Geschichten:Ein Kressenburger Sommer - Ein klärendes Gespräch

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Dramatis Personae:

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Stadt Kressenburg

Kassandra war für einen Moment viel zu verwirrt um wütend zu werden und dieser Mangel an Wut verwirrte sie gleich noch mehr. „Bitte verzeiht, Euer Wohlgeboren. Aber wie kommt Ihr zu dieser ungeheuren Behauptung? Ich meine vom ewigen Zwist unserer Familien einmal abgesehen.“

„Ja Onkel, wie kannst du Kassandra nur beschuldigen solch falsche Hintergedanken zu haben? Ich weiß, du hasst die Praiostanns genau wie sie uns. Aber Kassandra und ich waren immer ehrlich zueinander. Was unsere Gefühle angeht ebenso wie in Bezug auf unsere Familien.“ Kasimir hatte bisher schweigend dabeigesessen so lange Kassandra von Phexian ausgefragt wurde. Prätor Badilak und ihr Bruder mochten ihr Einverständnis gegeben haben, aber das letzte Wort auf Seiten der Familie Kieselholm würde der alte Vogt haben. Jetzt sah sich der junge Ritter allerdings genötigt seiner zukünftigen Verlobten beizuspringen.

„Vielleicht muss ich mich klarer ausdrücken.“ Beschwichtigend hob Phexian die Hände um sie gleich wieder flach auf den Tisch zu legen. Bei schwierigen Fragen und Diskussionen hatte er gerne das beruhigende Gefühl, das die feine Maserung seines Arbeitstisches ihm vermittelte. „Ich beschuldige nicht Kassandra der unlauteren Gedanken. Aber ich wüsste gern, ob mehr hinter alledem steckt als die Liebe zweier junger Menschen.“

Wieder echauffierte sich Kasimir fürchtete er doch, dass die provokanten Fragen seines Onkels nur das Vorspiel zu einer Ablehnung sein könnten. „Aber was soll es denn da noch geben? Kassandra hat endlich den Segen ihres Onkels und ihres Bruders erhalten. Der Prätor will uns sogar höchst selbst trauen. Er ist ein Mann der Kirche. Er steht über diesem Familienstreit.“

„Tut er das wirklich? Oder ist es das was wir glauben sollen? Dame Kassandra? Hat es Euch nicht verwundert die Zustimmung Eures Bruders zu bekommen? Und hat Euer Onkel, der Prätor, nicht immer gegen uns Kieselholms gewettert. Was denkt Ihr, wo ist der Haken versteckt? Was gewinnt er mit diesen Klauseln, außer einen Novizen der aus unser beider Familien abstammt.“

„Onkel, also wirklich...!“

„Bitte sei still Kasimir! Ich will ihre Meinung hören.“

Der Streit hatte Kassandra deutlich eingeschüchtert. Kasimir hatte ihr versichert, dass sein Onkel ein umgänglicher Mensch sei der ihnen seine Zustimmung kaum verweigern würde. Sie hat auch durchaus den Eindruck, dass man vernünftig mit dem alten Vogt reden konnte, aber seiner Zustimmung war sie sich nicht mehr so sicher wie zu Anfang des Gesprächs.

„Versteht mich bitte nicht falsch. Ich bin überglücklich, weil ich nie wagen durfte an eine gemeinsame Zukunft mit Kasimir zu glauben. Die Bedingungen die meine Familie daran knüpft kann ich nachvollziehen. Ich weiß, dass mein Onkel stets die Hoffnung hatte ich könnte ihm in der Tradition der Familie in der Praios-Kirche nachfolgen. Das wird nicht geschehen, daher wünscht er sich eine… Kompensation.“ Sie hatte dieses hochtrabende Wort in einem Lehrbuch über den Handel aus dem Lieblichen Feld entdeckt. Sie sah Phexian fragend an und er nickte. Natürlich kannte der kluge alte Mann das Wort. Was hatte sie sich nur dabei gedacht ihn auf derart plumpe Weise übertölpeln zu wollen? Innerlich schalt sie sich selbst und sah verlegen auf ihre Hände. „Außerdem ist es sicherlich nur verständlich wenn mein Bruder den Namen unserer Familie auch in dieser Verbindung weitergeführt sehen will. Wohl gerade weil es diese Verbindung zwischen Kieselholm und Praiostann ist.“ Beim reden wurde sie wieder etwas sicherer und sah den Vogt erneut an. „Natürlich kommt auch für mich dieser plötzliche Sinneswandel sehr überraschend. Doch ich dachte nach den letzten Schicksalsschlägen die Eure Familie erleiden musste, hätte sich der Groll der meinen vielleicht abgeschwächt. So sehr man einander auch das Eine oder Andere missgönnen mag, so sind wir doch alle Greifenfurter und müssen irgendwie zusammenhalten. Oder nicht?“

