Geschichten:Ein Anliegen am Krankenlager
Rashia'Hal- am Peraine Tempel, 18.Praios 1033 BF
"Peraine und Rondra zum Gruße Leutnant Beradje ." Mit einem verhaltenen Lächeln trat Leomara von Isenbrunn näher an den Mann heran, der ihr bei dem Problem mit ihrer Frau Mutter behilflich sein sollte.
"Ich hoffe die Pflege läßt euch bald genesen, ein Jammer, dass ihr die Feierlichkeiten versäumt habt."
"Seid gegrüßt im Namen der Sturmleuin und ihrer heilkundigen Schwester, Wohlgeboren von Isenbrunn." Die Stimme des Mannes klang noch ein wenig brüchig. Ganz anders als die Stimme, die er bei der Jagd auf das Ungeheuer vom Darpat führte. Entschlossen stemmte sich Alfred jedoch auf, um der Ritterin im gegenüber zu sitzen, was dazu führte, dass er eine Gefühlsregung nicht ganz unterdrücken konnte.
„Ich befinde mich Dank der Diener der Herrin Peraine auf dem Weg der Besserung. Vielen Dank. Was führt Euch zu mir? Bitte setzt Euch doch." und wies damit auf einen, an der Seite stehenden Stuhl.
"Danke, dass ihr mir eure Zeit schenken wollt." Umständlicher als nötig platzierte sich die Ritterin auf den Stuhl. Angetan war sie am heutigen morgen wieder im Gnitzenkuhler Wappenrock. Eine Hose aus Leder und ebensolche Stiefel ergänzten das Bild einer Streiterin ihrer Baronin.
"Wie ihr vielleicht inzwischen vernommen habt, hat Unswin von Keilholtz nach der Tjoste bei meinem Herrn Vater um meine Hand angehalten- vor allen versammelten Adligen." Der Ton in dem sie dies sagte war nicht eben der einer glücklichen zukünftigen Braut, sondern sie schien bekümmert.
"Wie ihr wisst, hatte meine Familie andere Pläne mit mir. Genauer gesagt ist es mein Bruder dem jedes Mittel Recht ist um Handelsbeziehungen zu verbessern und seinen Einfluss zu mehren. Generell ist dagegen nichts einzuwenden, doch waren die Männer die ich ehelichen sollte nicht meinem Stand entsprechend, sondern eher Pfeffersäcke, die den Zenit ihrer...Macht schon überschritten hatten."
Erwartungsvoll schaute sie ihr Gegenüber an, ob er ihr bis hierhin folgen konnte.
Dieser konnte ihr nur zu gut folgen - diese Thematik mit den arrangierten Verehelichungen waren ihm vor allem aus seiner Zeit im Horasiat noch wohl bekannt.
"Ja, Unswin berichtete mir davon." erwiderte Alfred ruhig. "Bitte fahrt doch fort in Eurem Anliegen."
Sie nickte kurz, brauchte aber noch einen Moment um sich zu sammeln.
„Unswin wurde eine Bedingung gestellt, eigentlich sogar mehrere, die er oder besser wir innert eines Götterlaufes erfüllen sollen. Es ging meinem Herrn Vater darum, dass er fähig sein soll eine Familie zu ernähren. Ich denke mein Vater hat dies nicht aus Sorge um meine Versorgung getan, sondern er nimmt schlichtweg an, dass es Unswin nicht möglich sein wird diese Bedingung zu erfüllen.“
Die Rittfrau schluckte schwer, scheinbar kam nun ein Teil, der ihr Schwierigkeiten machte ihn zu formulieren.
„Er ist...also ich bin...“ Hilflos setzte sie erneut an.
„Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass es sein kann, dass ich irgendwann nicht mehr erwünscht bin auf Burg Friedburg. Dann, wenn meine Halbschwester Baronin Geshla von Gnitzenkuhl einen Mann gefunden hat mit dem sie selbst Kinder haben wird. Ein ...Bastard, noch dazu ein in einem Schriftstück anerkannter, wäre dem Gemahl da nur im Wege.“
Sie sah ihn an, und konnte erkennen, dass er nach wie vor folgen konnte, aber sichtlich verwundert war, was seine Hilfe in der Sache angehen sollte.
