Geschichten:Dreihügelner Familienangelegenheiten - Die Freudige Botschaft
Die freudige Botschaft
Dreihügeln, Anfang Rondra 1036 BF
Es war ein langer Tag gewesen. Beim Austreiben der Tiere auf die Weiden des Dorfes kurz nach Sonnenaufgang war in einer der Bauersscheuern ein Stützbalken eingestürzt. Das ganze Dorf war auf den Beinen gewesen, um die Hütte vor dem endgültigen Einsturz zu bewahren und den Balken zu ersetzen. Da die Junkerin bei der Reparatur nicht helfen konnte, hatte sie sich mit ein paar der Jüngeren und Ältesten zusammengetan und die Kleinsten beaufsichtigt, während die übrigen auf den Feldern das Heu einholten oder Hilfstätigkeiten erledigten. Zum Glück war bei diesem Vorfall keiner ihrer Dörfler zu Schaden gekommmen. Als dann am späten Nachmittag der Balken endlich ersetzt und das Schlimmste überstanden war, setzte sich Gramhild hinten raus auf eine Bank zur Koppel mit Blick auf die Pferde und den Bach. Wieder einmal war ihr heute deutlich geworden, wie anders das Leben auf dem Land und die Verantwortung für ein ganzes Dorf war im Gegensatz zu ihrer Zeit in dem Haus in Wandleth, wo sie nur ein paar Mägde, einen Knecht und ein paar Kleintiere gehabt hatte. Doch das Haus war verkauft, die ältere Tochter Rahjamunde inzwischen wohl ebenfalls auf der Reise nach Greifenfurt und die jüngere in der Armee. Sie war sich manchmal nicht ganz klar darüber, ob sie der Zeit in Wandleth nachtrauerte. Doch hier hatte sie endlich den Platz, den sie schon immer haben wollte. Die Hunde hatten genug zu tun, die Leute waren ehrlich und genügsam und es wurde einem nie langweilig!
Als sie so ihren Gedanken nachging, trat ein kleines Mädchen neben sie. "Herrin? Da ist ein Bote, Herrin." "Ist gut, Irmhild, schick ihn her." Mit einem Lächeln nickte sie dem Kind zu, das schnell kehrt machte und durch den Stall zum Vordereingang lief. Die Junkerin stand auf und strich sich das Kleid glatt. Gegen die Flecke konnte sie jetzt auf die Schnelle ohnehin nichts tun. Kurz darauf brachte das Mädchen einen Reiter mit einem Schreiben mit und huschte dann nach einem höflichen Knicks wieder davon. "Ich bringe Euch Nachricht aus Kressenburg, Euer Wohlgeboren." Mit einer Verbeugung überreichte der Bote ein Schreiben, gesiegelt mit dem Alt-Keilhöltzer Wappen. "Geh, hol dir in der Küche etwas zu essen und ruhe den Rest des Tages. Ich gebe dir heute Abend noch Bescheid, wann du wieder reiten sollst." Mit einer weiteren Verbeugung zog der Bursche sich zurück und ging in Richtung des Stalles davon.
Unruhig brach Gramhild das Siegel. Ob es endlich die Nachricht war, dass ihre Tochter heil auf der Kressenburg angelangt war? Als sie schließlich die Handschrift erkannte, mit der die Botschaft geschrieben war, legte sich ein sanftes Lächeln auf ihre Züge und sie begann zu lesen.
Junkerin und Perlvögtin zu Dreihügeln
Geliebte Mutter,
ich wollte Euch mitteilen, dass ich nun auf Kressenburg einem neuen Lehrmeister anvertraut werden kann. Ich war erst überrascht, dass Ihr mir diese Nachricht nicht selbst habt zukommen lassen, doch die Überraschung war dadurch nicht weniger erfreulich. und stellt Euch vor, Mutter, es ist Meister Durac selbst, der Zwergenälteste von Kressenburg, der meine Ausbildung hier weiterführen will. Ich hoffe inständig, dass ich ihn nicht enttäuschen werde.
