Geschichten:Eine gräfliche Hochzeit

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Dramatis Personae, oder: Die illustre Reisegesellschaft aus dem Herzen des Reiches:


Burg Rotdorn, Gräflich Pallingen, Grafschaft Bärwalde, Herzogtum Weiden, 14. Travia 1043 BF:

Die Reisekoffer und -kisten waren verstaut, nun hieß es warten. Die schwarze Kutsche des Hauses Aimar-Gor stand abfahrbereit im Burghof der gräflichen Feste Rotdorn, was für den ein oder anderen Schaulustigen zu einem sehenswerten Spektakel wurde. Mit gebotener Haltung standen die Leibpagen Salix und Siyandrion vor dem Gefährt, auf dem das Wappen des Hauses, ein roter Hummer (manche mögen sagen Malmer) auf Weiß prangerte und warteten auf ihren Herren. Der noch jugendlich wirkende Privatsekretär Romelio von Agur schritt die Szenerie ab, strich den beiden Knappen Salix Borontreu von Zolipantessa und Tolmario Silem von Aralzin noch einmal ihren Waffenrock zurecht und nahm dann neben dem Leibdiener Amar Feqzaïl ebenfalls vor der Kutsche Aufstellung.

Was für eine bemerkenswerte Hochzeitfeierlichkeit, die zu Ehren von Gräfin Griseldis von Pallingen und Aldron von Rabenmund zelebriert wurde, dachte sich Romelio im Stillen. Wobei, war nicht eigentlich jede Grafenhochzeit bemerkenswert? Sein Dienstherr reiste gerne nach Weiden, sei es wegen der Ursprünglichkeit des Landes oder der stattlichen Weidener Ritter, für die sein Dienstherr bekanntermaßen eine Schwäche hatte, Romelio war sich nicht sicher. Vermutlich eher letzteres.

Schließlich war es soweit und Reichsvogt Reto Eorcaïdos von Aimar-Gor trat an der Seite von Baron Arbolf von Pandlaril aus dem Palas. Beide sahen sehr zufrieden aus und schüttelten sich lächelnd die Hände. Der junge, überaus gutaussehende Neffe des Weideners, Wulthos von Pandlaril, folgte ihnen einen Augenblick später.

„Es ist Zeit aufzubrechen“, mit diesen Worten klettert Reto in die schwarze Kutsche, Romelio folgte ihm. Die beiden Pagen nahmen hinten auf der Kutsche Platz, während die Knappen Salix, Tolmario und Wulthos auf ihren Pferden Platz nahmen. Zwei mit Säbeln bewehrte Kriegerinnen der Rash'Waharis, der Hausgarde der Aimar-Gor, bildeten den Abschluss. Mit einem Ruck setzte sich die Kutsche in Bewegung.

„Wie mir scheint, bringt ihr von Hochzeiten immer irgendjemanden mit nach Hause… bei der Rommilyser war es der Aralzin, dieses Mal den Pandlaril“, bemerkte Romelio und konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. „Wird das zu einer Marotte?“

„Nun, am Ende fügt sich stets alles, wie es sich fügen soll“, Reto lächelte süffisant, „womöglich ist es so eine Rabenmund-Sache, bedenke, bei beiden Hochzeiten war das Haus Rabenmund beteiligt. Nicht, dass ich dieses Haus groß schätzen würde, das sicher nicht. Alles Verräter in meinen Augen.“

„Glaubt Ihr, mit dem Pandlaril wird’s funktionieren?“, Romelio runzelte zweifelnd seine Stirn. „Zwei Knappenväter haben ihn schon rausgeworfen.“

„Es ist alles eine Sache der Herangehensweise, mein lieber Romelio. Jeder hat seinen Platz, doch nicht jeder hat ihn bereits gefunden. Erinnere dich an Tolmario, wie unglücklich er war, weil er eine klassische Ritterausbildung in Weiden beginnen sollte. Und nun, der Junge ist aufgeblüht wie eine aranische Rose. Und warum? Weil ich ihm den Raum und die Möglichkeiten gebe, sich zu entfalten. Sein Steckenpferd ist die Alchemie, nicht die Tjoste. Sei es drum. Wird er ein passabler Tjoster und Schwertkämpfer werden? Vermutlich nicht. Dafür aber ein überaus begabter Alchemist. Eine ritterliche Seele wird er jedoch trotzdem haben. Das Reich kann nicht nur aus Tjostern und Schwertmeistern bestehen. Auch unser neuer Begleiter Wulthos hat sein Herz am rechten Fleck, das hat er während der letzten Tage sehr eindeutig und eindrucksvoll gezeigt. Er mag noch ungestüm und haltlos sein, aber auch er wird eine Begabung für etwas haben und das werde ich dann fördern. Womöglich ist er für das Feld der Diplomatie zu begeistern? Für das höfische Zeremoniell? Wir werden es sehen.“

„Ihr seid ihm wohl schon jetzt sehr zugetan, Herr.“ Romelio wusste, diese kleinen Unverschämtheiten durfte er sich seinem Herrn gegenüber erlauben.

