Geschichten:Einen Verräter zu fangen - Borons heilige Tugend des Schweigens
Hartwalden, Anfang Hesinde 1038 BF
Der kahle Boron-Priester öffnete die Pforte des kleinen Hartwaldener Tempels und ließ die kalte Winterluft hinein. Mit einem unhörbaren Seufzen betrachtete er die kahlen Gassen des überschaubaren Marktfleckens und schüttelte den feisten Kopf. Er nahm den Becher mit seinem heißen Morgen-Met, den er schon seit Jahren nicht mehr verdünnte, und trank sich die Provinz erträglich.
Gleich nach der Morgenandacht, zu der wieder die üblichen Verdächtigen in Vorahnung ihres nahenden Todes erscheinen dürften - die alte Algerte Brauheus und ihr Mann Grolo, sowie der Zerlheimer und der Untergrater - würde er zum Torbelsteiner Brand übergehen. Heute gab es bisher keine Bestattungen, auch wenn es mal wieder so ein Boronswetter war, da merkte keiner, wenn er zum winterlich frühen Sonnenuntergang bereits in Borons Armen lag. Der Suff machte ihn nicht glücklich, aber er verdrängte das Unglück soweit, dass er zumindest schlafen konnte.
"Dreudwinder", hörte er eine schnarrende Stimme zu seiner rechten.
"Ehrwürden Korax, wenn's beliebt...", verbesserte er den finsteren Gesellen, der aber wahrscheinlich keinen rechten Respekt vor den Dienern der Zwölfe mehr hatte.
Der andere grinste schäbig: "Ehrwürden Korax... Dreudwinder. Ihr schriebt Ihr hätten Informationen für seine Exzellenz?"
Korax atmete tief durch. Trotz der vielen Jahre im Suff, trotz seines ab und an vernachlässigten Dienstes am Rabengotte, fiel es ihm noch immer schwer, Borons heilige Tugend des Schweigens zu brechen. Aber der Cantzler und seine Entourage dürften genug Einfluss haben, ihn endlich aus dieser Provinz zu holen, damit er seinem Gott an geeigneterer Stelle dienen konnte. Boron musste ihm die Sünde verzeihen!
"Mein Bruder Gerwulf hatte unlängst in Wasserburg einen für seine Exzellenz höchst interessanten Gast, der sich heuer auf dem Fußweg durch den Schlund befindet..."
◅ | Ein einfacher Schlunder |
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Geheimauftrag | ▻ |