Geschichten:Ehre wem Ehre gebührt? - Teil 1
Es war kurz vor dem Turnier zu Greifenfurt als ein Zug Edler von Eslamsgrund aus, wo man sich versammelt hatte gemeinsam gen Greifenzug zog. Stolz erhoben sich die Banner, der Schwarze Hengst auf goldenem Grund, das Wappen Eslams von Brendiltal. Der Baron von Gallstein ritt diesmal nicht unter dem Wappen seiner Baronie, sondern über ihm prangte stolz das viergeteilte Banner, wo sich der grüne Basilisk auf silbernem Grund mit den neun silbernen Tränen auf grünem Grund abzeichnete. Es war das Wappen seines Hauses, des Hauses Limpurg, ein altes tobrisches Haus, wie der Baron nicht müde wurde stolz zu verkünden. An seiner Seite ritt der Junker von Silberblick, Hauptmann seiner Leibwache und Vertrauter, dessen Wappen, der silberne Wolf auf schwarz-grünem Grund, symbolisierte die lange Treue zu der Baronie Gallstein und dessen Baronen. Das alte traditionelle Wappen von Haselhain, bzw. Hassal'han Ammayin, die aranische goldene Rose über zwei gekreuzten goldenen Speeren auf schwarzem Grund.
Weit über allen anderen Wappen aber erhob sich, drohend sein Schwert vorzeigend, der blutrote Greif, dessen Wehr alles ausdrückte, was die Ritterschaft zur Bewahrung der praiosgefälligen Ordnung zu Puleth einzuhalten gedachten. Ein klares, eindeutiges Zeichen der Herrschaft des Adels - die Göttergewollte. Eine Standarte gleich dem Ausdruck des Willens diese Ordnung zu schützen und auch im Kampfe zu verteidigen, wenn es denn darauf ankam.
Würdig ritten die Hohen voran. Edel und temperamentvoll legten sich die stolzen nebachotischen Rösser in den Zaum. Immer wieder kamen Kinder herbeigelaufen, machten naive, gespielte rondrianische Gesten oder eilten eine Weile im Wehrheimer Schritt nebenher, Gemeine kamen gelaufen und küßten die Steigbügel der Reiter.
Simold, der Baron von Haselhain verhielt sich großzügig und ließ aus seinen Proviantwagen immer wieder süßes nebachotisches Honiggebäck verteilen, was gerade die Jüngsten erfreute.
Ariana hatte es, wie üblich, mit einer Schar Halbstarker zu tun, die immer wieder hinter irgendwelchen Bäumen oder Häuserecken des Wegesrands auftauchten, um die rotfeurige Schönheit zu betrachten, die ihnen immer mal wieder ein Zwinkern zuwarf, um wohl ihren Bruder zu ärgern.
Mehr als 30 schwer gewappnete nebachotische Reiter kamen da des Wegs mit ihren breiten Säbeln und wallenden ärmellosen Überwürfen in einem den gesamten riesigen Troß sich fortsetzenden schwarzgold. Ihnen zur Seite zogen, in schwarz-grün gewandete, garetische Rittmänner deren Plattenpanzer im Scheine des Praiosschildes blinkten. Hoch erhoben trugen sie die Lanzen, an deren Spitzen die Wimpel lustig im Wind flatterten. Ein ganzes Dutzend dieser schweren Reiterei konnte man zählen. Wahrhaftig war hier ein Zug unterwegs, den anzugreifen nur den Tod als Lohn einbringen würde. Schien man doch nicht nur zu einem Turnier zu reiten, sondern war angetan mit Rüstungen und Waffen als gelte es in den Krieg zu ziehen.
Ein jedesmal, wenn sich die vorderen Gewappneten in einer vorüberziehenden Ortschaft zeigten, kamen an den Wegen das Volk herbeigelaufen und schnell zog es von Mund zu Mund... Die Banner Garetiens ziehen in den Krieg!
Kaum einer wollte den Beteuerungen Glauben schenken. Doch als sie den Troß der Nebachoten sahen, wunderten sie sich nicht übel, denn allerhand exotisches Getier führte er mit sich: Korambestien, Geparden, buntes Federvieh und gar Echsen. Und sobald man eine Stimme aus der Kolonne erhielt, welche noch mehr Köpfe zählte und sich hinter den hohem Herrschaften wie ein Wurm durch die Lande zog, " Man ziehe zum Turnier nach Greifenfurt und nicht in den Krieg", liefen sie belustigt einher, um sich das Spektakel weiter zu betrachten.
