Geschichten:Eine Grafschaft zu ordnen – Dornensee, zwischen Blüten und Dornen

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Königlich Dornensee, Burg Dornensee, 19. Praios 1046 BF

Ceriane von Mersingen gab unverhofft tiefe Einblicke in die momentanen Sorg- und Ereignisse Dornensees, u.a. hatte man den Nimmerjocher Bannstrahlern nun letztlich die Erlaubnis erteilt einen alten Magierturm dort, der mit sog. Arkanilzeichen versehen gewesen war, einzureissen, auf eigene Gefahr hin. Etliche Experten hatten nämlich nicht Brief und Siegel darauf schwören können, dass das alte Relikt des bösartigen und legendären dunklen Magierfürsten Zulipan von Punin nicht bei einem solchen Eingriff evtl. hätte ungeahnte Effekte auslösen können. Da solches nicht eingetreten war, als Bannstrahler und Praios-Priester den “Exorzismus” durchgeführt hatten, hatten diese erfolgstrunken auch gleich verlangt einen entsprechend ähnlichen, alten Wehrturm südlich des Dornensees einebnen zu dürfen. Ganz zu schweigen vom Dornenwald, in dessen Mitte der Fokus dieser Arkanil-Gebilde liegen solle, von wo aus bereits desöfteren “dunkle Magie” gewirkt worden war, zuletzt - in enormer Form - vor etwa 17 Jahren(*). “Nicht von der Hand zu weisen, dass diese Relikte einst von finsteren Magiern errichtet wurden und seitdem immerwieder etwaige Zauberkundige anziehen, ob nun sinistre Magier oder finstre Druiden, der Dornenwald scheint tatsächlich verzaubert und wehrt sich teils gegen Eindringlinge. Doch der Kronvogt hat noch nicht weiter entschieden.” Dies würde die Praioten zwar aufbringen, doch noch schwelgten sie im Hochgefühl der Zerstörung des alten Magierturms, hieß es - und ohnehin wäre die Kirche des Götterfürsten gerade etwas verunsichert, aufgrundessen, dass ihr großer Gönner, der alte Graf, nun ersetzt wurde.

Zum Glück gebe es den alten Olbert von Föhrening, der schlichtend zwischen den tatkräftigen Bannstrahlern und dem Kronvogt vermittele, berichtete die Gattin des Kronvogtes weiter. Der umgängliche Praiospriester betrachte dies als Teil seiner Bußetaten, die er sich selbst auferlegt hatte, dafür dass er den selbsternannten Großfürst Sigman gesalbt und gekrönt hatte. Er bereue innig und sei oft in Klausur, seine weltlichen Aufgaben im Kloster St. Jermoran übernähme seit dem Scheitern des Fuchsaufstandes ein gestrenger und bürokratischer Proabt, den die Kirche ihm als Aufpasser hingesetzt habe. “Letztlich ist dieser Umstand, so tückisch auch die Herleitung war, ein Glücksgriff für Dornensee, denn zusammen mit dem Peraine-Prediger Lucrann von Albensteyn kümmere sich Olbert von Föhrening nun deutlich mehr um “die Ordnung in den kleinen Dingen” und um das Seelenheil der Dornenseer. Dabei stellen beide ein gutes Gegengewicht zu den Bannstrahlern dar. Brennende Ordnung und sorgsame Sorgfalt führen hier produktives ein Zwiegespräch.”, ließ Ceriane von Mersingen wissen.

Als Felian von Perainsgarten dann nochmal das Gespräch auf den Kronvogt selbst lenken wollte, lenkte dessen Gattin wiederum geschickt das Gespräch auf ein weiteres Thema des Lehens, die gute Zusammenarbeit mit den anderen königlichen Lehen und den Ausbau der Wege, insbesondere ins kaiserliche Schlundgau, wo der Pfalzgraf bemüht sei, sein Lehen in Eslamsgrund präsenter zu machen und als un- bzw. überparteilicher Vermittler zu agieren, wo er doch bis zuletzt eher als Schürzenjäger galt, der sonst nur an ritterlichen Turnieren interessiert sei. Der dezente Hinweis darauf, keine weiteren Fragen zum Kronvogt zu stellen, entging Felian nicht und er machte sich eine weitere geistige Notiz dazu. Stattdessen wollte er nicht noch weitere Hinweise darauf provozieren, dass man hier eigentlich dem Sohn des Grafen diene, nicht dem Grafen selbst. Und so machte er sich noch Notizen zu einigen unverfänglicheren Berichtsteilen. Außerdem leitete man bald in den kurzweiligeren Teil des Aufeinandertreffens über und tauschte sich weitaus oberflächlicher und privater bei Wein und gedeckter Tafel aus.

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Zwei Tage später, nach der Durchsicht von einigen Dokumenten und ohne den Kronvogt gesehen zu haben, brach die Schar wieder auf, um sich auf den Weg in den Schlundgau zu machen, entlang des Dornensees mit seinen Rosenhecken, über das Gut Rosensteg und Dorf Rosingen samt dessen Gestüt. Von hier aus würden sie entlang des Schieferbachs auf einem neuen Weg reisen und konnten Stadt und Burg Dornensee auf der anderen Seite des Ufers noch gut ausmachen inmitten des unergründlichen Sees und dem Meer aus rosafarbenen und schwarzen Rosen. Wie es wohl um den Kronvogt stand?

