Geschichten:Droht ein Dürrejahr?
So wie Almadas Kanzler Rafik von Taladur via Aventurischen Boten Almada vor den Auswirkungen des sengenden Sommers warnte (AB #88), hat auch Garetiens Staatsrat Praiodan von Luring mahnende Worte an die Garetier gerichtet: Dieser Tage werde der Schweiß in Bächen fließen müssen, wenn die Götterfürchtigen die Prüfung der Götter in Sühneleistungen auf dem Felde verwandeln; denn nur mit Fleiß auf den Äckern und Demut im Geiste könne das drohende Unheil einer Hungerkatastrophe im kommenden Winter abgewendet werden.
Ungewöhnlich scharf aber äußerte sich die Hochgeweihte der Peraine in Greifenfurt, Pflegerin des Landes Nialla ni Telwyn, die vor vier Wochen die Stadt Greifenfurt verlassen hat und nun von Hof zu Hof reist, um Äckersegnungen vorzunehmen, Hochzeiten mit dem Land zu zelebrieren und den beunruhigten Landleuten und Bauern Trost zu spenden. Vor der Abreise setzte sie mehrere Briefe auf, von denen der wichtigste gewiß nach Zorgan adressiert war, um den jungen Diener des Lebens um Beistand und Rat zu bitten. Ein Brief aber wurde im Kaiserpalast abgeliefert. In Ihm wirft die resolute Erzpraetorin, die der frommen Zurückhaltung der Perainekirche entsprechend bisher in keinem Konflikt zwischen Obrikgeit und Untertanen eingegriffen hat, der Krone mangelndes Erbarmen für die notleidenden Untertanen vor, Vernachlässigung der Äckerpflege und fehlende Ermahnung der Vasallen zu perainegefälligem Handeln. Der Brief wurde in Gareth mit großer Bestürzung aufgenommen, erkannte man doch, daß Nialla ni Telwyn ihre Neutralität nur aus echter Sorge aufgegeben hatte. Denn vor wenigen Wochen ist die Hälfte jener Apfelbäume eingegangen, die im Praios 28 Hal gemeinsam von ihr und Kronprinzessin Rohaja von Gareth in Greifenfurt gepflanzt worden waren. Diese Bäume waren den Greifenfurter das Symbol für den Neuanfang der Mark nach den Verheerungen des Orkkrieges, und ihr Sterben wird nun ebenfalls symbolhaft verstanden! Während die Puniner Astrologen noch die ungünstigen Konjunktionen der Sterne errechneten, die karge Zeiten ankündigen, wußten die Bauern in Greifenfurt bereits, daß Peraines Segen die Speicher in diesem Jahr nicht ausreichend wird füllen können.
Weitere Zeichen und Omen geschahen in Greifenfurt: Kälber wurden mit zwei Köpfen geboren, Ähren enthielten keine Körner, Schwalben fielen ausgezehrt vom Himmel. Aber auch jene Kutscher aus der garetischen Grafschaft Hartsteen, die üblicherweise fuderweise Nahrung nach Gareth bringen, berichten, daß auch im östlichen Garetien Felder verdorren, Ratten und Mäuse frecher werden und Bäche versiegen. In Grambusch vor den Toren Gareths kam es zu herzzerreißenden Szenen, als Familienväter sich um die ersten Kornlieferungen balgten, bevor auf dem Viktualienmarkt die Stände ganz abgebaut wurden – mangels Ware!
Die Peraine-Geweihtenschaft des Königreichs Garetien bittet seit dem Praiostag vor einer Woche vor allem um Regen und um eine Rettung der Ernte. Wie es heißt, ist die Zahl der besorgten Bäuerinnen und Landleute groß, die sich den Bittgottesdiensten anschließen. Überall im ganzen Mittelreich ist der Sommer heiß und trocken gewesen. Zwar nicht so heiß, daß die ganze Ernte auf dem Feld verkommen wäre, aber doch dürr genug, daß die Ausbeute, die die tapferen Bauern ihrer Krume abgewinnen können, so gering ausfallen wird, daß über das zum Essen Nötige und den Zehnten hinaus wenig abfallen wird. Während das in den ländlichen Gebieten des Reiches nicht immer für Aufregung sorgt (die Koscher sind noch ganz gelassen), befürchten die Geweihten doch eine prekäre Situation besonders: Wenn die Provinz nicht genügend Korn liefern kann, dann drohen die Städte des Reiches unterversorgt zu werden. Schon jetzt ist das letzte Winterkorn aus dem vergangenen Sommer nahezu unerschwinglich, und die Schließung der Armenküchen in Gareth nur der erste Indiz für eine bedrohliche Knappheit. Aus Punin, Rommilys und Havena werden zwar auch beunruhigende Zustände berichtet, doch nirgendwo ist die Gefahr einer aufkeimenden Panik so groß wie in Gareth, dem größten Magen, den Aventurien zu bieten hat.
Kerrie ui Brioghan
(Aventurischer Bote No. 89)