Geschichten:Eine Grafschaft zu ordnen – Von Almada nach Eslamsgrund
Almada im Rondra 1046 BF - Auf dem Weg zum Grafen von Eslamsgrund
Das gleichmäßige Hufgeklapper auf der Straße nach Eslamsgrund war das Einzige, was die Stille durchbrach. Venward ritt in aufrechter Haltung, die Zügel locker in der Hand. Neben ihm ritt Errubia, die Botenreiterin der Familia Valdecorneja, in korrekter, aufrechter Haltung, ihre Augen stets wachsam auf die Umgebung gerichtet. Sie war von seiner Schwiegerfamilie mitgeschickt worden, um ihn zu begleiten und wohl auch zu berichten. Obwohl sie ihre Aufgabe mit Präzision erfüllte, hatte Venward das Gefühl, dass sie ihre eigenen Gedanken hegte.
„Herr von Rammelbast, wenn ich mir die Frage erlauben darf,“ begann Errubia, ohne ihren Blick von der Straße abzuwenden, „wie empfindet Ihr die bevorstehende Ernennung zum Junker? Es ist sicherlich eine andere Art von Verantwortung als das, was Ihr in der Vergangenheit gewohnt wart.“
Venward verzog leicht den Mund. „Eine höflich formulierte Frage, Errubia. Und ja, es ist eine Verantwortung, die ich so nicht erwartet habe. Früher musste ich nur darauf achten, dass mein Schwert scharf, mein Verstand wachsam und der Bogen schnell zur Hand ist. Jetzt soll ich mich um Weinberge, Äcker und Menschen kümmern. Ich frage mich, ob ich für Letzteres wirklich geeignet bin.“
Errubia hielt einen Augenblick inne, als ob sie überlegte, ob sie darauf antworten sollte. „Mit Verlaub, Herr, man sagt, dass der Übergang von Abenteurer zu Verwalter nicht selten eine Herausforderung ist. Aber Ihr habt bereits gezeigt, dass Ihr Euch an neue Situationen anpassen könnt.“
Venward hob leicht eine Augenbraue, mehr aus Überraschung über ihre Worte als aus Kritik. „Vielleicht habt Ihr recht. Aber wenn Ihr mich vor fünf Jahren gefragt hättet, ob ich den Unterschied zwischen einem guten und einem schlechten Weinjahr erkennen könnte, hätte ich vermutlich gelacht. Heute muss ich mich tatsächlich damit beschäftigen.“ Er schnaubte, fast schon belustigt. „Ich hätte nie gedacht, dass das Schicksal mich zu einem Weinkenner macht.“
Errubia, förmlich wie immer, erlaubte sich ein kaum wahrnehmbares Lächeln. „Das Leben nimmt manchmal unerwartete Wendungen, Herr.“ Nach einem Moment des Schweigens setzte sie erneut an. „Verzeiht, wenn dies eine zu persönliche Frage ist, aber… was denkt Ihr über Eure Schwester, Alingard? Hätte sie nicht die gleiche Ehre verdienen können, die Euch zuteil wurde?“
Venwards Miene veränderte sich leicht. Ein kurzes Lächeln huschte über sein Gesicht, als er an Alingard dachte. „Alingard… Sie ist nicht wie ich. Sie ist ungestüm und unbeherrscht, und sie führt ihr Rittergut mit militärischer Hand – dabei wohl zumindest nicht erfolglos, was ich gehört habe. Vielleicht ist das sogar der Grund, warum der Graf sie nicht als Junkerin für Birkenweiher in Betracht zog. Alingard würde das Lehen wie ein Schlachtfeld regieren – eine stolze, unbarmherzige Disziplin für die Felder und Leute.“
Errubia nickte leicht. „Vielleicht, doch ist es nicht ungewöhnlich, einer Familie ohne viel Historie ein zweites Lehen anzuvertrauen? Der Graf scheint sich etwas dabei zu denken.“
Venward schnaubte leise und schüttelte den Kopf. „Es ist ein kluger Zug – oder vielleicht nur ein riskanter. Unsere Familie hat sich bisher aus größeren politischen Angelegenheiten herausgehalten, und jetzt vertraut er mir bzw. der Familie ein zweites Lehen an, diesmal gar als Junker. Ich frage mich, ob er glaubt, dass die Rammelbasts an Einfluss gewinnen sollten.“ Er seufzte. „Vielleicht hofft er auf Stabilität oder… auf Bewegung in einem stagnierenden Lehen.“
Errubia hielt weiterhin ihre formelle Haltung, antwortete aber mit ruhigem Ton: „Glaubt Ihr, Herr, dass sie deswegen Groll hegt?“
Venward blickte in die Ferne und dachte nach. „Alingard ist niemand, die ihre Enttäuschung offen zeigt. Aber ich gehe davon aus, dass sie wütend war. Für sie bedeutet ein Lehen Macht, und Macht bedeutet Ehre. Dass ich, ihr jüngerer Bruder, das Lehen erhalten habe, kratzt sicher an ihrem Stolz. Doch sie wird das sicher nicht zugeben. Sie wird weiter ihren eigenen Weg gehen, ihre Klinge sprechen lassen, und vielleicht ist das sogar das Beste für sie.“
Errubia schwieg einen Moment, bevor sie antwortete: „Ihr kennt Eure Schwester gut, Herr.“
Venward nickte. „Naja, ich habe sie lange nicht gesehen. Aber die Seele eines Menschen hat einen vorbestimmten Pfad. Sie weiß, dass sie manchmal zu ungestüm ist. Aber ich weiß – und ich bin mir sicher, sie weiß es auch –, dass sie stark bleibt. Vielleicht nicht als Junkerin, aber ganz sicher als Ritterin.“ Ein Hauch von Melancholie lag in seiner Stimme, als er in Gedanken versank.