Geschichten:Ein neuer Staatsrat - Keine Reaktion ist auch eine Reaktion
Burg Orbetreu, Mitte Rahja 1029 BF
Hadrumir war ob des Duells mit dem Grützer immer noch geschwächt und es fiel ihm schwer sich im Sattel zu halten. Umso erfreuter war er, dass er die mächtigen Tore Orbetreus passierte.
Geflissentlich kamen ihm die Bediensteten entgegen und nahmen sein Pferd in Empfang. Hadrumir schaute zu Eleona neben ihm, welche immer noch einen zweifelnden Blick hatte. ’Sie hat zuviel durchgemacht!’ ging es Hadrumir durch den Kopf als sich Voltan näherte. „Die Zwölfe mit Euch! Wie ich sehe, war das Unterfangen in Rabenberg erfolgreich.“ Hadrumir schaute ihn müde an. „Wie ist der Stand der Dinge?“
„Nun, die Aushebung der Truppen schreitet voran. Die Waffenkammern wurden wie befohlen aufgefüllt, die Gerätschaften gepflegt, Vorräte ausreichend vorhanden.“ Hadrumir nickte.
„Gut! Sonst noch etwas?“
„Ja. Es ist ein offener Brief an die Adligen des Königreiches ergangen.“
„Von wem?“ fragte Hadrumir.
„Vom Hartsteener! Er schlägt vor, die Königin um die Ernennung eines neuen Staatsrates zu bitten.“
„Und macht er auch einen Vorschlag, wer dies sein soll?“
Hadrumir hatte diesen Namen schon einmal gehört, ihm war aber entfallen, wann und in welchem Zusammenhang.
Voltan hob erneut an: „Der Brief liegt in deinem Arbeitszimmer. Dort wartet auch Malmbert auf Dich.“ Hadrumir verabschiedete sich knapp.
Malmbert schreckte hoch, als Hadrumir das Zimmer betrat. „Die Zwölfe zum Gruße, Onkel!“
„Ich bin nicht dein Onkel!“
„Aber mein Großonkel!“
Hadrumir trat hinter den Schreibtisch und las das Schreiben des Hartsteeners. „Interessant!“
Malmbert schaute ihn durchdringend an. „Wirst Du dazu etwas sagen außer ’interessant’?“
Hadrumir zuckte mit den Achseln. „Er will eine von Luring zur Staatsrätin machen, na und?“
„Als Oberhaupt der Familie Schwingenfels solltest Du doch dazu etwas sagen?“
Hadrumir schaute seinen Großonkel an und schnaubte: „Woher auf einmal diese Erkenntnis? Warst Du es nicht, der mit seinen Reden von Aussöhnung Frieden stiften wollte. Im Übrigen ist Ludorand derjenige, welcher sich Oberhaupt nennt.“
Malmbert nickte. „Ich stehe immer noch zu meinem Standpunkt. Aber eines war bisher kein Schwingenfelser: Marionette eines Grafen. Ludorand redet doch nur das, was Geismar ihm diktiert. Wenn Seginhardt noch leben würde, dann würde man die Meinung eines Schwingenfelsers noch anhören.“
Hadrumir schaute erneut auf das Schreiben. „Du willst, dass ich mich positioniere?“
„Die Familie braucht ein starkes Oberhaupt! Seginhardt hatte Fehler, aber er hat die Schwingenfels nicht zu einer Marionette verkommen lassen.“
Hadrumir wirkte skeptisch. „Und warum kommst Du dann zu mir?“
Malmberts Augen blitzten bei diesen Worten auf. „Weil Du Fehler hast, aber weißt, was es heißt ein Schwingenfels zu sein. Ich hoffe, dass ich Dir ein wenig helfen kann.“ Mit diesen Worten holte er ein Schreiben hervor und reichte es an Hadrumir.
Hadrumir erkannte das Wappen sofort. Er brach das Siegel und las die wenigen Zeilen. „Das ist Verrat!“ sprach er.
„Verrat ist immer im Auge des Betrachters. Ein kluger Mensch wählt seine Verbündeten weise aus. Seginhardt war in mancher Hinsicht weise. Also, versperre Dich nicht vor Alternativen!“
Hadrumir sinnierte einen Moment. „Wer ist denn noch um den Posten des Staatsrates im Rennen?“
Malmbert wirkte zufrieden: „Nun, der Dir bekannte Nimmgalf von Hirschfurten hat Junkobald von Hirschfurten vorgeschlagen. Dies ist umso erstaunlicher, als dass er mit Ederlinde von Luring verlobt ist.“
Hadrumir fiel jetzt wieder ein, woher er den Namen kannte.
„Aus Erlenstamm hat man die Nachricht vernommen, dass Malepertus von Helburg ein geeigneter Kandidat wäre. Vom Kaiserhof selbst kann ich Dir keine Nachricht geben.“
Hadrumir schritt im Zimmer auf und ab. „Diese Namen sagen mir fast alle nichts. Ich bin der Meinung, dass man als Staatsrat jemanden ernennen sollte, der die Dinge anpacken kann. Er oder sie sollte von altem Adel sein und die Königin in diesen schweren Zeiten unterstützen können.“
Hadrumir überlegt einen Moment, deutete dann auf den Brief, den Malmbert ihm gegeben hatte und sagte: „Sag ihm, dass ich mit einem Treffen einverstanden bin!“ Malmbert erhob sich: „Und was ist mit dem Staatsrat?“ „Dazu werde ich mich nicht äußern.“ sprach Hadrumir barsch.
„Keine Reaktion ist auch eine Reaktion!“ sprach Malmbert und ging hinaus. Hadrumir schmiss den Brief ins Feuer des Kamins.
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