Geschichten:Elfenpfad - Bettgeflüster
Anfang Phex 1035 BF – Praiosburg, Baronie Bärenau
Wenn seine Reiseroute den normalen Weg genommen hätte, wäre er nicht hier. Aber Elea von Ruchin musste unbedingt ihren Bruder Lanzeslaus besuchen – sie hatte etwas Wichtiges zu besprechen.
Wolfaran war erfreut, dass sie ihn auswählte sie zu begleiten. Und noch mehr darüber, dass sie durch Bärenau reisten, um nach in den Schlund zu kommen. Es war ein kleiner Umweg, gewiss. Erst fragte er sich, warum sie das tun würde, den Abstecher, die eintägige Rast.
Ihre hochgeborene Exzellenz war nach außen hin immer so steif aber Wolfaran kannte sie schon seit Kindheitstagen. Oh ja, er hatte einst ihre teure Vase in Reichskanzlei – ein Hochzeitsgeschenk der Schwiegereltern - mit dem Lederball zerschossen und in tausend kleine Splitter zerlegt. Er dachte immer sie wäre wütend gewesen, zu dem schlechten Geschmack, denn das Ding sah fürchterlich aus.
Aber nein, wie sich vor kurzem bei einem abendlichen Reisegespräch herausstellte war sie froh, deshalb hatte sie auch immer wieder neue hässliche Mitbringsel aufgestellt und war innerlich enttäuscht, dass der kleine Rabauke nicht mehr zerstörte. Kleiner Rabauke, so nannte sie ihn also, als er klein war. Manchmal war es wirklich besser die Leute erst als Erwachsener kennenzulernen.
Es hatte aber den Vorteil, dass sie ihm etwas Gutes tun wollte und ihm die Möglichkeit gab einen Blick auf seinen nicht mal zwei Monate alten Sohn Trisdhan zu werfen. Deshalb der Umweg, Wolfaran war dankbar.
Seine drei „großen“ Kinder waren bereits zu Bett gegangen, als er den Kleinsten auf seiner Brust liegend streichelte. Seine liebreizende Frau Iralda hatte sich an ihn angeschmiegt.
Das war die Glückseligkeit, die er am Kaiserhof vermisste. Affären schön und gut, aber nichts ging über die Liebe zu seiner Frau und der Familie. Er genoss die Zeit, wie auch Iralda, denn morgen würde er weiterreisen. Über Gareth in den Schlund.
„Weißt Du“, sein Blick wandte sich seiner Frau zu, „an dem Kaiserhof ist ein Gewusel, dieses große Kabinett, ein Gesprächsthema, dass alle im Griff hat.“
„Nicht nur am Kaiserhof, auch hier in Hartsteen ist es in voller Munde. Wer Marschall wird ist mir eigentlich egal – so er Hartsteen nicht noch mehr schröpft. Wir sind am Ende unserer Kräfte.“
„Ich weiß, aber vielleicht werden Eure Stimmen bei dem Kabinett auf Schloss Auenwacht gehört?“
Iralda nahm ihre beiden Liebsten in den Arm. „Der Marschall mag werden, wer auch immer. Wir müssen verhindern, dass uns die Kriegssteuer und die Aufstellung der Landwehrbanner nicht überfordern. Dahin sollte all unsere Kraft gehen.“
Wolfaran küsste sanft ihr Haar. „Auch die Greifenfurter können das nicht stemmen, sie werden sich sicher auch darum bemühen.“
„Das hoffe ich, umso mehr sich dagegen aussprechen, umso besser sind unsere Erfolgsaussichten. Wären wir doch nur reiche Bürger.“
„Das meinst Du nicht ernst – lieber der ärmste Adlige Tropf, als der reichste Pfeffersack“, monierte ihr Gatte.
Iralda wiegelte ab. „Nein, es war nur ein Ausspruch, gewiss will ich meinen Adelstitel nicht hergeben. Aber es ist schon unglaublich, wie dieser Abschaum sich bereichert.“
Wolfaran nickte. „Die arme Ginaya soll gar nach Al’Anfa geflohen sein. Kaum zu fassen. Und was sagst Du zu der Rabenbrücke? Es könnte zu Spannungen kommen, die auch unsere Familie betreffen würde. Anaxios ist mir ein guter Freund und es wäre bedauerlich, wenn ein Keil in unser Haus geschlagen werden würde.“
Iralda blickte scharf in seine Augen. „Sag es niemandem hörst Du – es könnte mir in Hartsteen viele Feinde bringen, daher werde ich es nicht öffentlich aussprechen. Für mich ist es besser, wenn sie nicht aufgebaut wird.“
„Aber Du bist Hartsteenerin, Luidor fordert den Aufbau“, fiel er ihr ins Wort.
„Ja, ich bin Hartsteenerin – durch und durch. Aber was habe ich von der Brücke. Bärenau liegt westlich, ich bekomme von den Zöllen nichts, rein gar nichts. Ich habe mehr davon wenn Deine Mutter und Anaxios Einnahmen verbuchen, denn sie unterstützen mich. Wir sind arm genug dran, so sehr ich auch eine schützende Hand über meine Hartsteener Brüder und Schwester halten möchte, kann ich es nicht. Ich muss zuerst schauen, dass Bärenau wieder erblüht, das bin ich Vater und meinem Volk schuldig.“
Während Wolfaran aufstand und den Kleinen in seine Wiege legte, fuhr sie fort. „Lomena hat mich kontaktiert und erwartet noch meine Rückantwort. Dieser Elfenpfad durch den Reichsforst nach Greifenfurt ist ihr Anliegen. Sie bittet um meine Unterstützung.“
Ihr Gatte schaute skeptisch. „Was bringt Dir der Elfenpfad? Sollen sie doch lieber die Reichsstraße gen Wehrheim aufbauen.“
Iralda grübelte. „Nicht unbedingt. Sie bietet mir verbesserte Handelsrechte auf den Märkten Raulsknochen und Ährenfeld für Bärenauer Waren. Das Angebot würde ich gerne annehmen, Roban rieb sich schon die Hände, auch dem Handelshaus Stippwitz würde das sicher sehr gefallen und in die Karten spielen. Und noch weiter gedacht. Was habe ich von der Reichsstraße? Die führt durch Natzungen und Puleth. Mein Warenverkehr kommt aus der Kaisermark und Ochsenblut und führt großteils nach Rallerspfort, Leihenbutt und Zweiflingen. Manchmal kommt es mir vor, als hätte ich mehr mit Waldstein und Reichsforst zu tun, als mit meinen Hartsteener Gleichgesinnten. Aber das sagte Vater schon immer, wie sonst kann man erklären, dass die Familie Bärenau fast ausschließlich in diesen Gefilden ihre Ehepartner suchten. Die Reichsstraße trennt Bärenau vom dem Rest Hartsteens, so ist es einfach.“
Wolfaran kuschelte sich unter die Bettdecke. „Und was hast Du nun vor?“ Sie legte ihren Kopf liebevoll an den Seinen. „Ich werde Lomena schreiben, dass ich den Elfenpfad befürworte, wenn die Falsche Reichsstraße in Bärenau einen Anschluss an die Route erhält. Ganz einfach.“
„Ganz einfach… habe ich keine Lust mehr mich der Politik zu widmen.“ Liebkosend brach er Iraldas Redeschwamm, denn viel Zeit blieb ihnen nicht mehr, bis seine Kutsche aufbrach.
Garetien-, Greifenfurt- und Perricum-Con 2012
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