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In einer Grotte unter Burg Dornensee: Ein heller Lichtkegel fiel durch einen natürlichen Lichtschacht in der Felsdecke in die feuchte, unterirdische Höhle, in die nur der See und ein schmaler, versteckter Treppenaufgang führten. Den Lichtschacht konnte man von Außen nicht erahnen und irgendetwas in dem Schacht musste das Licht verstärken bzw. bis nach Unten in die Höhle leiten. Doch das war nicht wichtig, wichtig war nur was dort war, wo der Lichtkegel den Boden der Höhle berührte. Dort war ein kleiner Erdhügel, eingefasst in Stein, ganz natürlich. Auf diesem Erdhügel wuchs saftiges Gras, welches seine Halme gen Mitte des Erdhügel reckte, hin zu einem natürlich gewachsenen Torbogen aus Dornenranken, der zwei Rosenbüsche rahmte. Diese Büsche trugen nur wenige, aber prächtige Blüten, von denen die beiden größten nahezu kopfgroß waren, eine in Rosa, eine in Schwarz. Von dieser Szenerie aus wuchsen weitere Dornenranken bis in den See hinein, der sie verschluckte. In mitten dessen, nah am Bogen, am Rande des Lichtkegels, saß Kronvogt Albur von Mersingen, Barfuß und nur mit wenigen feinen Kleidern bedeckt, die eine Interpretation von elfischer Ornamentik trugen. Gedankenverloren und verzückt saß er dort und kühlte die letzten Überbleibsel seiner Wunden aus dem Wall mit sanften Tropfen von den Blütenblättern der Rosen.

Er hatte diesen Ort erst vor Kurzem entdeckt, als er geschunden von der Jagd nach dem Roten Malwarth, einem Kampf mit dem leibhaftigen Agapyr und einem Aufenthalt in einem seltsamen, von Rauch- und Dampfschwaden verhüllten Kloster von Feuerpriesterinnen wieder nach Dornensee zurückkehren konnte. Seine Wunden hatten da immer noch gebrannt, doch die Nähe zu den alten, halb gefluteten Kellergewölben der Burg hatten seinen Schmerz lindern oder übertünchen können. Und als er der Linderung folgend einen alten Durchgang unter Wasser fand, hatten auf einmal die wirren Worte der Feuerpriesterinnen einen Sinn ergeben, die er dort im Fieberwahn vernommen hatte. Denn dieser Durchgang hatte ihn hierher geführt - zu Ademarion vom Wasser und Talvariell Rosenlieb, die sich ewig liebten und banden. Sie hatten sich ihm in seinem Schmerz offenbart und ihn gelindert, seine Wunden endgültig verschlossen, auch solche auf seiner Seele, von denen er nicht einmal gewusst hatte. Ademarion und Talvariell hatten sich einst am Ufer des Sees geliebt und sich versprochen auf ewig beieinander zu sein, dafür hatten sie sich in Rosen verwandelt - die Urrosen des Dornensees, deren Schönheit unvergleichlich war und deren Ranken sich in den See und darüber hinaus ergossen. Albur bewunderte ihre Schönheit und spürte, wie sie auf ihn überging, ein überwältigendes Gefühl, das sich mit ungekannten Wellen seines Körpers und seines Leibes bemächtigte, er ließ es zu - er wusste, dass es ein Geschenk ist.

Was er nicht wusste, war, dass die unschuldige Liebe Ademarions und Talvariells in den Magierkriegen befleckt worden war, zumindest würden es die Elfen so sehen. Und so war das Liebespaar nicht nur die Ahnen der abertausenden Rosen am Ufer des Sees, sondern auch - ungewollt - die der wilden Ranken an dessen Grund, nicht bösartig, nicht gutartig, aber dennoch ein Schandfleck auf der ewigen Liebe der beiden. Einem Bund, dem Albur nun beigetreten war. Aber all dies kümmerte ihn nicht, das Gefühl war überwältigend und er hatte keine Gedanken dafür übrig, nicht dafür, nicht für die gräflichen Gesandten, die seine Burg besucht hatten und auch noch nicht für die Reise nach Monvaldorn, wo das Concilium der Königlichen Vögte alsbald tagen würde. Das waren Dinge die ihn Morgen kümmern würden, jetzt hing er dem Geschenk nach, von dem er noch nicht wusste, was es war, aber er wusste Menschen würden dieses Geschenk nur bedingt verstehen…das letzte was er sah, bevor ihn das Gefühl übermannte, war der Schemen eines alten Turmes, der mit glühenden Symbolen übersät war und der von der Sonne verbrannt wurde und in Flammen aufging, der Schmerz den die Rosen dabei empfanden, dauerte ihn.

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(*)siehe Kaufabenteuer "Zwischen den Fronten" in der Abenteuer-Anthologie "Ehrenhändel".