„Ich kann auf mich selbst aufpassen, soweit es in meinen Händen liegt, aber ich fürchte, dass mein Bruder, mein Halbbruder Quanion alles daran setzten wird, dass seine Pläne nicht durchkreuzt werden. Die zweite Bedingung war, dass ich Unswin noch weiter heiraten WILL. Rein faktisch betrachtet für mich derzeit keine Frage, doch wenn er um mich unter Druck zu setzen meine Mutter...sich ihrer bemächtigt, hätte er mich in der Hand.“
„Es ist nicht einfach zu sagen, wie ich Euch helfen kann Leomara.“
Seine Stimme klang warm und kraftvoll und der plötzliche Wechsel zum vertrauteren Vornahmen hatte keineswegs einen respektlosen Unterton.
„Unswin war mein erster Knappe und auch wenn ich schon früher viele Novizen geleitet und sie in den Orden des Heiligen Zorns geführt habe, so war es bei ihm etwas anderes – sagen wir etwas persönlicheres und daher werde ich wohl immer – so oder so – sein Schwertvater bleiben und mich für ihn verantwortlich fühlen. Umso mehr erfreute mich seine Verbindung zu Euch und die Nachricht, dass er um Eure Hand angehalten hat.“
Alfred hatte sich etwas auf Leomara zubewegt und ergriff ihre Hand.
„Ihr braucht Euch sicherlich keine Sorgen zu machen, dass Unswin nicht fähig sein wird eine Familie zu ernähren – er wäre nicht der erste Ordensritter dem die Götter eine Familie schenken. Auch braucht ihr Euch sicherlich keine Gedanken zu machen, dass Ihr als Gemahlin eines Ordensritters kein Heim findet. Dafür wird sicherlich Sorge getragen sein und für Euren Schutz wird schon Unswin sorgen können, wobei ich mir sicher bin, dass Ihr, wie Ihr selbst sagtet, einem solchem persönlich nicht bedürft.“
Lächelnd blickte der etwa 10 Jahre ältere Ordensritter sie an.
„Problematischer“, er rückte nun wieder ein kleines Stück zurück, um sich wieder bequemer auf sein Bett zu setzten und ließ somit auch die Hand Leomaras los, „ist die Sache Eurer Frau Mutter. Ich kenne Eure Familie nicht gut genug, doch vermute ich, Euren Aussagen entnehmen zu können, dass Eure Mutter nicht wirklich wohlgelitten bei Eurem Herrn Vater oder Herrn Bruder ist. Die Frage die mich beschäftigt ist, würde Euer Herr Vater einer Entführung – von einer solchen sprecht Ihr ja – tatenlos zusehen und diese für gut heißen?“
Erneut schaute die Isenbrunnerin eine Weile erst auf den Boden, doch schließlich auch wieder ihn direkt an.
„Ja, diese Frage habe ich mir selbst schon oft gestellt. Es ist ja nicht der erste schwelende Konflikt. Wie verhält sich der leibliche Vater, wenn seine...Stieftochter? vom eigenen Sohn zu etwas gezwungen werden soll?“
Sie schien in Gedanken weit weg zu sein, so als ob sie diesen Gedanken noch weiter ausflocht. Doch schon bald sprach sie weiter.
„Im Knappenalter gab es schon einmal eine Situation, in der meine Eltern reagieren mussten, gemeinsam allerdings. Damals“ die Betonung lag deutlich auf der Vergangenheit, „war es so, dass er Härte walten ließ und gerecht urteilte. Doch inzwischen...? Quanion ist offiziell damit betraut das elterliche Lehen als Junker zu leiten. Der Zustand meiner Mutter ist leider so, dass sie nicht mehr den Geschäften auf Kaltengrundt nachgehen kann. Sie wird bisweilen von solch einer Schwermut geplagt...! Doch es ist mir eigentlich fast einerlei wie sich der Vogt Gnitzenkuhls zum Verhalten seines Erben stellt. Vielmehr hatte ich gehofft, dass ihr vielleicht schafft, was mir seit Monden nicht gelingen will.“ Ihr Ton wurde nunmehr fast flehentlich.