Aber viel Volk sah auch nur den Greif über allen thronen und man erinnerte sich an den Zug des Greifen, als die Banner so vieler garetischer Häuser sich zusammengefunden hatten um gen Arvepaß zu ziehen, den Schwarzen Horden wütend die stählerne Stirn zu bieten und Blut mit Blut zu vergelten. Wer will es dem einfältigem Volke verübeln, das ihm bei diesem strahlenden Anblick solche Gedanken kamen und niemand der hohen Herrschaften dachte daran sich zu erklären. Man nahm hin, das sich Bauern, Händler und Reisende an die Seite stellten, ihre Mützen und Tücher schwenkten, denn dieser prächtige Anblick erfreute die Herzen. Wer hätte auch ruhig bleiben können, wo sich nebachotischer Glanz mit garetischer Glorie vermischte.
Es war der Stolz dieser Häuser, der hier glänzte, denn sie zogen aus, um zu streiten und um allen zu zeigen, das man nicht nur Willens war die Ordnung zu verteidigen, sondern auch die Macht hatte dies zu tun. Manch einer, der noch vor kurzem die verdammungswürdigen Worte der Hetzer im Munde führte "Lieber tot, als solcher Leute Knecht", schwieg nun ergriffen und gleichzeitig voller Furcht bei diesem Anblick. Sie ritten auch um zu zeigen, daß ein Aufstand sich nicht lohne: "Erhebt euch und ihr werdet fallen!!! Sie sind von den Göttern bestellt, um zu herrschen und euch zu schützen. Wer treu zum Adel steht, wird dessen Waffen nie fürchten müssen, denn er wird durch den Schild geschützt, welcher Feind auch immer sich erheben mag."
So kam es denn, dass die Edlen vor einem Gasthaus anhielten um etwas zum Mittag zu speisen, während der Troß am Haus vorbei und weiter gehen Greifenfurt ziehen sollte.
Der Knecht des Hauses wusste nun nicht, ob er staunen, sich in den Schlamm werfen oder seinen Pflichten, nämlich die Abnahme der Pferde der Edelleute nachkommen sollte.
Schließlich besann er sich auf letzteres, wobei er sein Haupt demütig senkte um die hohen Herren nur nicht zu beleidigen.
"Was ist los, Burschä?" sprach der Baron von Brendiltal den Knecht forsch an. "Was schaust Du auf dän Bodän? Gefällt Dir unsär Zug nischt? Soll isch Dir Bänähmen baibringän?"
Entsetzt und verwirrt zugleich wusste der Bursche nun gar nicht mehr wo er hinschauen sollte. Zu allem Übel merkte der Hengst des nebachotischen Barons die Angst des Knechtes und nutze diese Gelegenheit um nervös auf dem Platz zu tänzeln und dem Knecht schließlich in die Schulter zu beißen. Sofort erhielt der Bursche noch eine Ohrfeige von Eslam, der sich dann aber wieder sogleich um seinen Stichrappen, ein Hengst edlester nebachotischer Zuchtkunst kümmerte.
"Was hast Du Sohn aines besoffänen Wildschains jätzt angerischtät?"
"Ah Laß Eslam, wänn är schon aussiht wie Riebä, dann kann der Hängst glaisch probierän", machte sich Simold an seinem älteren Amtskollegen vorbei in das Wirtshaus hinein. Doch auf einmal hielt er inne, wendete sich einigen halbstarken Nasen zu, die einige Schritt entfernt neugierig und lüstern um die Ecke schielten.
"Woas," ruderte der ruckartig und kurz mit den Armen und scheuchte sie, während seine Schwester mit wogendem Schritt ins Gasthaus lief.
"Ariana," schüttelte er in gespielter Empörung den Kopf. "Das Du immär dän Jungän die Käpfä verdrähän mußt."
"Immerhin," blieb sie kurz stehen, wendete ihren Kopf und funkelte ihren Bruder mit einem Augenaufschlag unter ihrer Kapuze hervor an. "Ist da noch jemand, der mich bemerkt."
"Was soll das jätzt...?"
