Geschichten:Eine zufällige Begegnung

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Am Abend nach der zweiten Finalrunde schlenderten die Pfortenritter Erlan, Rondradan, Korhilda, Wolfaran und Nimmgalf in Begleitung Tsaianes in Richtung des großen Festzeltes auf der Wiese vor Schloss Auenwacht, wo zu diesem Zeitpunkt schon eine ausgelassene Stimmung herrschte.

Als sie das Zelt betreten wollten, kam just in diesem Moment eine junge Frau mit einem Bierhumpen heraus, die Nimmgalf versehentlich anrempelte, wobei etwas Bier auf seinen Ärmel verschüttet wurde.

"Pass doch auf, Tölpel!" fuhr er sie unbeherrscht an, und wischte sich mit der Hand das Bier vom Ärmel. Die Frau erschrak heftig und stammelte ein paar Worte der Entschuldigung. "Pack dich! Aus meinen Augen!" unterbrach sie der Baron barsch. Sofort macht sie sich aus dem Staub.

"Das war jetzt aber nicht nett von dir, Nimmgalf!", tadelte ihn Korhilda, nachdem die junge Frau weg war. "Die Dame konnte doch nicht ahnen, dass du so aprupt um die Ecke kommst. An dem Anrempler trägst du mindestens so viel Schuld wie sie."

"Das war übrigens eine meiner Ritterinnen aus Rubreth, die du da gerade angeraunzt hast, Nimmgalf", bemerkte Rondradan ebenfalls tadelnd. "Sie war meine Sekundantin bei meinem Duell aufs dritte Blut gegen den Erlenfaller, wo sie mir sehr geholfen hat. Ihr Name ist Ryane von Rosenstein."

"So?" fragte Nimmgalf etwas überrascht.

"Ja, richtig!" ergänzte Tsaiane. "Sie dient ausserdem im Reichsforster Grafenbann in Untergras. Und nebenbei habe ich sie in letzter Zeit auch häufiger auf Turnieren gesehen. Und sie tjostet durchaus passabel. Aus ihr könnte mal was werden."

"Tatsächlich?" Nimmgalf bekam ein schlechtes Gewissen.

"Ach wisst ihr, geht doch schon mal vor. Ich... habe noch kurz etwas zu erledigen", zwinkerte er ihnen zu. Er holte sich einen vollen Humpen und ging der jungen Frau hinterher.

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Er fand die junge Frau an einer der Bierbänke, wo sie sich alleine etwas abseits von den anderen Feiernden hingesetzt hatte. Offensichtlich hatte sie hier kaum Bekannte oder Freunde. Nimmgalf hörte, wie sie mit sich selber sprach. Sie schalt sich selbst ein dummes Huhn, und dass sie sich nun wohl alles vermasselt habe. In ihren Worten lag bittere Enttäuschung.

Der Baron atmete einmal kurz durch und trat dann an die Frau heran. "Ich nehme mal an, dieser Platz ist noch frei?" fragte er forsch, setzte sich ohne auf eine Antwort zu warten ihr gleich gegenüber und stellte seinen Bierhumpen vor sich ab.

Die junge Frau blickte ihn völlig überrascht mit großen Augen an und ihr Herz wäre fast entzwei gesprungen. Wie das Kaninchen vor der Schlange war sie nicht in der Lage irgendein Wort hervorzubringen.

"Ich bin hier wegen einer Entschuldigung!" sagte Nimmgalf und blickte sie streng an.

"Ich... oh... ja natürlich, Euer Ho...Hochgeboren, ich bitte Euch vielmals um..."

"Wartet!" unterbrach Nimmgalf ihr Gestammel und seine Züge wurden gleich viel freundlicher. "Ihr mißvertseht mich: ich bin derjenige, der sich entschuldigen muss!"

Ryane starrte den Baron mit halboffenem Mund an. Hatte sie sich da wirklich nicht verhört?

"Niemand hat es verdient, wegen so einer Lappalie so angeraunzt zu werden. Meine Reaktion war völlig unangebracht, und ich möchte mich nun in aller Form bei Euch entschuldigen, Hohe Dame..."

Ryane starrte ihn weiter wie in Schockstarre an. Passierte das gerade wirklich?

"Würdet Ihr Euch mir denn vorstellen?" fragte er höflich.

"Ja... äh.. also.. Ryane. Ryane von Rosenstein, Ritterin zu Sichelaue, Euer Hochgeboren von Hirschfurten!


"Nehmt Ihr denn meine Entschuldigung an, Ryane?" lächelte er freundlich.

"Aber natürlich! Ist schon vergessen!" nickte sie eifrig. Langsam löste sich ihre Verspannung.

"Na, wundervoll." antwortete der Baron und trank einen Schluck aus seinem Bierhumpen.

"Wie alt seid Ihr, wenn ich fragen darf?"

"Dreiundzwanzig Götterläufe, Euer Hochgeboren!"

