Geschichten:Eine Stadtgarde für Hahnendorf 6
Mitte Rondra 1029 BF, Ratsversammlung der Stadt Hahnendorf
"… und deshalb meine ich, dass wir nicht umhin können, eine Garde aufzustellen.", beendete Stadtrat Baltram Helmisch seine Ansprache an den Stadtrat.
"Helmisch, Helmisch", begann Stadtmeister Welzelin sichtlich genervt, "Wer soll das bezahlen?"
"Die Einnahmen, die der Vogt uns vorenthält, sollten die Ausgaben decken.", antwortete dieser.
Welzelin fuhr ärgerlich fort, "Aber wo um alles in der Welt wollt ihr jemanden herholen, der diese Aufgabe ausführen soll? Der Vogt wird ihn bei erster Gelegenheit erschlagen…"
Die Ratsmitglieder nickten und schauten missmutig auf Baltram.
Der hatte die Frage erwartet und lächelte, "Ich habe bereits jemanden gefunden. Wenn ihr erlaubt, hole ich ihn herein?"
Die Mitglieder des Stadtrates schauten sich ungläubig an, nickten dann aber. Baltram ging zur Tür des Saales, öffnete diese und winkte jemanden zu sich. Amüsiert betrachtete er die Reaktionen seiner Ratskollegen, als diese fassungslos den vermummten Neuankömmling anstarrten.
Ratsmeister Welzelin fing sich zuerst. "Wer... Wer ist das?", stotterte er.
Irean zog den Teil des Turbans weg, der seine untere Gesichtshälfte bedeckte. Gebannt starrten die Ratsmitglieder in das Gesicht mit den blauen Augen.
"Mein Name ist Irean ibn Yantur. Wie ich hörte, sucht Ihr jemanden, der Euch vor dem Vogt beschützt."
Unter den Ratsmitgliedern setzte Getuschel ein.
"Helmisch, wie kommt ihr darauf, dass wir einen …", Welzelin zögerte, "… Fremden für so eine Aufgabe einstellen?"
Baltram lächelte weiter, als Irean antwortete, "Mein Vater war Yantur von Gippelstein." Das Raunen im Saal verstummte.
"Wie ihr seht, ist unser Gast keineswegs fremd.", meinte Baltram ironisch.
"Ihr seid der Sohn des alten Gippelsteiners? Könnt ihr das beweisen?", fragte Welzelin misstrauisch.
Irean schüttelte leicht den Kopf, "Nein, aber ich werde einen Beweis finden."
Welzelin verzog das Gesicht, "Mir gefällt das nicht. Das gibt nur böses Blut. Dem Baron wird das nicht gefallen, und dem Vogt schon gar nicht. Zudem, seid ihr überhaupt in der Lage, dem Vogt stand zu halten? Ihr wäret nicht der erste, der seiner Henkersaxt zum Opfer fiele..."
Irean nahm nun den ganzen Turban ab. Erstaunt starrten die Ratsmitglieder auf seinen kahl rasierten Schädel.
"Ich diene dem Sohn Rondras und bin noch keinem Kampf ausgewichen. Dass ich hier lebendig stehe, mag euch als Beweis meiner Fähigkeiten dienen.", antwortete Irean, "Zudem verlange ich für meine Dienste nur wenig. Gewährt mir nur freie Unterkunft und Kost und ich werde eurer Stadt dienen. Solange, bis ich meine Abstammung beweisen und mein Erbe antreten kann."
"Nun…", der Stadtmeister schaute ratlos in die Runde, "… ich denke, wir müssen darüber beraten."