ihre Wangen hatten bei den letzten Bemühungen eine gesunde Farbe bekommen, und sie wirkte, als ob sie sich nicht ganz wohl in ihrer Haut fühlte.

Im ersten Moment fühlte er sich ihrem frostigen Empfang vor den Kopf gestoßen, doch noch ehe er sich überlegen konnte ob er auf den Hacken kehrt machen sollte, hatte sie bereits seine Hand ergriffen. Ein wenig steif wartete er ab und erst als er sah wie sehr sie sich bemühte das Gespräch in ruhigere Bahnen zu lenken, entspannte er sich langsam wieder. Unbeholfen hob er ihre Hand an seine Lippen und küsste ihren Handrücken, ganz so als wären sie sich nie zuvor nahe gewesen. Sie spürte wie groß die Verunsicherung war und es kam ihr so vor, als wäre er nach ihrem Streit innerlich wieder zu dem schüchternen Novizen geworden als den sie ihn kennengelernt hatte.

„Hallo Leomara,... ich würde mich sehr freuen wenn wir... nun, lass uns gehen.“ Das Lächeln auf seinen Lippen war ebenso ehrlich wei das ihre, doch es zeigte noch immer eine ganze Spur Unsicherheit. Unswin schlug einen Weg ein, der sie auf die Rückseite der Koppel führen würde, dorthin wo die Knappin seines Vetters ihn am Morgen gefunden hatte. Noch bevor sie sich mehr als ein paar Schritte vom Fleck bewegt hatten, sprudelten die Worte aus dem Ordensritter heraus. „Leomara, ich... es tut mir so unendlich leid. Ich weiß, dass du niemals etwas tun würdest, das wider die Götter wäre. Ich weiß, dass du niemals wissentlich etwas Unrechtes tun wirst. Ich weiß, dass meine Äußerungen deswegen wirklich dumm waren. Aber ich hatte Angst. Angst davor, dass du vielleicht ungewollt jene Fehler begehst, die ich getan habe und die mich fast zerstört haben. Ich wollte dir niemals etwas vorwerfen und ich muss mich gestern wirklich schrecklich belehrend angehört haben.“ Mit hochgezogenen Augenbrauen ließ sie diesen Redestrom über sich ergehen, verwundert, über diesen plötzlichen Sinneswandel des Ordensritters.

Er hatte gesprochen ohne sie anzusehen, doch jetzt heftete er seinen flehentlichen und hoffnungsvollen Blick auf ihr Gesicht. „Ich werde immer zu dir stehen, im Guten wie im Bösen und bei dir sein, wann immer ich meine Schritte zu dir lenken kann. Ich will nicht, dass dieser Schatten auf dem Schönen und dem Vertrauen liegt was uns verbindet. Kannst du mir meine unbedachten Worte verzeihen?“

Sie ließ seine Hand nun wieder fahren und stellte sich einen Schritt von ihm weg, so dass sie ihn ganz betrachten konnte.

„Verzeihen? Nein, das muss ich nicht. Unswin, ich bin...vielmehr war vor allem enttäuscht darüber, dass du mir das Gefühl vermittelt hast, dass ich Geshla etwas böses will.“ Sie musterte ihn, als ob sie sich nicht ganz sicher war, was er dachte.

„Du kennst mich besser als manch anderer, und ich fühlte mich verraten und verlassen in dem Moment wo ich mich gerade aufgerafft hatte, etwas für uns zu tun. Den Makel der an mir klebt wie Pech, den wollte ich abwenden. Geshla ist, wie auch Quanion nicht ganz von meinem Blute, ja, und ja ich weiß wo mein Platz ist, und solange sie nicht stirbt, oder niederträchtig wieder die Götter frevelt wird sie Baronin von Gnitzenkuhl bleiben. Aber das wollte ich auch nicht ändern.“

Die Ritterin musste sich erst wieder mäßigen und die Stimme senken. Pferdeburschen warfen ihnen schon schräge Blicke zu.

