Geschichten:Ein Held kehrt heim - Trauer in Brendiltal

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Baronie Brendiltal, Gut Besh hassal Ammay shar (Haus des Herrn der Pferde)

Dramatis Personae

Kestra n'ha Vulpina - Dienerin des Fuchses

Die Sonne stand hoch am Himmel an diesem Tag im Ingerimm im Jahr 1034BF und wollte gar nicht zu dem Zug passen, der sich dem Gut Besh'hassal Ammay'shar näherte. Allen voran ritt Lyn ni Niamad von Brendiltal, aufrecht und stolz, den Blick ungebrochen auf das Gut richtend. Neben ihr ritt nun Caihyn, ihr Sohn. Er hatte zwar einen Großteil der langen beschwerlichen Reise recht schweigsam auf dem Kutschbock verbracht, doch nun ritt er ebenso schweigend neben seiner Mutter her. Den beiden folgten fünf Zweierreihen nebachotischer Krieger, ebenfalls zu Pferd, sowie zwei Reiter auf deren blauen Wappenröcke je drei weiße Kronen prangten. Ihnen folgte eine prächtige Kutsche aus dunklem Holz, deren Fenster durch schwere Vorhänge verhangen waren. Dahinter kamen weitere zehn nebachotische Krieger in Zweierreihen, gefolgt von Lyns restlichem Gefolge und den Rittern des Bundes zur Bewahrung der praiosgefälligen Ordnung zu Puleth.

Zwölf Ritter aus Gallstein, darunter der Baron von Gallstein, gefolgt von sechs seiner Basiliskenrittern, sowie Cyberian Blaubinge von Silberblick, nebst seiner Gemahlin und vier Rittern der Silberwölfe, darunter der junge Aerisfang von Schartenstein. Alle führten sie Fahnen mit sich. Die beiden Ritter von Gallstein und von Silberblick die Blutgreifenfahnen, die anderen schwarze Fahnen. In ihrer Mitte führten sie ein weißes Pferd, mit prächtigem Sattel und Zaumzeug, am Sattel Schwert und Bogen, ebenfalls in Prachtausstattung mit sich und hinter dem Pferd ein Page mit einem Ifirnfalken.

Ihnen folgte die Baronin von Bärenau Treumunde von Eychgras mit Bedeckung, Irean von Gippelstein mit seiner Söldnerlanze, den Korgonern, sowie Martus-Melchor von Helburg als Gesandter Höllenwalls.

Sogar der – wie man sagt - von Boron vergessene - Baron Fredo Adersin von Dunkelsfarn hatte sich nebst Enkel und fünf Bewaffneten diesem Zug angeschlossen. Dahinter kam Brinian von Schurr, der Anführer des Stammes der Krek Awar mit 10 seiner ausgewählten Krieger, unter ihnen der Junker von Kelsenstein aus dem Wall mit seiner Knappin. Beide Kelsensteiner hatten menschliche Totenköpfe auf Ihre Lanzen über die Wimpel gesteckt. Sogar ein Gesandter der Familie Kur a’Far vom Stamme der Chor’ibin ritter unter ihnen.

Den Abschluss des Zuges bildeten unter anderem die Reshminianerin Nedarna von Trollsteige, sowie die stolzen nebachotischen Reiter aus der Baronie Gnitzenkuhl. Das Wehklagen der Weiber, welches ausgebrochen war bei der Kunde über den Tod Ra‘ oul von Brendiltales, hatte allen Mitreitenden einen Schauer über den Rücken getrieben. Unwillkürlich dachte man daran, welch herber Schlag dies erst für Eslam selbst sein dürfte, ganz zu schweigen von dem Los der Witwe und ihrer Kinder. Hamardan von Rohdfar war, wie seine begleitenden Adligen der Familie Bre'a Saratan. angetan in die edelsten Gewänder und hatte der Baroness und ihren Begleitern mit warmen Worten sein Mitgefühl ausgedrückt.

Alle Pferde des Trosses trugen Trauerflor am Zaumzeug und niemand sprach ein Wort. Auch war kein Bote voraus geschickt worden um ihr Kommen anzukündigen. Auch wenn das Gut nun schon in Sichtweite lag, schien sich die letzte Meile wie eine Ewigkeit hinzuziehen. Lyn war einerseits fast schon froh darüber, gewährte es ihr noch einen kleinen Aufschub. Doch die Ungewissheit darüber wie Eslam den Tod seines Sohnes aufnehmen würde, machte sie nervös und sie sehnte sich ein zügiges Ende der Reise herbei. Sie selbst war mittlerweile mit sich, den Göttern und ihrer Heimat im Reinen, doch hatte sie Bedenken, dass dies bei Caihyn ebenso war. Der lebhafte fröhliche Junge hatte sich, seit er auf Burg Bredenhag vom Tod seines Vaters erfahren hatte, in sich zurückgezogen und bisher waren alle Versuche Lyns ihn aus seiner tiefen Trauer zu reißen gescheitert. Lyn war sich, als nur noch 100 Schritt von dem Tor entfernt waren, sicher, dass der Zug von den Wachposten des Gutes gesichtet und gemeldet worden war und so verringerte sie noch einmal die Geschwindigkeit während sich der Zug näherte.

