Geschichten:Eine Hochzeit und eine Ankunft
Burg Orbetreu, 14. Rondra 1035 BF
Haldora von Schwingenfels war auf der Suche nach ihrem Gemahl. Er hatte diese Angewohnheit entwickelt, sich zurückziehen und über seinen Gedanken zu brüten, wenn ihm etwas nicht passte. Auf Weizengrund hatte er sich aus diesem Grund das Turmgemach hergerichtet. Es war dort zugig und bei Regen tropfte es durch die Decke. Unmerklich musste Haldora lächeln, wenn sie daran dachte, wofür das Turmgemach auf Weizengrund auch schon herhalten musste.
Sie ging in Richtung der Familienunterkünfte. Auf dem Gang sah sie Oderik, der in Gedanken auf den Burghof schaute. „Was stehst Du hier alleine auf dem Gang?“ sprach sie ihn an. „Die Feier findet ihm Palas statt!“ Oderik drehte sich zu ihr um. „Eigentlich sollte ich mich für Rondrara und Voltan freuen, aber die Nachrichten aus Rankaraliretena sorgen nicht gerade dafür, dass ich der beste Gast auf einer Hochzeit bin.“
Haldora streichelte kurz über seine Wange. „He, Du Brummbär, lass Dir davon doch nicht die Stimmung versauen!“ Oderik nickte. „Vermutlich hast Du recht, aber trotzdem muss ich daran denken, dass es erneut Kämpfe in Hartsteen geben wird. Weißt Du, man wird sich in der Reichsstadt zu Verhandlungen treffen. Und ich befürchte, dass auch die Natterndorner Fehde zum Gegenstand der Verhandlungen wird.“ Haldora nickte verstehend.
Währenddessen auf der Feier
Borstefred von Katterquell und Raul von Unternatzung sprachen dem Alkohol zu und zechten bereits den gesamten Abend. Hadrumir von Schwingenfels hielt sich zurück. Er wusste, dass die Niederkunft Taniras unmittelbar bevorstehen konnte. Die beiden Saufkumpane hatten sich zwar über seine Zurückhaltung lustig gemacht, doch war ihm dies egal. Eigentlich hatten sich beide schon den ganzen Abend über alles und jeden lustig gemacht. Angefangen bei den Brautleuten und die Umstände der ungewollten Schwangerschaft Rondraras, welche zu dieser Hochzeit geführt hatte, über Geismar von Quintian-Quandt bis zu Graf Luidor.
Hadrumir war trotz allem nervös. Es war zwar Taniras vierte Schwangerschaft und die Hebamme hatte gemeint, dass es noch gut einen Monat bis zur Niederkunft dauern könnte, doch Tanira hatte sich am Morgen nicht besonders gefühlt. Dieser Umstand war anders als bei den bisherigen Schwangerschaften.
Borstefred erhob sich schwankend und suchte den Abort auf, während sich Raul seine junge Frau schnappte und sie auf seinen Schoß zog. Ein Schmunzeln zeigte sich auf Hadrumirs Gesicht. „Du scheinst in Deiner Rolle als Junker aufzugehen.“ Raul löste sich kurz von seiner Frau und schaute zu seinem Freund herüber. „Nun, ich tue, was ich kann! Schließlich soll der Name Unternatzung doch bestehen bleiben.“ „Das erscheint mir eine weise Entscheidung.“ „Was wird als nächstes geschehen?“ Hadrumir räusperte sich. „Nun, ich wurde zu den Verhandlungen der Krone in die Reichsstadt berufen.“ Raul wirkte interessiert. „Mit welchem Ergebnis rechnest Du?“
Ehe Hadrumir antworten konnte, stürmte eine Zofe in den Saal herein. „Euer Hochgeboren, es ist soweit!“ flüsterte sie Hadrumir zu. Dieser erhob sich und verließ die Hochzeitsfeier.