Geschichten:Die seltsame Statuette

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Schloss Sonnentor, 10. Hesinde 1047 BF

Eine feine Schneedecke lag über weiten Teilen Garetiens und tauchte die Landschaft in ein zauberhaft funkelndes Weiß. Von den Turmzimmern des Schlosses Sonnenau, der Residenz der Kaisermärker Markvögte, hatte man einen malerischen Blick auf die Landschaft der Goldenen Au mit den vielen Weilern und kleineren Städtchen, und der alles überragenden Metropole Gareth im Osten. Da an diesem Tag keinerlei wichtige Termine anstanden, wollte Orelbert von Eschenrod die wenigen Stunden Tageslicht ausnutzen, um mal im Archiv des Schlosses ein wenig für Ordnung zu sorgen, da dies seiner Meinung nach schon viel zu lange vernachlässigt worden war. So hatte er also die beiden Diener Finnian und Turike aufgescheucht, die ihm bei seiner Stöberaktion zur Hand gehen sollten. Schon bald wurden Kisten hin und her verschoben, Pergamentstapel aufgetürmt, Regale entleert, entstaubt, verrückt und wieder aufgefüllt. Orelbert teilte die vielen Fundstücke grob in drei Haufen ein: untersuchen, einlagern, vernichten. Hatte er Anfangs noch einiges dem Untersuchen-Stapel zugewiesen, ging er doch mehr und mehr dazu über, den Vernichten-Stapel anwachsen zu lassen, da vieles sich entweder längst erledigt hatte, da es nach dem Tode Barnhelms vor drei Götterläufen irrelevant geworden war, oder er schlicht und ergreifend nicht wußte, was er damit noch anfangen sollte.

Plötzlich brachte Finnian ihm ein kleines Kästchen, welches mit einem kleinen Schloss versehen war. Darauf war eine Notiz zu sehen "Nur von Barnhelm von Rabenmund persönlich zu öffnen". Orelbert wurde stutzig. Er zog die Notiz ab und drehte sie um. "Eingegangen am 30. Praios 1044 BF" war dort vermerkt. Der Seneschall überlegte: "Zu dieser Zeit war Barnhelm zwar noch am leben, jedoch befand er sich da bereits in einem äußerst desolaten Zustand. Vermutlich hat er den Inhalt nie zu Gesicht bekommen. Ach, was soll's, ein kurzer Blick kann nicht schaden." Orelbert löste den kleinen Verriegelungsmechanismus des Kästchens und öffnete den Deckel. Darin lag eine kleine Statuette aus Sandstein, die anscheinend die Göttin Hesinde in einer lehrenden Position mit erhobenem Zeigefinger darstellte. Sie war außerordentlich filigran gefertigt und recht hübsch anzuschauen. Orelan nahm sie in die Hand und betrachtete sie genauer. "Wer sollte Barnhelm wohl eine solche Statue zukommen lassen, und weshalb?" fragte er sich. Während er sie noch betrachtete kam Turike mit einem weiteren Pergamentstapel an und geriet dabei ins Stolpern. Sie stieß so unglücklich in Orelberts Rücken, dass er dabei die Statue aus den Händen verlor, so dass diese zu Boden fiel. "Nein!" schrie Orelan entsetzt. Doch die kleine Figur knallte auf den harten Dielenboden aber blieb dabei völlig unbeschädigt. Orelan schalt seine tölpelhafte Dienerin, dann hob er die Statuette wieder auf. Tatsächlich, sie war völlig unversehrt. Selbst der kleine Arm und der ausgestreckte Zeigefinger schienen absolut intakt zu sein. Orelan kam ein Verdacht. Er würde dazu aber Hilfe brauchen. Er ließ die beiden Diener erstmal eine Pause machen und ging anschließend die Turmtreppe hinunter, um Thesia von Quintian-Quandt in ihren Gemächern aufzusuchen.

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"Warum seid ihr denn nicht gleich mit diesem Kästchen zu mir gekommen? Immerhin steht mir der Nachlass meines verstorbenen Mannes zu. Ich schätze es gar nicht, wenn Ihr hier eigenmächtig handelt", schalt die Witwe des Markvogtes den Seneschall. "Mit Verlaub, Hochwohlgeboren, ich kann wahrlich nicht mit jedem Kleinkram Eure Zeit in Anspruch nehmen. Ich versichere Euch, das meiste in den Archiven ist nur von geringem Interesse. Doch diese Figur hier scheint doch einen Blick eurerseits wert zu sein." Damit überreichte er der Maga die kleine Statue. "Hm, hübsch, in der Tat", murmelte sie. "Woher kommt das?" "Das kann ich nicht sagen, bedaure! Ich habe sie vorhin erst im Archiv entdeckt. Anscheinend wurde sie Eurem Gemahl kurz vor seinem Tode zugestellt. Ich vermute allerdings, dass er sie nie zu Gesicht bekommen hat." "So? Nun, dann werde ich die Figur erst einmal magisch prüfen. ODEM ARCANUM", sprach sie. Orelbert musterte sie dabei genau. Nach einem kurzen Moment verzog sie die Mundwinkel nach unten. "Nichts. Völlig unmagisch. Ist wahrscheinlich nur ein hübsches Geschenk für was auch immer."