Als das Tor des bewehrten Gutes geöffnet wurde, erwartete sie daher bereits ein großes Aufgebot, das irritiert und mit finsteren Vorahnungen behaftet dem düsteren Zug entgegenblickte.

Unter ihnen befanden sich Simold han Fir’Enock, der als enger Freund Eslams hier fast wie zu Hause ein und aus ging und nun mitsamt seinen Kriegern vor dem Tor des Palastes stand. Genau wie der südbrendiltaler Edle Al’Arik han Kur’barun der mit seinem Sohn Tar und drei seiner Tar’aratan-Krieger angereist war um mit Eslam über eine Hochzeitsvereinbarung seines Sohnes mit Eslams Nichte zu sprechen. Und zu guter Letzt stand dort der Al’Shuar selbst, Eslam von Brendiltal, wie ein Fels, umringt von einer Vielzahl seiner Krieger und Bediensteten.

Gespannt und mit wechselnden Gefühlen blickten sie dem mittlerweile recht großen Zug entgegen, auch wenn das Fehlen Ra’ouls an der Spitze des Zuges, sowie die vielen Trauerfahnen Eslam bereits das Schlimmste erahnen ließen.

Lyn hatte, als sie durch das Tor ritt, nur noch Augen für Eslam. Aufrecht saß sie im Sattel, den Blick direkt auf ihren Schwiegervater gerichtet und ihr treues Ross direkt auf ihn zugehen lassend. Wenige Schritte vor ihm zügelte sie ihr Pferd und beugte tief ihr Haupt. Dann blickte sie ihn direkt an und sprach mit fester Stimme: „Yar'Hatah (Ehrenvater), ich bringe Euch Euren Sohn nach Hause.“

Eslams Miene blieb bei diesen Worten völlig leblos. Nur wer ihn wirklich gut kannte und in diesem Augenblick nahe bei ihm stand, bemerkte wie irgendetwas in seinem Herzen versteinerte. Sein Sohn, sein Erbe, sein ganzer Stolz, sollte wirklich tod sein? Kein Laut war in diesem Augenblick zu vernehmen. Einem jeden blieb die Luft ob dieser schlimmen Kunde weg. Zumal Boron die Familie innerhalb eines Götterlaufes schon häuffig auf die Probe gestellt hatte. So war vor einem Irian, Eslams Bruder vor genau ein Jahr von Nimmgalf von Hirschfurten getötet worden und im Praios darauf war Eslams Vetter Kor’win gesorben.

Nur mit dem Blick verfolgte Eslam zunächst die acht Krieger, die in diesem Augenblick die Vorhänge der Kutsche zur Seite zogen und die, auf einer Liege aufgebahrte Leiche Ra’ouls mit Hilfe von überkreuzten Lanzen hervorholten. Dabei wurden sie flankiert von den beiden mitgereisten Kronenrittern, die ebenso stumm wie die nebachotischen Krieger, Ra’oul auf diesem Weg begleiteten.

Eslams - am Griff seines Säbels und Dolchs ruhenden - Hände verkrampften sich so sehr, so dass die Knöchel weiß wurden.

Währenddessen saß Lyn von ihrem Pferd ab und ihr Blick ging von Eslam zu Ra’ouls Leichnam. Auch in ihr verkrampfte sich in diesem Moment alles, denn sie wusste wie sich Eslam fühlte. Sie spürte erneut die Leere, die an jenem Abend von ihr Besitz ergriffen hatte, als er sich für seinen letzten Kampf bereit machte. Doch war es ihr zumindest vergönnt gewesen sich zu verabschieden und so folgte ihr Blick den Kriegern bis sie die Bahre vor ihrem Marben (Baron) abstellten.

Es dauerte noch einige Augenblicke bis er auf die Leiche zu ging und zunächst neben ihr stehen blieb. Währenddessen schritt Lyn langsam auf die andere Seite, so dass sie Eslam gegenüber stand. Dann ließ Eslam sich schwerfällig neben seinem Sohn auf die Knie fallen, sämtliche Kraft schien den sonst so starke Bannerherrn der Nebachoten verlassen zu haben. Fast liebevoll strich Eslam über die Haare seines toten Sohnes. Sein Gesicht verzehrte sich vor Schmerz, auch wenn noch kein Laut über seine Lippen drang. Dann – Lyn kam es wie Äonen später vor – hörte sie einen unmenschlichen Laut und sie konnte erst Augenblicke später sicher sein, dass Eslam es war, der diesen, gequälten, tierischen Laut ausstieß, bevor der Baron von Brendiltal schließlich sein Haupt in den Nacken warf, sein Kreuz dabei durchdrückte und seinen Schmerz hinauf zu den Göttern rief. Alle anwesenden Nebachoten stimmten in dieses Geschrei ein, das Golgari auf die Seele des Gefallenen aufmerksam machen und bei den Göttern ankündigen sollte, das hier ein Held zu ihnen gelangen würde und ob sie ihn zu sich nahmen oder ihm ein weiteres, noch größeres Leben gaben, würde daran nichts ändern.

