Geschichten:Ehre dem Ritterlichen - Getuschel am Kaiserhof
Elenvina, Anfang Rondra 1035 BF
Sein Atem war aufgeregt. Hatte sein Plan funktioniert? Konnte Alanna, das Dienstmädchen, den Reichserzkanzler ein paar Minuten aufhalten und ihm Zeit verschaffen?
Wolfaran stand an einer Wand gelehnt im Palast zu Elenvina. Leise, aber doch hörbar näherten sich Schritte. Der Blick auf den Sonnenstand deutete ihm an, dass es nun soweit wäre.
Wie fast jeden Tag zur gleichen Zeit schritt die Kaiserin mit ihren Wachen die Treppen und den Gang hinunter. Aufmerksam verfolgten seine Augen ihre Kaiserliche Majestät. Er atmete erleichtert auf, Hartuwal vom Großen Fluss schritt nicht in ihrer Begleitung.
Wolfaran überlegte, es war unpassend und sicher gegen die Etikette, aber sein Freund hatte ihn um diesen Gefallen gebeten und insgeheim damit auch seine Frau.
Strammen Schrittes eilte die Kaiserin den Gang hinter. Wenn nicht jetzt, dann nie – schoss ihm durch den Kopf. Mit einer Verneigung trat er vor. „Eure Kaiserliche Majestät, wäre es mir gestattet das Wort an Euch zu richten?“
Die Sekunden, die er auf eine Antwort wartete kamen ihm wie Stunden vor. Rohaja musterte den jungen Ritter und quittierte sein Anliegen mit einem knappen Nicken. „Sprecht, während ihr mir folgt. Bis zum Rittersaal dürft Ihr Euch an mich wenden.“
Die Kaiserin und ihr Gefolge setzten ihren Weg fort, Wolfaran ihr folgend. „Euer Kaiserliche Majestät, es mir eine Ehre und besondere Freude Euch eine Einladung meines Vertrauten, des Barons von Puleth, Felan Rondrik von Schallenberg-Streitzig, überbringen zu dürfen.“
Da die Kaiserin ohne ein Zucken weiter den Gang hinunter stolzierte, fuhr der Ritter weiter fort. „Ihm und seinen Mitstreitern des Bundes der Ritter in Angedenken des tugendhaften Königs Alrik war es möglich ein Relikt des ritterlichen Kaiser Alriks zu bergen und nach Garetien zu bringen. In einer würdevollen Zeremonie gedenken er und seine Mitstreiter der Reliquie einen angemessenen Aufenthaltsort zu verschaffen und Alrik den Ritterlichen zu Ehren. So es Euer Kaiserlichen Majestät…“
Rohaja hob ihre Hand, während vor Ihnen eine schwere Eichentür sich öffnete. „Bestellt Eurem Freund, meinen Dank für diese Einladung. Um alles weitere werden sich meine Berater kümmern.“
Die Kaiserin schritt in den Rittersaal hinein, während sich die Tür vor Wolfarans Augen schloss. Er prustete durch, als ein dumpfer Schlag von hinten seinen Kopf traf. „Au“, er griff sich an seinen Hinterkopf und blickte in die scharfblitzenden Augen Elea von Ruchins.
„Dummer Junge. Da ist es Dir schon möglich, Dich direkt an die Kaiserin zu wenden, und dann kommst Du ihr mit einer solchen Lappalie.“, die kaiserliche Zahlmeisterin las ihm regelrecht die Leviten.
„Eure hochgeborene Exzellenz, es war eine Bitte meines Freundes.“, versuchte er sich eher kläglich zu rechtfertigen. „Zumindest euer Cousin, der der geschätzte Schwertvater der Alriksritter ist und Bannerträger des Königreiches Garetien, hat es als sinnvoll erachtet, da es ebenso die Moral stärkt, den Zusammenhalt im Reich und die Götterfürchtigkeit fördert.“, wagte Wolfaran hinzuzufügen. „Es ist ein Bild, dem es nachzueifern lohnt, meint er, und aus dem nur Gutes erwachsen könne.“
Mit einer Handbewegung wies sie ihn an ihr zu folgen. „Du bist ein charmanter junger Mann, die Kaiserin hat Dir zugehört, sogar für ihre Verhältnisse recht interessiert. Wenn Du doch noch einmal dieses Glück haben solltest, wende Dich mit sinnvolleren Sachen an ihre Majestät.“
Oh, er hasste es, diese Handbewegungen, die ihm andeuteten zu folgen. Er war doch kein dressierter Hund – oder vielleicht doch? „Eure hochgeborene Exzellenz, es war mir ein wichtiges Anliegen…“
Elea von Ruchin unterbrach ihn. „Du musst noch einiges lernen. Der Krieg gegen Haffax, das ausstehende Ultimatum, der bevorstehende Heerbann – das sind wichtige Themen.“ Wolfaran wollte Widerworte geben, aber ihr Gesichtsausdruck hielt ihn davon ab. „Nichtsdestotrotz können wir festhalten, dass Dein Mädchen den Reichserzkanzler gut aufgehalten hat – auch wenn ich mir sicher bin, dass es für sie im Nachgang noch Schwierigkeiten ergeben könnte. Er mag es nämlich gar nicht aufgehalten zu werden. Sehen wir es so, Du hast in dem Götterlauf bei mir einiges gelernt, aber wir sind noch lange nicht am Ende Deiner Ausbildung – da ist noch viel Luft nach oben.“
Wolfaran nickte gequält. War das nun ein Lob oder eine Schelte? Wahrscheinlich von beidem etwas.