Phexian hatte still zugehört und auch jetzt schwieg er einige Sekunden um schließlich zustimmend zu nicken. „Wohl gesprochen mein Kind, wenn auch ein wenig unbedarft, genau wie mein werter Neffe hier. Ich denke Ihr habt den Kern des Problems angeschnitten, ohne die wahre Bedeutung zu erkennen. Die Familie Kieselholm ist nach dem Tod meiner Schwester und ihrer Enkel schwach wie nie. Meine Nichte und ihr Sohn fallen aufgrund ihrer magischen Begabung für die Lehnsfolge aus. Glaubt mir, niemand ist sich dessen bewusster als Euer Onkel und ich.“

Er wandte seinen eindringlichen Blick zu seinem Neffen um. „Kasimir, wenn du endlich einmal deinen Kopf gebrauchen würdest, würde dir auffallen, dass nur noch du und deine Nichte Mechthild übrig seid, um eines Tages das Erbe deines Bruders anzutreten. Ich natürlich auch noch, aber ich bin alt und habe keine legitimen Nachkommen.“

Jetzt war es an Kassandra leicht empört und irritiert dazwischen zu fragen. „Verzeiht bitte, aber wollt Ihr sagen mein Bruder hätte das alles eingefädelt? Um Eure Familie zu vernichten? Aber warum dann jetzt die Zustimmung zu unserer Verbindung?“

„Nicht Braniborian ist der Schlüssel, sondern Euer Onkel Badilak. Nein, ich will nicht so weit gehen wie mein älterer Neffe in seinem Schmerz und behaupten Euer Onkel hätte Sebulon auf dem Gewissen. Aber es lässt sich nicht abstreiten, dass der Prätor seinen Tod billigend in Kauf genommen hat.“

„Und Ihr meint nicht, dass dieses Unglück meinen Onkel Euch gegenüber milder gestimmt haben könnte?“ Kassandra versuchte so gut es eben ging die Wogen zu glätten. Sie wusste bereits vorher durch Kasimir wie schwer die Kieselholms den Tod des jungen Ritters aufgenommen hatten und wem sie die Schuld daran gaben. Doch wenn der Vogt diese Anschuldigungen nun auch ihr gegenüber äußerte, konnte er nur gegen die Verbindung sein.

„Die Praiostanns agieren seit Jahrhunderten gegen uns Kieselholms. Prätor Badilak mehr noch als die meisten seiner Vorfahren, wenn auch nicht immer offensichtlich. Ihr werdet verstehen, wenn es mir schwer fällt an einen echten Sinneswandel zu glauben. Warum sollte er gerade jetzt Ruhe geben, wo er uns in der schwächsten Position sein Anbeginn dieses Konfliktes hat?“

Die junge Edeldame schwieg ob dieser berechtigten Frage und sah ratlos zu ihrem Verlobten hinüber. Kasimir hatte auch keine Antwort, also wollte er sie von Phexian hören. Er war sich sicher, dass sein Onkel mehr wusste als er bisher preisgegeben hatte, sonst hätte er dieses inszenierte Verhör nicht veranstaltet. „Und du glaubst auch die Zustimmung zu unserer Vermählung sei nur ein Teil dieses Strebens uns zu vernichten? Aber wie? Gerade indem er mir Kassandra gibt, erhöht er doch unsere Hoffnung auf Erben.“

„Das ist es worauf ich mir keinen Reim machen kann. Doch ich habe unabhängig voneinander aus zwei zuverlässigen Quellen die Warnung bekommen, dass Badilak Übles damit plant.“ Deutlich traten zwei Sorgenfalten auf die Stirn des alten Mannes.

Kasimir kannte seinen Onkel inzwischen gut genug um zu wissen wann er schauspielerte und wann es ihm ernst war. Diesmal war es ihm todernst. Er würde Kassandra stets als Bedrohung empfinden egal was kommen würde. Erzweifelt unternahm der Ritter einen letzten Versuch. „Selbst wenn dem so sein sollte, so wissen wir doch nun darum. Wir werden einfach vorsichtig sein und weiterhin jedes Wort hinterfragen das aus dem Mund eines Praiostann kommt.“

Mehrere Minuten saß Phexian schweigend da, stützte sich vorgebeugt die Ellenbogen auf seinem Schreibtisch ab und betrachtet die jungen Leute die verzweifelt und flehentlich zu ihm zurückblickten. Letztlich entschied er sich mit dem Herzen, wie er es seit seiner Jugend immer getan hatte wenn er sich nicht recht entscheiden konnte.

„Kassandra, wollt Ihr mir schwören, dass nichts als die Liebe für Kasimir Euch leitet diese Verbindung einzugehen? Könnt Ihr beschwören, dass Ihr nichts von den Hintergedanken Eures Onkels und Eures Bruders gegen die Familie Kieselholm wusstet?“

„Das schwöre ich, bei Praios.“

Mit einem ebenso schweren wie erleichterten Seufzen ließ sich der Vogt wieder in den Sessel sinken. Ein herzliches Lächeln trat auf seine faltigen Züge.

„Dann mein Kind, sollt ihr meinen Segen haben. Willkommen in der Familie.“