„Was ich will ist der Platz der mir zusteht- ich bin anerkannter Bastard Seraminor von Gnitzenkuhls, doch wer weiß das? Mit weniger werde ich mich nicht mehr zufrieden geben. Das du meine Worte so fehl gedeutet hast, und dachtest mich im Namen Praios belehren zu müssen...!“ Sie schüttelte ungläubig das Haupt.

Doch dann trat sie wieder an ihn heran und griff seine Hand. „Ich hasse es belehrt zu werden Unswin, Rodericks Ton war der deine als du deine Tirade auf mich los gelassen hast. Glaube nicht, dass dein Rat mir nicht wichtig wäre, aber in dem Fall war es wohl eher...unpassend.“

„Wie gesagt, es tut mir leid, dass ich dir dieses Gefühl vermittelt habe. Ich habe nie geglaubt, dass du gegen deine Schwester Böses im Schilde führst. Es waren wohl meine eigenen dunklen Gedanken der Vergangenheit die mich nicht losgelassen haben und mir wider besseren Wissens Ängste eingeflüstert haben. Du hast Recht: Tritt für deinen Platz ein und erkämpfe was dir zusteht. Nichts macht mich glücklicher als dich stark und kämpferisch zu sehen. Außer einer Sache vielleicht...“ Mit diesen Worten hob er die die rechte Hand mit dem zusammengerollten Papier vor ihr gesicht.

Irritiert schaute sie wieder auf den Bogen Büttenpapieres.

„Hast du etwas gekauft, oder was hat dieses Papier zu bedeuten?“

Im nächsten Moment sah sie das altbekannte Grinsen in seinem Gesicht auftauchen. „Es ist viel besser als das. Das hier bringt uns endlich das Einverständnis und den Segen Rodericks.“ Ihr verständnisloser Blick ließ sein Grinsen noch breiter werden. „Ich habe meinen Vetter Ardo getroffen, den Baron von Kressenburg, aus Greifenfurt. Er hat mir Nachricht gebracht von meiner Mutter und Schwester. Sie sind wohlauf und als Edeldamen an seinem Hof.“ Noch immer fiel es ihm schwer seine Stimme sich nicht vor Freude überschlagen zu lassen als er davon berichtete. „Mein Vetter will meine Mutter und Schwester versorgt wissen aber wollte auch mich bedenken, nachdem er durch meinen Brief aus dem letzten Jahr davon erfahren hatte, dass ich noch lebe. Die Familie ist heilig! So haben wir Keilholtzer es immer gehalten und so hat mein Vetter gehandelt.“ Mit diesen Worten reichte Unswin Leomara das Schreiben, damit sie sogleich nachlesen konnte was er erzählte. „Er hat mich zum Ritter von Friedheim ernannt, ein kleines Gut in seiner Baronie mit gutem Ackerland und groß genug einem Ritter eine Familie und ein einfaches Leben zu finanzieren. Natürlich kann und darf ich das Gut nicht selbst verwalten. So lange ich im Orden gebunden bin brauche ich einen Vogt und diesen Posten wird meine Mutter ausfüllen. So sind sie und meine Schwester versorgt und ich kann endlich Rodericks Bedingungen erfüllen.“

Die letzten Worte aus seinem Mund gleichen fast einem Jubelschrei und ließen ein paar kleine Vögel aus einem nahen Busch aufschrecken. Die beiden waren inzwischen an der Koppel angelangt. Unswin lehnte sich gegen die Holzstangen und sah Leomara dabei freudestrahlend und erwartungsvoll an.

War Unswin weiter gelaufen, so war Leomara stehen geblieben wo sie just in dem Moment war, als er all dies zu erläutern begonnen hatte. Ihr Mund stand undamenhaft offen und sie schaute ihn noch immer ungläubig an.

„Wie meinst du das?“ Sie warf einen langen, prüfenden Blick auf die Zeilen in ihren Händen und ihre Augen wurden groß. Scheinbar sackten jetzt erst seine Worte so recht zu ihr durch. Ein Grinsen machte sich breit und die hellbraunen Augen bekamen wieder jenen charakteristischen Glanz. „Das ist ja...unglaublich!“ Sie rannte auf ihn zu, umarmte ihn stürmisch, ließ jedoch sofort wieder von ihm ab, als sie merkte, dass das Dokument unter ihrem Ansturm zu leiden drohte.

