Geschichten:Eine Grafschaft zu ordnen - Im Haus des Gallsteiners
Burg Mor’Tres, freiherrlich Gallstein, Ende Rondra 1046 BF
Der Gallsteiner machte keinen Hehl daraus, dass ihm Besuch nicht sonderlich lieb war. Doch kam er seiner Gastgeberpflicht nach und das musste vorerst reichen. Auffällig war, dass der Baron die Gruppe, bis auf den Silberblicker Junker und ein paar Wachen, allein empfing. Seine Tochter war vor einiger Zeit verstorben und hatte zuletzt auch in Waldstein gelebt, ebenso war die Gattin des Gallsteiners über das Nirgendmeer gegangen, von seinem Sohn fehlte angeblich seit ein paar Jahren jede Spur, manche wollten ihn aber immer mal wieder irgendwo gesichtet haben, diverseste Gerüchte gab es darum allemal. “Nun, Eure Vorankündigung besagt ihr wäret im Auftrag des neuen Grafen und seiner Inventur unterwegs? Hört, hört. Und wer von euch, führt diese Unternehmung an?”
Die Stimme des Barons dröhnte durch den Saal, kräftig aber nicht unnötig laut, und tatsächlich hatte er die Gruppe auf dem falschen Fuß erwischt, nach dem Abschied vom Landvogt war nicht wirklich klar wer dessen Stelle einnehmen würde. Sie alle waren Ritter, aber nur der Neue, Venward, war ein Junker und war von daher so gesehen der Ranghöchste unter ihnen, wenn auch erst seit ein paar Tagen, allerdings war er auch erst diese wenigen Tage mit ihnen unterwegs. So herrschte ein paar Augenblicke unangenehme Stille, bis sich Bardsam von Garm, immerhin Bundesbruder des Barons, ein Herz nahm. Bardsam wusste zwar, dass dem Gallsteiner seine Nähe zur caldaistischen Bewegung missfiel, aber dennoch war Bardsam damals in den Bund aufgenommen worden. “Euer Hochgeboren, Bundesbruder,...”, hier knirschten die ledernen Handschuhe des Barons kurz, “...zuletzt begleitete uns der neue Landvogt der gräflichen Lande, nun hat ihn der Graf aber für andere Aufgaben abberufen, hier in Gallstein will ich als Sprecher dieser abgesandten Gruppe dienen.” Yendor Falkwin Limpurg von Gallstein, gab sich mit dieser Antwort zufrieden, auch wenn sein Gesicht eine andere Sprache sprach. Nur ein kurzes belustigtes Lächeln, bei der Nennung des neuen Landvogts, erhellte die finstere Mine kurz. “So, vier höllenwallsche Ritter, …”, - “Es heisst nun Monvaldorn.”, merkte die Hogenthalerin an und merkte sofort, dass dies keine gute Idee gewesen war. “Ist mir gleich und wehe Euch Ihr unterbrecht mich nochmal. Vier Ritter und ein frischgebackener, entwurzelter Junker als des Grafen Inventuriale, nun gut, nach welcherlei Wissen dürstet es diesen denn, vllt kann der Gallsteiner Baron ihm ja das Wasser reichen.”
Der Ritter von Garm schluckte einmal deutlich hörbar, auch oder gerade er hatte gehörigen Respekt vor dem Baron, dessen Name allein bei anderen für wackelige Knie sorgten, dies hatte sich mit der Fehde nur noch verstärkt, aus der die Pulethaner und damit er Gallsteiner wieder gestärkt hervorgegangen waren, vor allem hier in Eslamsgrund.
“Euer Hochgeboren, es geht um nicht mehr und nicht weniger, als eine schlichte Inventur Eslamsgrunds, zu lange regierten Ignoranz, Verklärtheit oder eigennütziges Machtstreben diese Lande, sagt der Graf, er will Ordnung in die Lande bringen und will sich dafür einen umfassenden Überblick verschaffen, dafür benötigen wir nur Euer Einverständnis einiger eurer Archivalien zu sichten, eure Vasallen und Schutzbefohlenen zu befragen und einen Bericht durch Euch.”
