Geschichten:Dreihügler Muttertag - Vom Ankommen
Dreihügeln, 11 Peraine 1035 BF
Kaum war das Gefährt zum Stehen gekommen, unterstützt durch den dumpfen Aufprall besagten Körpers, als der Kutscher auch schon von seinem Bocke sprang und an den Verschlag eilte, diesen aufreißend und mit gleicher Bewegung die Trittstufen herunterklappend, um dort unten in kriecherischer Haltung zu verharren, den Wagenschlag weit aufgerissen.
Einige Kleinkinder, die gerade noch auf dem Dorfanger zwischen den Hühnern getollt hatten, sprangen herbei, um sich die Kutsche und den gefallenen Knaben besser abschauen zu können, als eines der Mädchen das Wappen erkannte. „Schaut mal, ist das nicht wie bei der Herrin auch?“, flüsterte sie den anderen Kindern zu, was die kleine Schar dazu brachte, der stehenden Kutsche noch ein wenig näher zu kommen und zu spicken, wer denn da wohl kommt.
Zur gleichen Zeit trat eine Magd, die von dem kreischenden Quietschen ebenfalls aufgescheucht worden war, durch die Tür des Gutshauses, schaute sich das Ganze einen Augenblick an, bevor sie den Staublappen in die Schürze stecke und sich die Kleidung glatt strich, um abzuwarten, wer der unerwartete Gast wohl sein möge. Aus dem Hinterhof indes schallte der Ruf mehrerer Hunde, die von dem ohrenbetäubenden Kreischen angestachelt in wildes Gebell und Geheul verfallen waren.
Aus dem Wagenverschlag schob sich ein von Altersflecken übersäter, knochiger Arm, welcher in ein schmuckloses, braunes Reisekleid ragte, welches die Gratwanderung versuchte, gleichzeitig ärmlich zu wirken, ohne die Verwendung exzellenter Stoffe und die Hand eines ausgezeichneten Schneiders zu verleugnen. Das darin gekleidete Frauenzimmer war eine Ansammlung harter Züge, ergänzt von Altersstarrsinn, welcher sich bis zu einem Dutt hinaufzog, welcher von einem Waffenschmied in lauterem Stahl nicht besser hätte verfertigt werden können. Das Aussteigen aus der Kutsche war vielmehr das Auseinanderfalten von Gefieder, eines Geiers nicht unähnlich, und auch der lauernde Blick, welcher in einem einzigen Augenblick den gesamten Flecken zu erfassen und sofort zu verwerfen schien, hatte mehr von einem Raubgeflügel denn von einem Menschen.
Wenig hätte gefehlt und der Erzähler hätte die ausgemergelte Gestalt um einen üppigen Damenbart und ein paar hässliche Warzen ergänzt, als dem Hexensinne zuzurechnen dargestellt, indes waren dieser Lande die Hexen, so überhaupt vorhanden, so denn eher von lieblichem Wesen, auch hatte die so Angereiste wenig hexenhaftes und mehr von einem geizigen Kleinkrämer oder einem Steuerbeamten. Das Märchenhafte ging der Ausgemergelten ebenso ab wie Frohsinn oder Freundlichkeit. Kurz wandte sie den Kopf nach ihrem Pagen, während sie sich aus der Kutsche schälte, welcher immer noch mit jämmerlichem Gesichte im Staub kroch und sich die schmerzenden Glieder rieb, herrschte ihn mit einem: „Mach keine Faxen und kümmere dich um die Arbeit, Laus!“ an und wandte dann einen zweiten Blick auf das Haupthaus. Die sich nun vollziehende Wandlung hatte etwas so erschreckendes, dass die Kinder erschreckt zurückwichen, noch ehe sie sich dessen Gewahr geworden. Die Mundwinkel der Vettel schoben sich vorsichtig lauernd nach oben und entließen ein paar quittegelbe Vorderzähne in die freie Landluft. Das Kinn straffte sich und der Kopf ruckte ein wenig nach oben. Alles in allem entblößten sich die Kiefer zu einem Lächeln, das einem Wolfe gut zu Gesicht gestanden hätte. Bei der Ankommenden jedoch wirkte es wie ein Zähneblecken kurz vor dem Zuschnappen.
Schwerfällig ließ sie sich auf die Stufen fallen und krallte sich, um Haltung bemüht, in die Schulter des immer noch gebeugten Kutschers, dem sogleich ein scharfes, pfeifendes Atmen entfuhr, das die Frau mit einem weiteren Zupacken ihrer eisernen Klaue ahndete. Dann, der Boden hatte sie schweigend empfangen, sah sie mit dem starren Blick einer Klapperschlange in die Gesichter der ahnungslosen Kinder und schnaubte einmal verächtlich: „Schert euch weg, elendiges Pack.“