Geschichten:Dreihügler Muttertag - Vom Manne
Dreihügeln, 11 Peraine 1035 BF
Endlich legten Mutter und Tochter den Löffel weg und dankten den Damen Peraine und Travia für das Mahl, um sich anschließend in die gute Stube der Junkerin zurückzuziehen, etwas, was Gramhild mit gemischten Gefühlen tat. Einerseits schreckte es sie, die meckernde Alte in ihr Allerheiligstes einzulassen, andererseits kündigten sich erste Gäste in der Gaststube an, die, neugierig geworden durch die fremde Kutsche und die Erkundungsgänge des Gastes gerne einmal selbst die Sachlage eruieren wollten. In dem festen Wissen, dass ein Zusammentreffen beider Fraktionen mehr Ärger einbringen würde, als sie heute Abend ertragen konnte, geleitete die junge Vögtin ihre Ziehmutter nach oben und setzte sie mit einem Apfelschnaps auf die Bank neben dem Kamin. „Nun? Was sagst DU zu meinen Überlegungen von heute Mittag?“ Yadviga fasste die Ziehtochter fest ins Auge, als wolle sie auch die kleinste Reaktion studieren.
Gramhild hatte mit dieser Frage gerechnet. Es war ja schließlich nur eine Frage der Zeit gewesen und die Alte war noch nie – zumindest nicht in den letzten drei Dutzend Götterläufen, an die sie sich selbst erinnern konnte – dafür bekannt gewesen, um den heißen Brei herumzureden. Also blieb sie erst einmal ruhig, während sie die Flasche verkorkte und sich ihre Worte zurechtlegte. Dann griff sie nach ihrem eigenen kleinen Tonbecher mit Schnaps und lehnte sich auf dem Stuhl schräg seitlich ihres Gastes etwas zurück.
„Ich denke, du hast Recht. Ich war lange genug in Trauer und könnte mich durchaus mal nach einem brauchbaren Gatten umsehen.“ Sie verschwieg dabei wissentlich, dass sie durchaus schon ein Auge auf jemanden geworfen hatte. „Wegen der Hochzeiten der Mädchen würde ich aber zumindest gern warten, bis die beiden mit ihren Ausbildungen fertig sind. Im nächsten Sommer will Rahjamundes Meister sie aus der Lehre entlassen. Dann könnte sie sich entweder einem Meister als Gesellin anschließen oder hier in der Gegend kleinere Arbeiten selbstständig herstellen.“ Sie wusste sehr genau, dass sie damit einen wunden Punkt ansprach, denn ihre Ziehmutter hielt nichts – rein gar nichts – von der handwerklichen Ausbildung ihrer älteren Tochter. „Und Rondraja sollte im Sommer ihren Kriegerbrief bekommen. Sie meinte, sie habe die Chance, eine Stelle bei der Märker Garde in Greifenfurt zu bekommen und würde dort gern anfangen. Solange könnte man sich nach Kandidaten umschauen.“
Um möglichst schnell dieses Thema als erledigt abzutun, ergänzte sie, ohne dass Yadviga Zeit gehabt hätte zu antworten, direkt: „Und was die Mühle betrifft, werde ich Adran demnächst mal einen Besuch abstatten und ihn bitten, mir die Erlaubnis zum Bau einer Walkmühle zu erteilen. Davon könnte er schließlich auch profitieren, denn in Schmalfurt steht ebenfalls nur eine Kornmühle.“
Yadviga hatte sich die Strategie ihrer Tochter sehr genau angesehen. Sowohl die Kürze, mit der die angeschnittenen Themen abgehandelt worden waren, als auch die große Bereitschaft ihrer Ziehtochter, den Traviabund ein weiteres Mal einzugehen, in Verbindung mit der schnellen Umschiffung der Frage nach dem Bräutigam zeigten mehr als alles andere die geistige Verwandtschaft der beiden Frauen. Gramhild hatte sich einer Reihe von rhetorischen Tricks bedient, die sie sich augenscheinlich in den Jahren bei Yadviga abgeschaut hatte. Das Grinsen der Alten ging in die Breite und ging ein wenig ins Muränenhafte. „Es ist beruhigend und götterpreisend, wie vernünftig du geworden bist, seit du uns verlassen hast. Natürlich wirst du den guten Adran nicht nur um den Mühlenbau sondern zudem um gute Handwerker andingen. Die soll der Gute bezahlen, damit sie ihm dann mit den beim Bau erworbenen Kenntnissen eine eigene Mühle bauen können. So sparst du eine gute Summe Geldes, ohne Adran den Mühlenzent abtreten zu müssen.
Was deine Töchter und deine eigene Person angeht, so lasse die Auswahl einfach dem Familienrat. Ingrimma und ich haben aufgrund unserer langjährigen Erfahrungen und unserer Verbindungen weit mehr Überblick über angemessene Partner und da wir eh wie eh die entsprechenden Mitgiften zu verhandeln haben, frisst das nur die Zeit, die du und deine Töchter, wie du selbst sagst, so dringend benötigen, um das Nest zu bauen und zu schmücken, in welches sich dann die jungen Hähne setzen werden.“ Damit lehnte sich die Junkerin von Schroffenstein stillvergnügt in ihrem Sessel zurück, führte den Brand an die welken Lippen und schloss genießerisch die Augen. „Ein feines Tröpfchen hast du da.“