Der Baron ließ ein unterdrücktes Lachen vernehmen, kraulte dann die Katze auf seinem Schoß erneut, bevor er sie unwirsch davon scheuchte. “Ordnung will der Graf nun bringen, das nenne ich ein Wort und ein wahrlich praiosgefälliges Vorhaben, das ich natürlich nur unterstützen kann. Dann könnt ihr ihm aber auch berichten, dass ich und die Pulethaner es waren, die das Banner der Ordnung bis zuletzt aufrecht hielten, damit es nicht in Schmutz und Blut lande und darin ertrinke. Das waren wir!” Bardsam lenkte das Gespräch in die entsprechende Richtung, es war offensichtlich, dass er die Ansicht des Gallsteiners teilte: “Ihr sprecht auf Euer beherztes Eingreifen in der Fehde an?!” - “Ganz richtig, Garm, nach dem der Höllenwaller die Ordnung und vor allem uns, seine Bundesgeschwister(!!!), betrogen und verraten hatte und die Leuin Blut forderte versank das Königreich und auch Eslamsgrund im Chaos, da auf dem Grafenthron ein untätiger und weltfremder Träumer saß, der zwar von Untergang faselte, aber diesem nichts entgegen zu setzen vermochte oder wollte. Schlunder und Reichsforster sammelten sich an unseren Grenzen oder nutzten unsere Lande als Passage. Auch die Kaisermärker hatten Blut geleckt, auch wenn unser Bundes...'bruder' Ugo von Mühlingen damals einen Übergriff auf diese Lande verhindern konnte. Er, als ‘Erster im Bunde’’, diese Worte spie der Gallsteiner mit verächtlicher Ironie aus, hatte er dem Mühlinger doch nie wirklich die ‘Unfehde’ zwischen Puletahnern und Pfortenrittern verziehen, “Er riet uns damals auch, ein Zeichen zu setzen, denen zuvor zukommen, die gierig auf unsere Lande schauten. Wir befanden sein Rat zwar anmassend, aber durchaus als rechtens und billig.” Dem Garm huschte ein schmales Lächeln über die Lippen, als er sich daran erinnerte, dass es nicht nur der alte Ugo, sondern eben auch Selo von Pfiffenstock gewesen war, der den Pulethanern dazu geraten hatte. Doch seine Lippen blieben wohlweislich geschlossen und so fuhr der Baron fort. “Der Blutige Ugo selber hatte nicht eingreifen können oder besser wollen, war er doch gebunden an der Königin Seite.”, auch hier war wiederum klar wie die Meinung des Gallsteiners darum stand, “Also entschieden wir uns, vom Bund zur Wahrung der praiosgefälligen Ordnung, genau diese Ordnung in Eslamsgrund festzuhalten, an der Spitze der Eslamsgrunder, die uns folgten, wissend wer als einziges einen Einfall in unsere Lande verhindern würde. Ein weiser Entschluss, so konnte der alte Graf seinen Weissagungen nachhängen und der neue Graf nun in Ruhe seine Inventur machen, ohne dass er verbrannten Boden vorfindet.”
‘Außer in Höllenwall..’, dachte sich der Malagant, doch selbst er traute sich nicht, dies hier und jetzt laut auszusprechen.
