Geschichten:Ein Geschenk zum Abschied
Baronie Schwarztannen, 18. Rahja 1029BF, morgens
Raulfried wurde vom Krähen eines Hahns geweckt. Er fühlte sich von der Nacht auf dem Stuhl wie gerädert. Die Sonne war schon recht hoch am Himmel. Irgendwie hatte er länger geschlafen, als er vor hatte. Die Stube war leer. An dem Platz an dem die Elfe geschlafen hatte, lagen nur noch die losen Decken auf dem Boden. Hoffentlich hat das Elfenmädchen die Nacht überstanden, dachte sich der Baron als er zur Tür schritt, um nach dem Kind zu schauen.
In der Kammer fand er die Elfe neben dem Mädchen kniend. Leise summte sie eine Melodie vor sich hin. Anders als am Abend zu vor, hatte diese Melodie etwas Leichtes, Beschwingtes an sich. Die Elfe drehte sich zu ihm um und lächelte dem jungen Mann zu. Dieser lächelte zaghaft zurück und trat näher. Zu seinem Erstaunen war das Mädchen bei Bewusstsein und hatte sogar die Augen aufgeschlagen. Auch schien nun wieder etwas Farbe in ihr Gesicht zurückgekehrt zu sein. Dies musste ein Wunder sein. Raulfried versprach innerlich zum Dank einen kleinen Peraine Tempel in diesem Dorf zu errichten. Währenddessen sprach die Elfe sanft zu dem Mädchen, welches Raulfried daraufhin scheu musterte. Vorsichtig kniete er sich neben das Kind und streichelte es sanft am Kopf. Die Elfe nahm Raulfrieds Hand und drückte sie sanft. Die Angst und Scheu vom Abend schien wie weggeblasen. Ein warmes Gefühl stieg in Raulfried auf und wurde von dem Lächeln der Elfe noch verstärkt. Ein plötzliches Poltern im Nachbarraum unterbrach diesen Moment. Die Magd kam mit einem Tablett, auf dem sich ein einfaches Frühstück befand, in den Raum gestolpert.
"Oh, Ihr seid bereits wach. Isolde ist unterwegs ein paar Heilkräuter aus ihrem Haus zu holen. Sie wird bald wieder hier sein. Ich habe hier für Euch etwas zur Stärkung."
"Habt Dank, stellt es dort auf den Tisch. Ich werde etwas später essen." Die Magd verließ darauf den Raum wieder.
Die Elfe sagte etwas zu Raulfried. Dieser zuckte nur mit den Achseln, da er sie nicht verstand. Sie überlegte kurz und deutete auf den Tisch und dann auf Raulfrieds Bauch. "Willst Du mir sagen, dass ich essen soll? Das kann warten. Ich möchte viel lieber wissen, wie Du heißt und woher Du kommst. Nur weiß ich nicht, wie ich Dir das überhaupt verständlich machen kann. Ich weiß auch überhaupt nicht, wieso ich Euch beide in der letzten Nacht in diesem Sturm gefunden habe. Es muss ein Wunder gewesen sein."
Er überlegte etwas und zeigte dann auf sich "Ich bin Raulfried. Raulfried." Wiederholte er nach einer kurzen Pause etwas langsamer, dann zeigte er auf sie. "Wer bist Du?" Die Elfe schaute ihn verwirrt an. Zaghaft zeigte sie auf sich und sprach etwas wie "Raufied?" Darüber musste der junge Mann lachen. "Nein, nein. Ich bin Raulfried." und er zeigte nochmals auf sich. Dann machte er eine Pause und zeigte nochmals auf sie und wartete. Sie überlegte etwas, dann schien sie langsam zu begreifen. "Feydha Valathiel." antworte sie ihm lachend einem Vogelzwitschern gleich und zeigte auf sich. "Valathiel." wiederholte sie noch einmal etwas langsamer für ihn. Raulfried erwiderte ihr Lächeln und zeigte auf das kleine Mädchen. "Nindariel." sagte sie ihm und blickte ihn hoch erfreut an, ihn endlich verstanden zu haben. Das Elfenmädchen sprach wieder zu ihr. Valathiel lächelte ihr zu, holte eine kleine hölzerne Flöte aus ihrem Beutel und begann eine wunderschöne Melodie zu spielen. Raulfried konnte dabei sehen, wie immer mehr Leben in das Mädchen zurückkehrte. Fasziniert von diesem Vorgang zog die Musik den jungen Baron ganz in ihren Bann. Verführerisch blickte die schöne Elfe Raulfried tief in die Augen. Noch nie hatte er in seinem Leben etwas so schönes gehört.
Wie lange sie spielte, wusste er nicht. Es muss recht lange gewesen sein, da die Sonne schon hoch am Himmel stand. Schwester Isolde, die Heilerin, weckte ihn aus seiner Trance. "Sie sind fort, nicht wahr? In ihrer Sippe wird sich das Mädchen sicher am besten erholen." "Fort? Sind sie schon aufgebrochen?" "Habt Ihr sie denn nicht fortgehen sehen?" fragte die Heilerin verwirrt. Betrübt blickte Raulfried zu Boden. "Irgendein Zauber muss über mir gelegen haben. Ich habe es nicht einmal mitbekommen, wie sie gegangen sind. Warum haben sie das nur getan? Wieso haben sie sich nicht von mir verabschiedet?" "Oh, ich glaube schon, dass sie sich verabschiedet haben. Vermutlich nur auf ihre Weise." sprach sie und zeigte auf die Bank vor ihm.
Mitten auf der Bank lag eine Strähne des weißgoldenen Haares der Elfe, zusammen gebunden von einem dünnen, kunstvoll verzierten Lederband. Raulfried nahm die Strähne an sich. "Bringt mir mein Pferd." seufzte er, "Ich werde nun nach Hause reiten. Ich werde jemanden zu Euch schicke, der Euch für Eure schwere Arbeit entlohnt. Habt Dank für alles, was Ihr getan habt." Der Baron verabschiedete sich auch beim Bauern für seine Gastfreundschaft und brach dann auf nach Burg Scharfenstein.
Auf einem kleinen Hügel blickte er sich ein letztes Mal zu dem Hof und dem in der Ferne liegenden Wald um. "Ich werde Dich wiedersehen!" flüsterte er und gab seinem Pferd die Sporen.