„Ja, du magst recht haben, mein Lieber. Vermutlich sehe ich sehr viel von mir in ihm, du wirst es kaum glauben, auch ich war mal jung.“ Reto zwinkerte seinem Privatsekretär zu. „Doch bin ich am Perricumer Hof aufgewachsen, nachdem meine Familie unsere aranische Heimat verlassen musste. In Perricum ist vieles anders als im Herzen des Reiches oder gar in der Mittnacht.“

„Aber Weiden hat es Euch angetan, nicht war, Herr?“ Wieder war da so ein verschmitztes Lächeln.

„Ach Romelio, ich habe den Spendenzug für die Ostmarken organisiert, an dem Vertragswerk von Mantrash'Mor zwischen den Kaiserreichen mitgewirkt, die Geheimakte 'Jadekrieger' zwischen dem Reich und Al'Anfa verhandelt, die den Status von Hôt-Alem auf alle Zeiten festsetzt. Bei der letzten großen hochadligen Hochzeit in Rommilys habe ich den Knappen-Vertrag, der die Ausbildung der Knappen zwischen den Reichen definiert, mit verfasst. Ich muss gestehen, diese Hochzeit war erfrischend anders und ja, ich bin hier gerne zu Gast.“ Reto blickte auf den Orden, den ihm die Bärwalder Gräfin verliehen hatte. Romelio erkannte sofort, sein Herr war aufrichtig gerührt über diese Ehre. „Nie werde ich das weidnerisch rustikale Frühstück mit der nunmehrigen Altgräfin vergessen, das unsere Schicksalsgemeinschaft zusammengeführt hat. Wusstest du, dass sich der hiesige Adel Otter als tierische Gefährten hält? Faszinierend, oder etwa nicht?“

„Was die Weidener wohl über Euch und Eure Extravaganzen denken mögen?“

„Mein Lieber Romelio, auch ich spiele nur eine Rolle, eine Rolle, die mir wahrlich auf den stattlichen Leib geschneidert wurde, das wohl“, Reto kicherte vergnügt. „So mag mich einer affektiert, oberflächlich oder was auch immer schimpfen. Bedenke, wenn das Reich mich ruft, oder ein treuer Versal der Krone, dann stehe ich bereit. Ich mache das alles nicht für Gold oder Anerkennung. Ich bin ein Mann des Reiches, das zu tun ist meine Pflicht. Mein einziger Lohn sind Verbindungen, lieber Romelio, Netzwerke, das ist mir Dank genug. Dank meines 'Ausfluges' in den Bärwald mit meinen unerschrockenen Kampfgenossen, die wahrlich bemerkenswert angenehme und aufrichtige Abenteuer-Gefährten waren, wird mich das Schicksal sicherlich wieder in die Mittnacht führen und wer weiß, vielleicht hat unser neuster Gefährte“, Reto blickte mit einem verschmitzten Lächeln zu Wulthos, der neben der Kutsche herritt, „ja dann auch die Muße uns in seine Heimat zu begleiten, um Weiden zu zeigen, was für ein toller Recke des Reiches aus ihm geworden ist. So oder so, ich freue mich auf ein Wiedersehen!“

Nachdem die Kutsche die Holzbrücke von Burg Rotdorn überquert hatte, nahm die Reisegesellschaft deutlich an Fahrt auf. Unvermittelt tauchte linker Hand ein Reiter neben der Kutsche auf. Erstaunt gab Reto dem Kutscher zu verstehen, langsamer zu fahren und öffnete das Fenster.

"Hochgeboren", sprach der Reiter etwas außer Atem, "verzeiht die Störung, aber ich muss Euch bitten, Eure Abreise zu verschieben." Mit diesen Worten überreichte er dem Reichsvogt der Gerbaldsmark einen gesiegelten Umschlag.