Geschichten:Dornentriebe - Gespräche unter Freundinnen

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"Ich freue mich schon auf unsere Gäste, Mithrida. Endlich feiern wir in unserem eigenen Haus und frei von allen Störungen!" Selinde war völlig in ihrer Rolle als 'Hausherrin' aufgegangen. Die Pachtung des Gutes war wie erwartet problemlos vonstattengegangen und irgendwelche unbequeme Fragen seitens Mithridas Familie waren auch ausgeblieben. Nur zwei Wochen nach der Übernahme des Anwesens war dieses soweit hergerichtet, dass die erste Feier dort stattfinden konnte.
"Ich bin auch begeistert, liebe Freundin. In den vergangenen zwei Wochen hast Du wahre Wunder vollbracht, um dieses Haus zu einem würdigen Treffpunkt für die Anhänger Radschas in Perricum zu gestalten. Wirklich phantastisch! Da ist es nur recht und billig, wenn Du nachher als Gastgeberin fungierst."
Eine leichte Enttäuschung zeigte sich auf Selindes Antlitz. "Ich hatte eigentlich gedacht, dass wir dies gemeinsam machen, Mithrida."
Die Angesprochene hauchte ihrer Freundin einen Kuss auf die rechte Wange und antwortete: "Ehre wem Ehre gebührt! Und diese Ehre ist wahrlich verdient. Davon abgesehen habe ich später noch einige wichtige Angelegenheiten die Geschäfte meiner Familie betreffend zu besprechen, welche leider unaufschiebbar sind." Und mit einem schelmischen Lächeln schloss sie: "Und ich bin sicher, dass Du auch als Gastgeberin ausgiebig von Radschas Wonnen wirst kosten dürfen; dies ist ja keiner dieser langweiligen Adelsempfänge, zu denen Dich Deine Eltern immer mitgeschleppt haben!"
Selindes Gesichtszüge entspannten sich. Ihre Freundin hatte recht, lange genug hatte sie nach der Pfeife ihrer Familie getanzt, Zeit, sich endlich davon freizumachen!
"Gut. Sehen wir uns denn heute noch, Mithrida?"
"Gewiss doch, mein Gespräch dürfte nicht allzu lange dauern."


Während in den oberen Geschossen gefeiert und allerlei rahjaischen Vergnügungen gefrönt wurde - diesmal allerdings deutlich weihevoller, dem "tulamidischen Ritus" entsprechend - saßen in einem verschlossenen Kellerraum des Gutes zwei Frauen in angeregtem Gespräch beieinander.
"Meine liebe Freundin", sprach die Ältere freundlich aber auch leicht distanziert, "ich habe Dich eine geraume Zeit beobachtet, sowohl während unserer Feierlichkeiten als auch außerhalb davon."
Die Jüngere schaute sie überrascht an, doch bevor sie etwas entgegnen konnte, fuhr ihre Gesprächspartnerin mit sanfter Stimme fort. "Du brauchst nicht verwundert zu sein, meine Teure. Bevor wir jemanden in unsere Gemeinschaft der Freunde der herrlichen Zureiterin aufnehmen, wollen wir uns zuvor natürlich auch versichern, dass die Anwärterin auch stark genug im Glauben ist. Das ist nichts Ungewöhnliches, die geweihten Diener der Zwölfe, gleich ob Praios, Hesinde oder ihren göttlichen Geschwistern dienend, halten es genauso, bevor sie jemanden in ihren Reihen aufnehmen, sei es als Laienschwester oder Geweihte."
"Ich danke für Eure Erläuterung", entgegnete ihr Gegenüber, eine etwas schüchtern wirkende blondhaarige Frau von Anfang Zwanzig. "Ist es vermessen, zu fragen, ob Ihr mich für wert befunden habt, eurem Bund beizutreten?"
"Diese Frage ist ganz und gar nicht vermessen, meine Liebe. Ja, Du hast Dich durchaus als würdig erwiesen und es wäre mir eine Freude, Dich in unserer Gemeinschaft aufzunehmen. Eine Kleinigkeit, einen letzten Test Deiner Ergebenheit gegenüber der Herrin der Lust hättest Du aber noch zu bestehen. Du kennst doch Alfir Bakenstein, diesen reichen Händler ..."


Zwei Tage später verfasste eine Frau in ihrem Schlafgemach einen Brief in tulamidischer Sprache:

Meine Herrin und Gebieterin!
Es ist soweit, der Boden für euer Kommen ist bereitet. Um den letzten Störfaktor hat man sich bereits gekümmert. Außerdem habe ich für den höchst unwahrscheinlichen Fall des Scheiterns zwei dumme Gänse an der Hand, denen wir bei Bedarf alles unterschieben können.

Eure demütige Sklavin