Zudem freue ich mich, Euch berichten zu können, dass Ihr bald auf Dreihügeln eine Hochzeit abhalten könnt, denn ich habe mich verlobt! Der ehrenwerte Ritter Wulfhart von Keilholtz, der mich auch auf der Reise von Wandleth nach Kressenburg tapfer beschütze und gegen jegliche Harm verteidigte, hat um meine Hand angehalten.
Wir werden keine große Mitgift benötigen, denn ich habe von meinem alten Meister meine erste Aussteuer erhalten. Mein zukünftiger Gemahl hat zudem ebenfalls ein Gut hier in der Baronie und ist recht nah mit dem Baron verwandt. Bitte zürnt mir nicht, wenn ich Euch beichte, dass es der Vater des Barons Ardo von Keilholtz ist, dem ich mein Herz und meine Hand schenken möchte.
Bevor Ihr weitere Einwände erheben wollt, möchte ich Euch als meine Mutter darauf aufmerksam machen, dass ich mir durchaus des Alters meines Bräutigams bewusst bin. Er mag vielleicht keine so lange Lebenszeit mehr übrig haben, wie sein Sohn, die Götter behüten sie beide, doch kann er sicherlich noch zahlreiche Götterläufe an meiner Seite verweilen und seinen Schwertarm schützend zwischen mich und derlei viele Unwegbarkeiten werfen, so es denn nötig sei.
Und wenn ich Euch erinnern darf, wie Ihr früher immer sagtet: "Kind, lass dich von deinem Herzen und den Göttern leiten, dann wird alles schon kommen, wie es soll." Genau diesen Rat von Euch möchte ich befolgen. Ich habe das Gefühl, in Ritter Wulfhart jemanden gefunden zu haben, der nicht nur meines Titels wegen oder des vermeintlichen Geldes, das ich einst vielleicht verdienen könnte, um meine Hand bat, sondern der meine Leidenschaft für die Kunst verstehen kann. Mein Herz ist tatsächlich davon überzeugt, dass es völlig unwichtig ist, ob ich einst erfolgreich bin oder nicht, sondern dass es sich hier um eine Liebe der Liebe willen handelt.
Doch da ich, wo ich nun schon in Greifenfurt bin, wohl als Eure Erbin alsbald auf Eurem Gut vorstellig werden sollte, kam uns der Gedanke, dass der Traviabund auf Dreihügeln stattfinden soll. So lernen die Menschen dort nicht nur mich, sondern auch meinen zukünftigen Gemahl gleich kennen, noch dazu in fröhlicher Stimmung.
Ich hoffe inständig auf Euer Einverständnis und um Euren Segen,
Eure Euch zutiefst verbundene Tochter
Rahjamunde von Schroffenstein-Grünfels
Beim ersten Lesen des Briefes erstarrten die Gesichtszüge der Junkerin und nur die Augen flogen über die Textzeilen, die ihre Tochter ihr hatte überbringen lassen. Wieder und wieder überflog sie die Zeilen und fing dann - nach bestimmt dem fünften Mal, da sie den Brief gelesen hatte - laut an zu lachen. Es war erst ein wenig verkrampft, doch wurde es immer leichter und fröhlicher, bis sie schließlich vor lauter Lachen das Schreiben fallen ließ.
Einer der Knechte schaute um die Ecke: "Alles recht, Herrin?"
Strahlend schaute sie zu ihm und jubelte: "Ja, Franhold, wir werden bald eine Hochzeit ausrichten. Alles Bestens!"
Mit einem Nicken und einem Schulterzucken zog der Angesprochene sich wieder zurück und Gramhild atmete einige Male tief durch, bevor sie sich bückte und das Schreiben wieder aufhob. "Jetzt muss ich das nur irgendwie Mutter beibringen..."