„Ich sollte etwas vorsichtiger mit dem Beweis deiner Tauglichkeit umgehen...!“ Sie lachte frei heraus. Erneut schüttelte sie den Kopf und zauste Unswin übermütig durch das Haar. „Das heißt wir könnten hier und jetzt, einfach so...?!“

Schnell zog er Leomara an sich heran und küsste sie stürmisch, während er ihr Haar ebenso zerzauste wie sie seins. Ebenso lachend gab er sie wieder frei. „Nun, die Bedingungen sind erfüllt, du machst den Eindruck als wärst du noch immer willens mich zum Mann zu nehmen, also ja. Genügend Geweihte sind ja noch im Tross, wir brauchen uns nur einen auszusuchen. Und wenn dir davon keiner zusagt, gibt es sicherlich irgendwo in der Nähe einen Tempel. Rashia’Hal wäre toll, aber ein kleiner Umweg auf dem Weg nach Gnitzenkuhl.“ Grinsend nahm er ihr das Schreiben wieder ab und rollte es zusammen, während sie sich langsam fasste.

„Hm...?“ Sie zog ihre Stirne kraus und überlegte was nun wohl das Beste sei, und das nicht nur für den Moment. War sie vor Quanion als verheiratete Frau sicherer oder ließ er sie eher in Ruhe solange sie ungebunden und frei verfügbar war? Sie würde ja in Gnitzenkuhl bleiben. Am Ende reizte es ihn sogar noch mehr wenn sie...! „Ich glaube ich werde es Geshla erst einmal mitteilen und sie soll mit entscheiden wann wir den Bund in Gnitzenkuhl begehen.“ Sie hatte in den letzten Tagen begriffen, dass sie sich an Dinge zu halten hatte, die auch ihr Herr Vater akzeptieren musste. Die Baronin war etwas, an dem er sich nicht vorbei wagte. Er hatte erlebt, dass diese Person bisweilen sehr klug sein konnte, meist dann, wenn man versuchte sie zu hintergehen oder etwas vor ihr zu verheimlichen. „Mein Herz sagt mir etwas anderes, aber ich denke, wir sollten ein gewisses Maß an Respekt an den Tag legen. Ich zolle ihn lieber meiner Baronin als dem Oberhaupt meiner Familie.“ Das verkniffene Grinsen kündete davon, dass sie nur ungern diesen Mittelweg wählte. „Wenn ich möchte, dass meine Halbschwester mir irgendwann mehr vertrauen soll als Roderick und Quanion, muss ich sie auch zum Teil meines Lebens werden lassen.“ setzte sie noch erklärend dazu. „Ich hoffe du verstehst das?“

Unswin sah seine Braut einen Moment lang forschend an und verzog zweifelnd den Mund, während er das zusammengerollte Papier wie ungeduldig gegen seine Handfläche tippte. Schließlich zeigte er ein Lächeln und nickte. „Natürlich verstehe ich das. Geshla ist deine Schwester und ich merke wie viel mehr dir ihre Meinung bedeutet als alles was Roderick oder Quanion sagen könnten. Wenn wir schon sonst niemanden einbeziehen dann wenigsten sie. Die Familie ist heilig! Also reden wir mit ihr sobald wir zurück in Gnitzenkuhl sind, denn wenigstens bis dorthin ist unser Weg derselbe.“

„Gut, ich werde Geshla erzählen, dass wir nun Rodericks Forderung erfüllen, und dass wir gerne heiraten würden. Aber lass mich das bitte alleine machen, ja? Meinem Vater können wir das dann immernoch gemeinsam sagen. Ich kann mir vorstellen, dass du auf seine Reaktion nicht verzichten willst. Wenn, ich sage WENN Geshla mitspielt würde ich ihm das aber erst kurz vor der Zeremonie sagen.“