„Wenn Palinai von Isenbrunn sicher in den Räumen Rashia Hals weilen würde, wäre uns sehr geholfen. Die Peraine Geweihten würden sich ihrer annehmen. Sie denkt, sie kann nicht weg, weil sie damit Quanions Intrigen gegen mich nicht mehr stoppen kann, doch sie bemerkt nicht, wie verletzlich sie mich schlussendlich damit macht, weil sie darauf besteht dort zu bleiben.“
Alfred atmete einmal tief durch und antwortete, „Gut. Ich werde mich dafür verwenden, dass Eure Frau Mutter sich in die Obhut von Rashia’Hal begibt und werde mit ihr reden sobald die Feierlichkeiten hier vorbei sind. Unswin wird mich einen Teil des Weges begleiten, jedoch nicht bei dem Gespräch dabei sein, da ich vermute, dass dies der Sache nicht dienlich sein dürfte.“
Ernst blickte der Ritter Leomara an, „Ich kann Euch nichts versprechen, werde aber all meine Überzeugungskraft dahingehend verwenden.“ Erschöpft wirkend, legte Alfred seinen Kopf wieder auf die Kissen, welche ihm jedoch immerhin ermöglichten einigermaßen aufrecht zu sitzen. „Erzählt mir von Eurer Mutter. Was muss ich wissen, um sie überzeugen zu können. Sie ist eine unbekannte Frau für mich – macht uns miteinander bekannt!“
Ein Strahlen ging über ihre angespannten Züge und sie wirkte um Jahre jünger, jetzt wo sie wusste, dass er Ihnen helfen würde.
„Sie ist sehr mitfühlend, hilfsbereit und tapfer. Einzig wenn es um ihren Erstgeborenen geht fühlt sie sich stets mitschuldig an allem was er tut, da sie damals von Travias Pfad der Tugend abkam.“
Der Tonfall in dem Leomara darüber sprach, zeugte deutlich davon wie viel sie von dieser Einstellung ihrer Mutter hielt.
„Sie stand all die Götterläufe unwiderruflich an der Seite meines...“ Sie schüttelte den Kopf „An der Seite Roderick von Isenbrunns. Er kümmerte sich um die Belange auf der Burg, und sie sich um die auf dem Gut. Waren Menschen im Spiel, so hatte sie das geschicktere Händchen. Roderick und mein leiblicher Vater, Seraminor Wolfszahn von Gnitzenkuhl, haben eine Art Waffenstillstand gelebt. Jedem war klar, dass sie voneinander profitierten. Meine Mutter behielt bis zu seinem Tode meinen Vater als Freund an ihrer Seite. Zu seiner Frau pflegte sie auch losen Kontakt. Doch mit dem heimtückischen Mord an ihm, schien alle Kraft aus dem Leib meiner Mutter gefahren zu sein. Sie wirkt manchmal so, als ob sie sich mit ins Grab wünschte. Diese Tatsache zermürbt Roderick. Mitansehen zu müssen, wie die einzige echte Vertraute freiwillig von seiner Seite weicht und scheinbar den Tod sucht. Wie ein Gift, das durch ihren Körper wandert. Seitdem ist alles anders geworden...“
Aufmerksam hörte der Leutnant der jungen Frau zu, die nun, viel gelöster über ihre Familie berichten konnte. „Was ist mit Eurem Herrn Vater geschehen?“, fragte er bedächtig.
„Nun er war ein sehr mutiger Krieger und wurde für seine tapferen Taten am Hoftag im Jahre 1014 BF mit der Baronie Gnitzenkuhl belohnt. Er und meine Mutter kannten sich schon länger. Ihre Familie stellte hier schon lange die Vögte, mein Vater war hier in der Stadt aufgewachsen. Meine Mutter sagte einmal, dass sie es nicht bereut, aber das sie fürchtet, dass ihre Kinder, insbesondere mich, der Zorn Travias treffen wird. Solange mein Vater der Baron in Gnitzenkuhl war, hielt er seine schützende Hand über uns. Auch mein Bruder konnte ihm nichts vor machen. Seraminor blickte hinter so manch feine Fassade. Geshla und ich waren Milchschwestern, kannten uns also ohnehin von klein auf.
Im Jahre 1022 BF wurde er heimtückisch ermordet von einem Mitglied der Familie Kollberg. Er befand sich mit anderen Adligen auf der Jagd nach einem Vogelfreien und ein Pfeil eines Attentäters traf ihn tödlich. Er ist flüchtig und meine Halbschwester und ich warten nur darauf zu hören wann er wieder aus seiner Höhle gekrochen kommt, um ihn seiner gerechten Strafe zuzuführen.“
„Eine tragische Geschichte, die Ihr mir berichtet. Ich wünsche Euch, dass Ihr dereinst den Täter finden werdet und ihm seiner gerechten Strafe zuführt. Doch momentan gilt unsere Aufmerksamkeit Eurer Frau Mutter.“
Alfred rieb sich ein wenig das, von einem Drei-Tage-Bart verunzierte Kinn und meinte, „Alles deutet daraufhin, dass Eure Frau Mutter die Lebenslust verloren hatte und nicht mehr fühlt wofür sie Leben soll. All dies erinnert mich an die betrübliche Geschichte des Greifenfurter Barons Argaen Düsterfluss von Orkenwall. Mögen wir verhinden, dass Eure Mutter den gleichen Weg wählt.“
An dieser Stelle warf sie ihm einen verzweifelt wissenden Blick zu, ließ ihn aber weiter sprechen.
