Geschichten:Die wilde Rose - Das Blut der letzten Linie
Schloss Rossgarten, Baronie Wasserburg, Firun 1043 BF
Der silbrige Schein des Mondes leuchtete in das Schlafzimmer der Baronin von Wasserburg. Korhilda wachte nachts auf und bemerkte, dass ihr Mann nicht mehr neben ihr lag.
Die Wendeltreppe hinunter schien Kerzenschein hinauf und sie hörte gedämpfte Gesprächsfetzen. Sie zog sich einen Morgenmantel über und stieg die Treppenstufen hinab. Es musste schon wichtig sein, wenn ihr Gatte zu einer solchen ungöttlichen Zeit einen Gast empfing. Im Arbeitszimmer angekommen erblickte sie Alderan von Scheuerlintz. Eine gequälte Begrüßung ging beiden über die Lippen.
In der Wasserburger Fehde hatte Korhilda den Vater Alderans, Malwarth von Grabenhorst, in einem rondragefälligen Duell getötet. Dass sein Sohn bei ihrem Gatten eine Anstellung inne hatte, machte die Situation nicht einfacher.
Leobrecht von Ochs war hingegen ganz vertieft in Unterlagen, die ihm Alderan überbracht hatte, so dass er Korhildas Ankommen ignorierte. „Scheuerlintz, Du bist Dir sicher, dass die Erkenntnisse stimmen.“
„Ja, Herr. Es war wirklich nicht einfach, der Fährte zu folgen. Ich habe in den Unterlagen der alten Residenz geforscht, als auch in den Archiven der markgräflichen Administration. Viel war nicht mehr auszugraben.“
„Aber Du scheinst ja eine Spur gefunden zu haben.“
„Ich konnte schlussfolgern, dass Wallgrin einen jüngeren Bruder namens Isegrein hatte. Dieser hat nach meinen Nachforschungen ins Haus Revennis eingeheiratet. Daraufhin bin ich nach Baburin gereist und habe um Einlass in den Palast der Sterne „gebeten“. Ich musste hierzu ein paar Leute bestechen, meine Auslagen habe ich beigefügt.“
„Sehr gut gemacht, Scheuerlintz, sehr gut. Dein Geld wirst Du zurückerhalten. Was konntest Du herausfinden?“
„Isegrein und seine Frau Mirhiban hatten Kinder. Das ist schon mal positiv.“
„Und was ist negativ?“
„Ich habe jetzt mal angenommen, dass Königshäuser und deren Seitenlinien, mit denen sich die Linie Revennis gekreuzt hat, vielleicht ein wenig zu hoch für Eure Ansprüche sind. Des weiteren konnte ich nicht allen Kindern folgen und weiß bei vielen nicht, was aus ihnen geworden ist.“
Leobrecht schmunzelte. „Scheuerlintz, da hast Du wohl recht. Wir sollten wissen wo unser Platz im Adelsgefüge ist und nicht den Schwalben das Fliegen neiden.“
„Das habe ich angenommen und bin daher einer relativ bedeutungslosen Ahnenlinie gefolgt, über Barbrück, Llanka und Mendlicum führte mich mein Weg nach Palmyrabad. Das dortige Haus Palmyramis war mein Endpunkt.“
„Da bist Du viel herumgekommen, Scheuerlintz. Bitte klär mich auf, was es mit dem Haus Palmyramis auf sich hat. Ich bin da nicht ganz im Bilde, was die aranischen Adelshäuser angeht.“
„Rashpatani al'Kira von Palmyramis ist die Radjara in dem Herrschergebiet.“
„Sultan? Das ist zu hochgegriffen, Scheuerlintz!“
„Ich weiß Herr. Die Familie ist aber unglaublich groß. Ich denke es wird für Euer Haus unmöglich sein in die direkte oder nahe Blutlinie der Sultana einzuheiraten. Aber die Familie ist weit verzweigt und in den unbedeutenden Nebenlinien sind sie in der Ebene der Beyroun. Also im Rahmen Baron. Das Negative hierbei ist nur, dass das Blut welches ihr wünscht nachzuweisen, immer wässriger wird.“
„Solange noch ein kleines Tröpfchen Blut im Wasser erkennbar ist, ist es ein Versuch wert. Aber ich brauche ein Mädchen. Bei Araniern haben die einen hohen Stellenwert aufgrund des Matriachats, oder irre ich mich?“
„Es gibt dort ein nachrangig geborenes Mädchen, welches aus belanglosen Blutlinie entstammt und die nicht viel Wert in Aranien hat. Guter Name, wenig Einfluss.“
„Hast Du ein bestimmtes Mädchen ins Auge gefasst?“
„Aliyah saba Azizelis von Palmyramis. Ein Achtjähriges, nachranging geborenes Mädel. Mit ihrer Mutter Azizelis saba Emiramis von Palmyramis und ihrem Vater Rohaldor ibn Retoban von Tamaris habe ich ein Treffen mit Euch im Emirat Djeristan am Fuße des Raschtulswalls, der Heimat des Familienzweiges, vereinbart, um alles Weitere zu klären.“
Korhilda räusperte sich. „Was bist du wieder so umtriebig?“
„Hilda, ich erarbeite mir Möglichkeiten.“
„Und was genau, ich ahne es, aber magst Du mich in Kenntnis setzen?“
„Liebes Du weißt, dass ich über meine aranischen Wurzeln als entfernter Nachfahre von Graf Treuholdt vom Darpatbogen“ Korhilda rollte mit den Augen, während Leobrecht weiter fort fuhr. „meinen Anspruch, wie gering er auch sein mag, auf den Grafenthron von Perricum immer im Hinterkopf habe. Jetzt da Du Dich in Wasserburg verwurzelt hast, kam mir die Idee, die Ansprüche des Hauses Ochs weiter zu festigen.“
„Und deshalb ist Alderan durch halb Garetien, Perricum und ganz Aranien gereist?“
„Scheuerlintz ist der Linie von Isegrein vom Darpatbogen gefolgt. Ein Bruder der vorletzten Gräfin aus dem Haus Darpatbogen. Somit konnte er die Blutlinie von Gräfin Korgunde vom Darpatbogen nach Palmyrabad verfolgen. Ich denke ich werde mit dem dortigen Adelshaus in Kontakt treten, um eine Verlobte für Trisdhan zu gewinnen.“
„Damit Trisdhan Deinen Anspruch aufrechterhält und festigt?“
„Genau, Liebes.“
Korhilda hielt von diesen Ansprüchen so ganz und garnichts, welch hanebüchenes Zeug - vor allem so verwässert die Blutline, das kaum jemand daraus einen Anspruch erheben konnte. Aber es war nicht an ihr zu entscheiden, wen ihr Enkel heiraten würde. Das oblag dem Oberhaupt des Hauses Ochs, ihrem Gatten. Und wenn es ihm so wichtig war, würde sie Leobrecht bei der Angelegenheit unterstützen.