Abwartend sah sie Unswin an. „Es ist mehr eine Art von Vorsichtsmaßnahme, nicht wegen Roderick, sondern wegen Quanion...!“

„Gut, dann rede allein mit deiner Schwester. Aber auf den Gesichtsausdruck Rodericks würde ich wirklich nur ungerne verzichten. Nachdem er uns einen solchen Stein in den Weg gerollt hat, werden die Götter mir diese kleine Genugtuung sicherlich nicht übel nehmen.“ Sein Gesicht zeigte wieder sein Lausbubengrinsen, dass er sich vor Leomaras Vater würde verkneifen müssen. „Wann wir es ihm sagen soll mir gleich sein. Wenn es wegen Quanion sicherer ist diesen Moment hinauszuzögern, dann machen wir es so. Ich weiß nicht wie lange ich in Gnitzenkuhl verweile und ob ich auf die Antwort Geshlas warten kann. Versprich mir, dass du mich ihre Entscheidung so schnell wie möglich wissen lässt.“ Sanft zog er sie wieder in seine Arme und sah sie sehnsüchtig an. „Es fällt mir schwer genug dich so bald wieder allein lassen zu müssen...“

In dem Moment waren ihr die anderen Ritter, Knappen und Knechte einerlei. Sie ließ es zu, dass er sie an sich zog, und küsste ihn innig. „Versöhnungen haben auch ihren Reiz...!“ Stellte sie danach mit etwas belegter Stimme fest.

„Gut, ich denke ich werde dir entweder eine Nachricht nach Schwertwacht oder nach Dergelmund schicken? Sollte die Nachricht dich aus welchem Grund auch immer verpassen- hier in Gnitzenkuhl kannst du auf jeden Fall meine Amme aufsuchen, sie weiß im Grunde immer, wo ich gerade bin. Wer weiß, ob die Jagd nach den Umtrieben am Darpat nicht in eine weitere Runde geht, derweil du dich fernab aufhältst!“

„Schicke die Nachricht nach Schwertwacht. Dorthin werden wir als nächstes reiten und Bericht erstatten über das was hier am Sturmfels alles vorgefallen ist. Außerdem muss ich mir noch die offizielle Erlaubnis des Großmeisters holen, dass ich das Lehen meines Vetters annehmen darf. Es ist eine Formalität, aber die Form muss auch hier gewahrt bleiben. In vier oder fünf Wochen bin ich zurück in Gnitzenkuhl, dann sehen wir weiter. Ich werde dich dann schon irgendwie finden.“ „Gut, das sollte dann also kein Problem darstellen.“ Sie schmiegte sich noch immer an ihn. Ein Lächeln schlich sich in ihre Züge. „Ich glaube Thorendir hat da bei den Schnallen geschlampt, hier drückt etwas unglaublich. Ich werde mich noch einmal umkleiden müssen...zu dumm, dass er ausgerechnet jetzt mit den anderen Knappen auf der Nachbarweide Übungskämpfe macht.“ Ihr Grinsen war derart unverblümt, dass der Ordensritter kaum missverstehen konnte, was sie ihm damit anbot.

Unswin machte sich keine Mühe zu verbergen wie sehr er sich auf die Art der Versöhnung freute die ihr vorschwebte „Wenn das so ist, muss ich dich natürlich unbedingt zu deinem Zelt begleiten um diesem Missstand abzuhelfen. Ich bin zwar schon fast ein Jahr lang kein Knappe mehr, aber ich denke ich weiß noch wo welche Schnallen an deiner Rüstung zu finden sind. Und wenn ich Thorendir später noch einmal sehe, werde ich ihm eintrichtern, dass er seine Ritterin in Zukunft nicht so schmählich alleine zu lassen hat. Vor allem wenn ich nicht in deiner Nähe bin um seine Fehler auszubügeln.“ Mit einer übertriebenen Geste nahm Unswin ihre Hand und drückte einen Kuss darauf, bevor er ihr galant den Arm reichte um sie zurück zu den Zelten zu geleiten.