„Ich bin der Meinung, es wäre am Besten ihr vor Augen zu führen, dass sie Euch helfen kann indem sie nach Rashia’Hal geht.“
„Ihr könntet es versuchen, doch ich weiß nicht, ob ihr zu ihr durch dringt. Es kann sein, dass sie an einem Tag zustimmt, und am nächsten den Plan verwirft.“
„Bleibt die Frage,“ grübelte Alfred, „wie Roderick von Isenbrunn reagieren wird. Wird er Eure Frau Mutter einfach ziehen lassen? So wie ich ihn einschätzte eher nicht. Für ein des Phex gefälligen Unternehmes Eure Frau Mutter nach Rashia’Hal zu bringen bin ich eindeutig der falsche Ansprechpartner,“ Alfred grinste Leomara an, „also müsste Roderick von Isenbrunn davon überzeugt werden, dass seine Gemahlin der Heilung bedarf und er sie darob ziehen lässt.“
„Was meint Ihr?“, fragte der Leutnant, dem die ganze Diskussion nun gar nicht mehr schwer zu fallen, sondern eher im Gegenteil für seine Heilung förderlich schien.
„Hm sie ist ihm vertraut, und ich weiß nicht wie verletzt er ist. Ich denke es wäre nicht gerade förderlich, wenn er sich bestätigt fühlt in seinem Glauben, dass der Tod meines Vaters der Auslöser des Ganzen war. Wenn er daran glauben könnte, dass es eine Krankheit ist, die man heilen kann...?! Und wenn ich die Geweihten dort recht verstanden habe, dann ist die Seele eines Menschen auch bisweilen krank.“
Dass sie selbst auch schon Monde dort zugebracht hatte nach dem Tod ihres Gatten völlig in der Düsternis ihres gebrochenen Herzens gefangen, verschwieg sie und blickte stattdessen auf den Boden bei diesen Worten.
„Nach allem was Ihr mir beschrieben habt, ist die Seele Eurer Frau Mutter erkrankt eben weil Euer Herr Vater ermordet wurde und nach all der Zeit, in der keine Besserung für Eure Frau Mutter eingetreten ist, sollte auch Roderick von Isenbrunn einsehen, dass es für sie womöglich das Beste ist, an einem anderen, einem heiligen Ort die Götter um Heilung zu bitten. Natürlich muss man ihm nicht in dem Glauben bestärken, sondern ihn vielmehr überzeugen, dass es das Beste für seine Frau ist, nach Rashia’Hal zu gehen, um Heilung zu finden und dereinst zu ihm zurück zu kehren.“
„Dies führt uns nur an ein Problem Leomara – ich kann diese Argumentation nur unsterstützen – äussern gegenüber Roderick von Isenbrunn muss dies Eure Frau Mutter selbst, nachdem ich sie hoffentlich überzeugen konnte, dass dies der rechte Weg ist.“
„Bei diesem Gespräch würde ich sie unterstützen denke ich. Natürlich nur wenn sie das möchte...“ fügte Leomara hinzu.
„Mehr kann ich auch nicht von euch verlangen. In dieser Sache wurde schon viel unnötiges Leid geschaffen, doch ich hoffe mit eurer Hilfe einen Anfang zu machen, der Linderung bringt. Letztendlich für uns alle- auch für Quanion, selbst wenn er dies sicher völlig anders sieht.“
„Gut, dann wollen wir dies so handhaben. Ich denke, auf dem Rückweg gen Schwertwacht oder Travinianshall wird sich ein Aufenthalt in Kaltengrundt sicherlich einrichten lassen.“
Sichtlich entspannt ließ sich der Ordensritter wieder zurücksinken.
„Eines noch, was für mich zu gelten scheint ist auch das Eurige – bitte sprecht mich von nun an mit meinem Vornamen an.“