"Seltsam. Sie hätte eigentlich zerbrechen müssen, als sie mir vorhin aus den Händen fiel." Thesia horchte auf. "Das ist sie? Interessant", überlegte sie. "In diesem Fall muss ich noch einen Test damit machen!" Sie rief nach einer ihrer Leibwachen, ein stämmiger Zwerg, welcher dann auch sogleich ihr Gemach betrat. "Mein guter Groschox, würdest du mir einen Gefallen tun? Schlag mal mit dem Streithammer auf diese Figur hier." Sie stellte die Figur auf den Boden. Dann bemerkte sie, dass der Zwerg zögerte, eine Figur einer Göttin zu zerstören. "Ich kann dir versichern, Groschox, dass es so seine Richtigkeit hat. Wir vermuten, dass es sich um Echsenwerk handelt." "Ach so!" nickte der Zwerg, holte mit seinem Streithammer aus und lies ihn auf die Statue niedersausen. Es machte KLONK, doch der Hammer hatte keinerlei sichtbaren Spuren an der Figur hinterlassen. Sie war nach wie vor völlig intakt. "Soll ich nochmal zuschlagen? Ich glaube, ich habe nicht richtig getroffen!" murmelte der Zwerg etwas enttäuscht. "Neinnein, schon gut. Deine Dienste werden hier nicht mehr benötigt. Danke, Groschox, das wäre alles." Der Zwerg begab sich wieder vor die Türe.

"Habt Ihr das gesehen?" fragte Thesia den verdutzten Seneschall. "Wie ich es mir dachte. Die Statue ist unzerstörbar - zumindest mit profanen Mitteln. Dass ich keinerlei Magie entdecken konnte, macht die Figur nur noch intressanter. Ich vermute mal, sie wurde gegen magische Entdeckung geschützt. Äußerst spannend. Ich werde die Figur einer weiteren magischen Analyse unterziehen, aber dafür brauche ich Hilfe. Bitte schickt nach meiner Collega Hildelind Gansweiler, die sich so weit mir bekannt ist derzeit zu Gast auf Schloss Uilstein aufhält. Und etwas Beistand der Hesinde-Kirche kann sicher auch nicht schaden.

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Drei Tage später war die Großfüstliche Hofmagierin Hildelind Gansweiler auf Schloss Sonnentor eingetroffen. Ebenso wie Thesia von Quintian-Quandt war sie eine Abgängerin des Informations-Institutes zu Rommilys, welches für seine herausragenden Fähigkeiten in magischer Analyse bekannt war. Begleitet hatte sie der örtliche Hesinde-Geweihte aus Uilstein Siberius Meeltheuer, da auch er verständlicherweise ein großes Interesse an der Statue der Göttin hegte. Schlossherrin Thesia hatte ihre Collega und den Geweihten gebührend empfangen, und nach dem ersten Austausch höflicher Floskeln hatte man sich sogleich ans Werk gemacht, um die Statue zu untersuchen. Dies geschah natürlich im Beisein des Seneschalls Eschengrund, der ebenfalls höchst interessiert war an der Beschaffenheit seines Fundstücks.

"Ich werde einen Blick der Weberin versuchen, um festzustellen, ob der Statue tatsächlich Magie innewohnt", kündigte der Hesindegeweihte an. Er konzentrierte sich, fixierte die kleine Figur und schlug mit der rechten Hand das Zeichen der Lehre. Dann sprach er:"Große Weberin, Herrin aller Zauberei. Du kennst die Welt, denn der Blick deiner Onyxaugen durchdringt jede Täuschung. Nichts entgeht diener Aufmerksamkeit, denn alles ist es wert zu wissen. Lass mich durch diese Augen sehen, mächt'ge Herrin. Zeige mir das Zauberweben auf dass ich es verstehen kann. Unblinzelnd will ich schauen, dass kein noch so feiner Faden mir entgeht. Mutter aller Weisheit, lass mich erkennne die Form der Zauberei."

Dann schlug er erneut das Zeichen der Göttin und rief die Namen Madas und Nandus an: "Darum bitte ich der gebannten Zauberweberin eingedenk, Deiner Tochter Mada, und vertraue auf deine Einsicht, Nandus. O große Göttin, erleuchte mich."

Der Geweihte erkannte nun die magische Struktur des Objektes. Er sah die vielen feinen Fäden und Verästelungen, die die Statue überzogen. Er brauchte eine Weile, um das Geflecht einigermaßen zu entwirren. Doch schnell war klar, dass sich nicht nur einer, sondern gleich mehrere Zauber auf der Statue befanden. Der offensichtlichste war dabei ein Aurarcania Deleatur, der die magische Natur der Statue vor magischen Blicken verhehlen sollte.

"Wusste ich es doch!" rief Thesia triumphierend!