""Ah, Ihr baidä habt Eusch heitä aber wieder so rischtik gärn, wie?" ließ er den grübelnden Haselhainer mit dem leicht verwirrten Yendor zurück, der sich sichtlich Mühe machte, alle Sticheleien nicht so ernst zu nehmen. Er blieb zurück, weil er die Schnallen seiner hohen Reitstiefel nachzog und als Eslam der seinen beiden Bluthunden einen Wink gab auf den Knecht und die Pferde auszupassen, zusammen mit Simold und Ariana in der Stube waren erhob er sich wieder, winkte seinem Hauptmann zu sich.
"Cyberian. Bringe mir einen dieser Jungen, die es wagten die Kadi anzusehen. Ich will mit ihm sprechen. Sorge dafür das er nicht entkommen kann. Gebe niemanden außer mir Bescheid wenn ihr ihn habt. Nimm alle Männer die du brauchst, denn solche Bauern können flink wie die Hasen sein."
Die hohen Herrschaften waren nicht unbedingt lange bei einem einfachen Mahl zusammengesessen, während auf der Straße die Wagen vorbeipolterten, als die Türe schließlich aufging und der Junker von Silberblick sich zeigte, worauf hin Yendor sich bei seinen Freunden entschuldigte und nach draußen ging.
Cyberian führte ihn um die Ecke und dort wartete kniend, im harten Griff zweier Soldaten aus der Leibwache des Gallsteiners, einer der jungen Männer, der so sehnsüchtige Blicke zu der Kadi geworfen hatte.
Der Baron baute sich vor ihm auf, blickte ihn von oben herab an und schwieg eine Weile, während seine kalten Augen den Burschen fixierten.
"Du hast es gewagt die Kadi anzusehen. Bastard, wie konntest du dies tun?"
"Sie hat mir doch zu ge..." Der Schlag des Barons kam schnell. Wie eine Schlange zuckte seine Rechte vor und traf mit immenser Wucht ins Gesicht des Bauers. Dessen Kopf wurde nach hinten geworfen, Blut strömte aus seiner Nase.
"Ich hatte dir nicht erlaubt zu sprechen, Abschaum! Reize mich nicht noch mehr. Niemand der von niederen Blute ist, darf die Kadi mit solcher Lüsternheit ansehen." Wieder ein Schlag. Es gab ein hässliches, knirschendes Geräusch und der Blick des Bauern begann sich zu trüben. Der Baron packte ihn an seiner Kehle, drückte unbarmherzig zu, bis ihn der junge Mann um Atem ringend flehentlich ansah. "Ich denke du hast nun verstanden was ich meine, oder?" Ein schwaches Nicken war die Antwort. "Sollte ich noch einmal dich, oder einen deiner Freunde sehen, wie sie die Kadi anstarren, dann wird mein Anblick das letzte sein was du in deinem Leben noch sehen wirst, denn ich werde dir höchstpersönlich die Augen ausbrennen. Und nun geh und sag dies deinen räudigen Freunden. Seht die Kadi nicht an!!! Ihr könnt ihn loslassen."
Ohne weiter sich um die Zurück gelassenen zu kümmern, betrat der Baron wieder das Gasthaus, nahm am Tisch Platz und versuchte dem Gespräch zu folgen welches gerade entbrannt war.
Währenddessen schaute sich hinter dem Haus der Junker das Gesicht des Geschundenen etwas genauer an, bevor er ihn abwartend laufen ließ. "Na, Du wirst das schon überleben...."
Im Inneren des Hauses tauschte man hingegen schon wieder das nötige Maß an kleinen albernen Gehässigkeiten aus, wie sie es so gerne taten. Als sie dann aufgestanden waren, traten sie ins Freie. Auf der Straße war drückte sich ein schwerer schwarzgoldner Wagen über den unebenen Grund.
"Sak mal Eslam, was hast Du da eigentlisch drin?" fragte Simold neugierig.
"Wiiso isch? Isch dachte is' Dainä Karrän".
"Ihr werdet wohl wissen, wem der wagen gehö..." wollte Yendor die beiden gerade schelten, als er unterbrochen wurde.
"Äs isest maine Gardärobe." Entgegnete die Kadi und machte sich auf ihr Pferd von dem heftig zitternden Knecht in Empfang zu nehmen.