"Beinahe so alt wie meine Tochter Irnfrede. Ihr seht ihr auch ein wenig ähnlich", bemerkte er schmunzelnd. "Sichelaue, sagtet Ihr? Das ist doch in Rubreth, meiner Nachbarbaronie, nicht wahr?"

"Ja, das ist richtig! Ich habe die Herrschaft von meinem Onkel Geldrion Drakan von Sichelaue geerbt, der bei einem Turnierunfall verstarb."

"Geldrion Drakan? Das war doch der Älteste der Gemmenritter. Ja, ich erinnere mich noch gut. Er ritt gegen Pfalzgraf Udilbert von Hardt beim 44er Ingerimmsturnier, richtig? Ich selbst war auch dabei und wurde am Ende... Zweiter." Ryane nickte.

Dies war nicht der erste Ritter, dessen Leben in der Tjost durch den rücksichtslosen Stil des Pfalzgrafen beendet wurde. Just im Praios hatte er auch den alten Reto von Luring-Mersingen zu Boron geschickt. Nimmgalf würde sich beizeiten um den Pfalzgrafen kümmern müssen, doch nun gab es erstmal Wichtigeres.

"Und wie gefällt es Euch dort in Sichelaue?" fragte er interessiert.

Nimmgalf macht Ritterin Ryane ein verlockendes Angebot © Nimmgalf

Ryane zuckte ein wenig mit den Schultern. "Nun ja, es ist nicht schlecht. Aber..." "Aber?" Die junge Frau zögerte. "Bitte sprecht nur frei heraus", ermutigte er sie.

Ryane atmete einmal tief durch und dann legte sie los: "Die Burg Sichelaue ist nur eine Ruine und völlig unbewohnbar. Mein Onkel hatte sich dort eine kleine Hütte gebaut, die aber inzwischen auch unbewohnbar ist, da es dort an vielen Stellen reinregnet. Ich musste mir einen kleinen Gutshof anmieten, dessen Pacht fast all meine Einküfte verschlingt. Ich kann mir kaum neue Armschienen für meine alte verbeulte Rüstung leisten. Ich würde so gerne häufiger tjosten, denn ich liebe es so sehr, aber es scheitert bei mir einfach am Geld. Und mein Mann ist mir überhaupt keine Hilfe. Er ist der Vogt von Olbershag und damit auch noch mein Lehnsherr, was es mir nicht gerade leichter macht. Ich verdiene mir ein wenig im Reichsforster Grafenbann bei den Bogenschützen dazu, aber es reicht alles kaum zum Leben. Manchmal wünschte ich, ich hätte das Erbe ausgeschlagen, dann hätte ich weniger Sorgen." Eine kleine Träne rann ihr über die Wange. "Aber ich bin einfach glücklich, dass ich heute hier sein darf. Und, hey, ich spreche gerade mit dem größten Turnierritter Garetiens... aber das wird mir sowieso niemand glauben!" Sie senkte den Blick.

Nimmgalf hörte sich das alles genau an. Die Sorgen der kleinen Leute waren ihm oft so fern wie das Güldenland, da er in völlig anderen Dimensionen zu denken gewohnt war. Doch dieses mal schien es ihn persönlich zu berühren. Und so beschloss er zu helfen.

"Doch, Ryane! Das wird man Euch glauben!" sagte er geheimnisvoll. Erneut sah ihn die junge Frau mit ihren großen blauen Augen an.

"Bei den Schützen in Untergras ist euer Talent völlig verschwendet. Ich werde mich darum kümern, dass ihr nach Samlor zu Kavallerie versetzt werdet: Abteilung schwere Schlachtreiter. Die Formalitäten regle ich mit Rondradan von Pfortenstein. Ihr erhaltet eine komplett neue Rüstung und ein neues Streitross. Solange ihr dort im Grafenbann dient, übernehmen wir auch die Kosten für eure Pacht. Und Ihr werdet die Möglichkeit haben, euch im Tjosten zu üben, denn Ihr werdet den besten Lehrer haben, den Ihr weit und breit finden könnt: mich!"

Erneut war Ryane völlig sprachlos, und ließ den Mund halboffen.

"Nun, was sagt Ihr?"

"Das... das würdet Ihr für mich tun? Ohne Scherz?"

"In solchen Angelegenheiten scherze ich nicht, Ryane!"

"Euer Hochgeboren, ich weiß nicht was ich sagen soll. Ich... wie soll ich Euch das nur jemals vergelten?"

"Indem Ihr mir beweist, was wirklich in Euch steckt. Dass Euch das Tjosten im Blute liegt. Meine Junkerin Tsaiane nannte Euch: einen ungeschliffenen Diamanten. Es reizt mich über alle Maßen zu sehen, was nach dem Schleifen daraus werden kann."

"Oh danke. Danke, danke, danke! Ihr macht mich so glücklich, Euer Hochgeboren."

"So nennt mich doch einfach: Nimmgalf!" er hielt ihr die Hand hin, und sie schlug freudestrahlend ohne zu zögern ein.

Aber nun lasst uns zurück ins Zelt gehen, Ihr könnt Euch mir und meinen Freunden gerne anschließen. Heute wird gefeiert."