Geschichten:Ein Gespräch in der Schreibstube Wulf von Streitzig
Ein trauriger Brief
Burg Greifenklaue zu Uslenried, Mitte Firun 32 Hal
»Des Gallsteiners Frau ist verstorben«, sagte Christophilius Datierlich, der erste Schreiber des Barons von Uslenried. Jener stand in der Schreibstube, die er zumeist auch die barönliche Kanzei zu nennen pflegte, und trommelte nachdenklich mit den Fingern seiner Linken auf das Schreibpult, auf welchem er lehnte.
»Eigenartig, diese Geschichte. Irgendwas scheint in Gallstein faul zu sein. Solcherartige Vorfälle hatte es zu Cordovans Zeiten nicht gegeben. »Das soll nun noch einer verstehen. Ohnehin gibt es kaum mehr gutes aus Mor’tres zu berichten, wie mir scheint. Dabei war seine Gemahlin doch immer recht lebensfroh gewesen ...«
»Ja ja, das ist schon alles sehr eigenartig, Euer Hochgeboren«, pflichtete Datierlich seinem Herrn bei.
»Ich frage mich nur, warum der OZR dies alles so einfach hinzunehmen scheint. Burg Schwertwacht liegt doch in den Gallsteiner Landen, und doch läßt man ihn gewähren, ohne sich einzumischen. Eine Niederlassung in unserer Stadt hingegen lehnt der Orden ab; als ob Mühlingen so verwerflich gewesen wäre ...«
»Nun ja«, Datierlich räusperte sich hörbar, »Ihr wißt ja, was man andernorts darüber denkt ...«
»Es interessiert mich nicht, was man andernorts darüber denkt. Es mag nicht rechtens gewesen sein, was wir getan haben, doch es war notwendig. Der Zweck heiligt manchmal die Mittel. Zudem wird mir sicherlich jeder von Stande zustimmen, dass es dem gemeinen Volke nicht geziemt, eine Versammlung des Adels zu stören. Selbst der Staatsrat hat sich zu der gesamten Angelegenheit nicht geäußert, was er jedoch sicher getan hätte, wenn ein Verletzung der Gebote des Götterfürsten vorgelegen hätte.«
»Damit mögt ihr recht haben. Dennoch, die Gebote der gütigen Mutter Travia ...« warf Datierlich ein, doch Wulf fiel ihm ins Wort.
»... haben zuvor andere nicht beachtet. Hier in Uslenried mußte niemand darben, der bedürftig war. Auch mancher Garether braucht sich nichts vorwerfen lassen; man denke nur an Burggraf Oldebor oder gar Junker Abelmir von Krugelberge.«
»Außerdem hätte der Pöbel ja warten können, bis die edle Versammlung zuende gespeist hatte; ich denke, es wäre genug übrig geblieben!« meinte Yalinda, die jüngste Schwester des Barons, welche soeben durch die Tür in die Schreibstube trat. »Da fällt mir ein: Willst Du diesem Ritterbund – Pulethaner oder wie die sich schimpfen – denn nun eigentlich beitreten oder nicht?« Ihre Augen blitzten gefährlich, als wollte sie sagen: Tu’s nicht!
»Ich weiß es noch nicht«, entgegnete Wulf schulterzuckend. »Wenn ich daran denke, dass der Gallsteiner dabei ist, sollte ich eigentlich davon absehen ...«
»Ach ja, der Gallenstein«, frotzelte Yalinda. »Warum hält der OZR da eigentlich so still, stellt sich hier aber so an?«
Der Schreiber zuckte mit den Schulter, und Wulf antwortete: »Das wüßte ich auch nur zu gerne ...«
»Wolltet Ihr euch nicht ohnehin noch einmal mit dem Herrn Sturmfels zum vertrauten Gespräch treffen, Hochgeboren?« warf Datierlich ein, und die Züge des Barons erhellten sich.
»Vortreffliche Idee, Datierlich, wirklich vortrefflich! Setzte ein Schreiben an den Herr Gerion Sturmfels auf, Wir laden ihn auf unsere Burg ein, vier Wochen nach dem kommenden Konvent. Und falls ich ihn dorten zuvor noch selbst treffen sollte, weiß er wenigstens schon Bescheid ...«
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