Doch darunter lagen komplexere Zauber, die der Geweihte so noch nie zuvor analysiert hatte, und hier rasch an seine Grenzen stieß. Eindeutig war die gildenmagische Repräsentation. Doch die Merkmale waren schon schwerer auszumachen. Elementares Erz war erkennbar, und etwa, was am ehesten an Antimagie erinnerte - doch welche genau konnte er nicht sagen. Genaueres würde wohl nur eine tiefgreifende magische Analyse erbringen.

"Nun, ich denke das sollte uns erstmal als Aussage genügen, werte Collega, dass eine tiefgehende magische Analyse hier mehr als gerechtfertigt ist", schlussfolgerte Thesia von Quintian-Quandt. "Da kann ich Euch nur beipflichten, Collega. Ich denke, dass hier ein gemeinsames Zauberwirken angebracht wäre." Sie fassten sich also bei den Händen und wirkten gemeinsam einen Unitatio, derweil sie von Seneschall Eschenrod und seiner Gnaden Siberius genau beobachtet wurden. Thesia sprach dann laut die Formel: "Analys Arcanstruktur, enthülle die Magienatur!"

Sie spürte gleich, dass es sie enorme Kraft kosten würde, den magischen Schutz des Artefaktes zu durchdringen. Da sie aber durch den Zauberbund mit Hildelind über große astrale Reserven verfügte, konnte sie jedoch großzügig sein. Doch der ganze Zaubervorgang nahm eine Menge Zeit in Anspruch. Inzwischen hatten sich noch einige weitere Schaulustige in den Gemächern der Hausherrin versammelt. Plötzlich durchdrang Thesias Analysis den Tarnzauber.

"Erfolg!" rief sie. Ich kann nun hinter die Strukturen des Aurarcania Deleatur blicken. Dahinter liegt ein weiterer Zauber, er ist ebenfalls in gildenmagischer Repräsentation und von eher schlichter Natur. Er hat das Merkmal Illusion, vermutlich ein Favilludo Funkentanz. Der Auslöser ist die Berührung einer bestimmten Person - vermutlich mein verstorbener Gatte. Doch dahinter liegt ein weiterer Zauber verborgen - sehr komplex. Hochkomplex sogar. Er scheint mittels Metamagie verändert worden zu sein. Viellicht ein Reversalis? Schwer zu sagen."

Sie konzentrierte sich weiter. Auch Hildelind kommentierte das was sie sah. "Es scheint so als hätte der modifizierte Zauber gleich mehrere Merkmale: Erz, Schaden, Telekinese, Antimagie, Metamagie und auch Kraft."

"Kannst du den Auslöser erkennen?" fragte Thesia sie, "Ebenfalls komplex... er... ich glaube... oh nein. Es wird durch magische Analyse ausgelöst." Die beiden Frauen sahen sich erschrocken an.

"Seht mal, die hübschen Lichter", rief eine Dienerin erfreut. Und tatsächlich, der Favilludo Funkentanz ließ einen farbenfrohen Funkenregen rings um die kleine Statuette entstehen. Doch noch etwas geschah. Gleich über der Figur manifestierte sich wie aus dem nichts eine kleine Erzkugel, die immer größer und härter wurde und gefährlich funkelte.

"Alle zu mir!" rief Thesia erschrocken und wich ein paar Schritte zurück. Dann löste sie einen Gardianum aus ihrem Stab aus, der die sie Umringenden binnen eines Herzschlages mit einer magischen Schutzglocke umgab. "Ein Archosphaero!" rief Hildelind entsetzt. "Keine Angst, der Gardianum wird uns schützen!" rief Thesia. Der magische Erzball schwebte auf die kleine Gruppe zu - und zum allgemeinen Erstaunen durchdrang die Kugel den Schutzschild mühelos. Im nächsten Moment detonierte der Archosphaero in einem gewaltigen Splitterknall und ließ tausende von rasiermesserscharfen Schrapnellsplittern durch den gesamten Raum fetzen. Das letzte was Thesia durch den Kopf ging war "Bei den Niederhöllen! Geschützt mit Protectionis Contrabann..."

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Der herbeigeeilten Dienerschaft bot sich ein furchtbarer Anblick: in Herrin Thesias Gemach lagen mehrere von Splittern durchbohrte Leiber, das Stöhnen und Wimmern schwer Verwundeter durchdrang den Raum. Der eilig herbeigerufene Burgmedicus Goswin Schimmelgeiß versuchte noch zu retten, was zu retten war, doch waren viele Verwundungen zu schwer und der zerstörten Leiber zu viele. An diesem schweren Tage wurden unter anderem die beiden Magierinnen Thesia von Quintian-Quandt und Hildelind Gansweiler, Seneschall Orelbert von Eschenrod sowie der Geweihte Siberius Meeltheeuer zu Boron abberufen. Die Garether Criminal-Cammer und die später beauftragten Pfeile des Lichtes hatten derweil die Suche nach dem Verursacher dieses heimtückischen magischen Anschlages aufgenommen. Die Spur führte in die Schwarzen Lande.