Diese unvermittelte laute Trauer riss den Schleier von alten Erinnerungen der Selina Castos. Als hätte sie diesen Augenblick erwartet, fiel sie in das Klagegeschrei der Nebachoten ein. Erst als das Geschrei verklang, wurde ihr bewusst, was sie gerade getan hatte. Eine Welle von Gefühlen und Erinnerungen überrollte sie und liess sie taumeln, sie stütze die Linke auf den Hals ihres Pferdes, um sich zu stützen.

Lyn lies Eslam für einen Moment mit seinem Schmerz alleine, dann kniete sie sich ebenfalls neben Ra’oul. Sie spürte, dass Worte des Trostes hier nicht helfen würden und wusste, dass später die Zeit für Erklärungen kommen würde. Wie schon in seinen letzten Momenten ruhte ihre linke Hand auf Ra‘ouls Brustkorb, während sie mit der rechten nach Eslams Hand griff und sie sanft drückte. Unendlicher Schmerz stand in ihrem Gesicht geschrieben und sie spürte wie die Stärke die sie in den letzten Wochen mühsam wieder erlangt hatte zu verschwinden drohte.

Eslam verkrampfte sich bei der Berührung Lyns. Jäh verstummte sein Schmerzensschrei und er sah die Frau Ra‘ouls mit finsteren, undeutbaren Blick an. Seine Lippen waren schmal aufeinander gepresst und ließen kein weiteres Zucken zu. Schwerfällig, so als würde er das Gewicht von zehn Rössern stemmen müssen, erhob sich Eslam schließlich und zog seine Hand von Lyn zurück, nur um den Arm um Caihyn, seinen Enkel und Erben zu legen, der derweilen etwas steifbeinig zu ihnen gekommen war, den Blick fest auf den Leichnam seines Vaters gerichtet.

Als Eslam sich so von ihr löste, schloss Lyn für einen Moment die Augen um sich zu sammeln. Doch konnte sie es Eslam nicht verübeln und so blickte sie ihm verständnisvoll an, als er sich Caihyn zuwandte.

Dann wand sich Eslam um, drehte Caihyn mit sich und hielt nach eins, zwei Schritt noch einmal kurz inne. Über die Schulter hinweg sprach er wieder mit fester Stimme zu Lyn: „Kuomm an mainä Saitä Shuni’Bashira“ (Shuni = Schwiegertochter, Bashira=wahre Liebe  Zusammen = Ehrentitel für Schwiegertochter, Quasi die „Wahre Liebe des Sohnes“) Dabei hielt er ihr die linke Hand, mit der Handfläche nach oben entgegen.

Langsam erhob sie sich und ließ ihre Hand dabei noch einen Moment auf Ra’oul liegen. Nur zögerlich löste sie sich, doch als sie dann die wenigen Schritte zu Eslam ging, hatte sie zumindest äußerlich ihre Stärke wiedergefunden. Niemand sah das Herzklopfen dass sie ergriff, als sie ihre Rechte in Eslams linke Hand legte und kaum einer bemerkte, wie fest Eslam die Hand seiner Schwiegertochter ergriff, so als wolle er sie nie wieder loslassen.

Bruder Thurbold, Ritter im Orden Golgaris und Emissär an Eslams Hof trat daraufhin zu den Acht Kriegern, die die Trage mit dem Leichnam anhoben und führte sie auf das Anwesen. Noch war kein Raum für den Toten vorbereitet worden, doch das würde sich schnell finden. Wie schon zuvor begleiteten die Kronenritter stumm den Held Albernias auf seinem Weg. Um die übrigen Gäste und Mitgereisten wurde sich derweilen gekümmert. Diener unter Anleitung von Simold von Haselhain nahmen sich ihrer an, wiesen ihnen Zimmer in dem großen Anwesen zu oder sorgten für ausreichend, komfortable Zelte, während sich Knechte um die Pferde kümmerten.

Später am Tage sollte Zeit sein Eslam und der übrigen Familie das Mitgefühl auszusprechen.

Es dauerte nicht lange, dann ritten die ersten Boten aus. Der zukünftige Al’Shuar a Korim war tot….


Autor(en): JC, NKK, NR, AK, Simone,