“Dies führt uns zu einem weiteren glorreichen Einsatz für die praiosgefällige Ordnung.”, dem Garm troff der Schleim förmlich von seinen Worten, ein Umstand, den der Gallsteiner, der keine Schmeichler leiden konnte, mit einem abfälligen Blick quittierte, so das Ritter Bardsam etwas peinlich berührt weniger schleimerisch fortfuhr. “Ich spreche natürlich auf den Fuchsaufstand an.” - “Natürlich sprecht Ihr darauf an, Ritter Bardsam, wie könnt Ihr auch nicht, war dieser doch eine wahrliche Schande für unser Land. Ein selbsternannter Graf samt ungehörigem Fuchsprinzlein, der die Ordnung stürzen will, ein echter Graf, der feige vor solchen kuscht und etliche Eslamsgrunder ‘Edelleute’, die diesen falschen Fuchsigern auch noch jubelnd hinterherliefen und andere die abwarteten was passiert. Aber ich und die Pulethaner standen der Königin, dem jetzigen Grafen und der Goldenen Lanze zur Seite, gaben ihnen Kampfkraft und erinnerten somit alle hier an die praiosgegebene Ordnung und die Pflicht des Adels. Wir stellten uns direkt gegen den Verräter Malwarth und prangerten erneut die Zurückhaltung und Feigheit eines Siegeshart VON EHRENSTEIN an, dessen feiger Rückzug von seiner Pflicht ebenso zu diesem Aufstand beigetragen hat. Wir haben die Zeichen der Zeit erkannt. Als erste bekam dies meine eigene schändliche Vasallin samt ihrer ganzen verfluchten Brut zu spüren, die sich doch tatsächlich erdreistet hatte sich diesem aufständischen Pack anzuschließen.” Der Gallsteiner lächelte und schielte kurz auf einen blutverschmierten, gespaltenen Wappenschild, der das Wappen Raulingens zeigte. Ritter Bardsam, der noch in der Schlacht am Tal der Kaiser, die Seiten gewechselt hatte, wusste, dass der Gallsteiner mit der Ritterin auf dem Schlachtfeld kurzen Prozess gemacht hatte, es war einer Hinrichtung gleichkommen - angeklagt, verurteilt, enthauptet wegen Verrat und Ungehorsam.
“Und der Baron von Zagbar und der von Haselhain, standen die Eurem Bund nicht auch nahe, aber auf der anderen Seite?”, alle schauten erschrocken hinüber zu Venward von Rammelbast, der schlicht ausgesprochen hatten, was sich die meisten hier gedacht hatten. “Ah, ein Mutiger unter den Herrschaften. Solche Wahrhaftigen braucht es.”, der Gallsteiner Baron blickte beinahe anerkennend auf Venward herab und dann wieder kritisch hinüber zu Ritter Bardsam. “Ein dreister Umstand, braucht dreiste Fragen. Denn Ihr sprecht wahr, wenn Ihr über Selo von Pfiffenstock und Olruk von Eslamsgrund sprecht. Ersterer, schon immer nur ein klägliches Abbild seines großen, großen Bruders gewesen, war tatsächlich einer der unsrigen und zweiterer, eine Ratte wie es Malwarth selbst ist, er stand uns nur nahe, wenn überhaupt, aber ward keiner von uns. Und dennoch sprachen wir Pulethaner den Bann und die Ächtung unseres Bundes über sie nach ihrem Verrat an unseren Werten. Und während der eine nun ein unwürdiges Leben, welches dem Erbe seines wahrhaftigen Bruders nicht gerecht wird, irgendwo im Wall fristet, würde ich den anderen nur zu gerne in die Finger bekommen, doch sitzt er im Hausarrest in seiner eigenen Baronie und harrt einer derzeitigen Untersuchung durch die Landrichterin. Welch schauderlicher Umstand, das solche noch leben, während unsere großen Bundesbrüder schon lange gefallen sind. Und der Blutige Ugo folgte diesen Großen nun in der Schlacht am Tal der Kaiser.” Auf diese Aussage hin, welche den Mühlinger wohl absichtlich hint an stellte, ließ der Baron dunklen Wein heranbringen, sogar für die Gäste, und ließ auf seine großen Freunde - und explizit nicht Ugo - anstoßen. Die Laune des Gallsteiners verschlechterte sich daraufhin und er vertagte den Rest des Besuchs auf den morgigen Tag, nicht ohne den Gästen noch ihre durchaus passablen Bettstätten herrichten zu lassen, aus deren schmalen, dunkelgrün verglasten Fenstern, sie das nächtliche Gallstein erblickten, dessen Boden in Teilen von Nebel überzogen war und ein schwaches phosphorisierendes Glimmen von sich gab, so schien es zumindest, als das Mondlicht darauf nieder fiel.