Nun lachte Yendor laut, klopfte Simold auf die Schulter und machte sich Kopfschüttelnd auf dem Weg zu seinem Pferd. Nachdem er aufgesessen hatte, drehte er sich noch einmal zu Simold um und man konnte einen Zug in seinem Gesicht erkennen, der äußerst selten dort zu sehen war. Ein schelmisches Grinsen zeichnete sich nämlich dort ab. "Komm du mir noch einmal und sag du seiest der Herr in deiner Baronie! Sie hat einfach einen ganzen Wagen unter deinen Augen mitführen können, ohne das du es gemerkt hast!" Er verneigte ich in Richtung von Ariana. "Kadi, ihr seid bezaubernd!"
Eslam verzog dabei spöttisch das Gesicht, bevor er sich gekonnt auf seinen Hengst schwang, nicht ohne dabei dem Knecht nochmals einen Klapps auf den Hinterkopf zu geben.
"Du hast diesmal nur ainä Wagän Gardärobe mitgänommän?"
"Eslam," hob die Kadi energisch den Zeigefinger: "Auch jämand wie isch rischtät sisch nach gäwissän Maßstäbän. Äs handält sisch bei däm Turnier schlielisch nischt um die garätische Adelsversammlungk... Und außerdäm ... hab' isch in Simolds Wagän noch einigäs unterbringän könnän," schmunzelte sie ihren Bruder offenbarend an, bevor sie ihren Hengst in einen leichten Galopp trieb.
Simold stand gerade mit einem Fuß im Steigbügel, rutschte aber plötzlich wieder heraus: "Du hast woas?!"
Jetzt konnte der Marben von Brendiltal nicht anders als laut loslachen. "Ah, wie isch misch auf das Turnier freuä. Beim Buhurt währdän wir dän Waischlingän von Pförtnärn zaigen, was kämpfän wirklisch bädeutät. Abär wisst ihr aigentlisch mainä Fraundä, dass ainer dären Grindär gar nischt hat gekämpft an der Trollpfortä?"
Überrascht schaute Simold seinen älteren Freund an.
"Du mainst da gibt äs ainä där nischt an der Pfortä sain Blut gegäben hat und sisch trotzdäm dässen riehmt? Wär ist das?"
Es schien Eslam sichtlich zu gefallen, die vielen fragenden Blicke auf sich zu ruhen, strahlte er doch über das ganze Gesicht, bevor er genüsslich und übertrieben langsam den Namen des vermeindlichen falschen Trollpfortenritters preis gab.
"Där Schwächling von Zahnänblatt, oder Zinkänrad wie immär er haißän mag ist äs."
Yendor und Simold schauten bei dieser Bemerkung des Brendlitalers auf.
"Wie, er war nicht an der Trollpforte dabei? Er hat nicht sein Blut dort für das Reich gegeben und rühmt sich somit Taten, die er nicht begangen hat? Diese Hunde... Sie sprechen von Ehre und Mut und nehmen scheinbar jeden auf. Wie viel muss man wohl zahlen um sich Pfortenritter nennen zu dürfen? Ich wusste ja, dass in ihrem Bund einige Schwächlinge zu finden sind, aber dass sie auch Platz für Feiglinge bieten und diesen es ermöglichen, sich als Pfortenritter hinzustellen, obwohl sie die Pforte nie gesehen haben... Solche Streiter verdienen nicht einmal unsere Verachtung", entgegnete Yendor.
"Ähre und Mut," Simold pfiff kopfschüttelnd aus, blickte noch einmal seiner Schwester hinterher, die ihm noch einmal frech zuwinkte.
"Allä habän sie Ähre und Mut. Untär dän Pfortänrittärn sind Männär von räschtä Schroth, aber zu däm stähän, was sie in Wahrhaiyt ausmacht sind sie nischt Manns gänug. Undt, wie mir schaindt sindt manschä von ihnän räscht angreifbar," grinste er Eslam an und schwang sich als letzter auf seine Stute.
"Diesä kleine heißlietige Schlangä," stemmte er sich eine Faust in die Hüfte, wobei die Umstehenden glaubten Simold rede vom Zankenblatter, bis er fortfuhr: "Wähä, sie hat wiedär mainä Waschzubär für die Korammbästiän zu hausä gelassän."
Mit lauten Lachern gab der Brendiltaler seinen beiden Bluthunden den Wink voran zu eilen, während die Adeligen sich langsam wieder in Bewegung gen Greifenfurt setzten.