Geschichten:Elfenpfad - Ein Weg zu weit
Burg Silz, wenige Wochen vor dem Zusammentreffen zu Auenwacht
»Wer zum Henker hat eigentlich diesen spinnerten Feenwasser zum Wegevogt ernannt?« Wulf von Streitzig, der das Treffen der Versammelten arrangiert hatte, ließ sich mit großen Einleitungsworten keine Zeit und kam direkt zur Sache. Zwar war die Frage eher rhetorischer Natur, aber dennoch wollte er sie loswerden, und sei es nur, um seinem Ärger Luft zu machen.
Auch Vallbart von Falkenwind blickte wenig begeistert. Als er kürzlich gemeinsam mit dem Uslenrieder eine Jagdausflug in die Silzer Wälder unternommen hatte, war das Gespräch auch auf eben jenes Thema gekommen, was andernorts den Waldsteiner Niederadel, aber auch die Adligen Greifenfurts und Hartsteens offenbar mehr und mehr zu vereinnahmen drohte: den Ausbau des Elfenpfades. Kurz entschlossen hatten der Baron und der Landvogt sodann beschlossen, den gräflichen Seneschall hinzuzuziehen und ihn nach eindringlich Silz gebeten, um die Angelegenheit außerhalb der Hirschfurter Räumlichkeiten zu besprechen. Noch dazu war die Gelegenheit günstig, denn die Gräfin weilte weder dort in der Reichsstadt noch hier auf ihrer Burg, die sie zwar mittlerweile öfter, aber dennoch nicht allzuoft betrat.
Über den Grund der Unterredung hatten sie ihn bewusst im Unklaren gelassen, und nun saß Coswin von Streitzig, der Seneschall, leicht verstimmt und mit säuerlichem Gesichsausdruck seinem Familienoberhaupt Wulf und dem Silzer Landvogt gegenüber. Letzterer vermochte nicht abzuschätzen, was saurer war: die Mine des Seneschall oder der Wein in den irdenen Bechern. Denn letztlich war ohnehin allen klar, dass das Amt des Wegevogtes nur von der Gräfin selbst und damit ihrem Kanzler vergeben werden konnte. Und damit lag die „Schuld“ in dieser Sache beiCoswin, der sich selbiger hingegen nicht wirklich bewusst war. Immerhin hatte er nur eine unliebsame Aufgabe einem allzu forschen Junker aufs Auge gedrückt.
Also ergriff er die Flucht nach vorn. »Meinen Herren, Euch ist schon klar, das es um die Wege und Stege in der Grafschaft nicht unbedingt zum besten bestellt ist, nehme ich an? Gut so. Denn ebenso dürfte Euch klar sein, dass weder ich noch irgend jemand anderes im gräflichen Palas die Zeit hat, sich um derartige Dinge zu kümmern. Und wenn jemand wie der Feenwasser glaubt, solches besser zu können, soll er den Beweis doch erst einmal erbringen.« »Wenn er es denn täte«, ereiferte sich der Landvogt. »Immerhin, so dachte ich, solle er sich um den Erhalt der Wege kümmern, und nicht um den Ausbau von Handelsrouten!«
»Und gewiss ist Euch der desolate Zustand mancher Wege auf der Reise hierher selbst ins Auge gefallen«, nahm der Baron von Uslenried den Faden auf. »Es ist Ja nicht so, dass wir« - und damit blickte er hinüber zu Vallbart - »nicht das unsere dazu beitrügen, die Wege gangbar zu halten, denn wie der Forst wuchert sollte Euch eigentlich geläufig sein.« Coswin rang sich ein Nicken ab.
Ungerührt fuhr Vallbart von Falkenwind fort. »Seit Generationen führt ein Weg durch den Forst hinauf in die MarkGreifenfurt, der den schönen Namen Grafenstieg trägt, und das nicht zu unrecht, denn er führet direkt von der Reichstraße hierher und weiter nach Norden. Der gesamte Handel, so er nicht entlang des Flusses oder auf selbigem verläuft, erfolgt durch Waldstein hindurch bis nach Reichsforst über eben jene Strecke; zumindest so weit sie nutzbar ist, denn der Wald tut das seine, dies zu verhindern und überwuchert den Weg immer wieder. Und dennoch geben wir nicht klein bei und befreien den Stieg immer wieder von Gestrüpp und Wurzelwerk, denn es ist die Lebensader durch den Forst, für dieses Gräflichen Lande ebenso wie für die Lande, die Eurem Vetter zum Lehen gegeben sind. Ich nehme an, ihr versteht bereits, worauf ich hinaus will?«
Coswin dämmerte etwas. Doch bevor er noch antworten konnte, ergriff Wulf das Wort. »Machen wir es kurz: Feenwasser und die Greifenfurter können fordern was sie wollen, aber dieser Ausbau des Elfenpfades darf nicht erfolgen. Unter keinen Umständen. Es weichen schon so genügend Handelszüge über diese Strecke aus, insbesondere im Winter und im Frühjahr, wenn der Grafenstieg nur schwer gangbar ist. Es ist nicht hinnehmbar, dass der Elfenpfad noch weiter aufgewertet wird, denn dann werden wir hier noch weitaus mehr vom Handel abgeschnitten sein, als es jetzt schon der Fall ist.«
»Ich würde es auch arg bedauern, wenn ich Euch zukünftig nur noch schlechteren Wein als diesen anbieten könnte, doch genauso wird es sich zutragen, wenn hier keine Händler mehr durchkommen. Und ich sage euch ehrlich, dieses saure Zeug bin ich auch schon leid.« Ungeachtet seiner Worte nahm der Landvogt dennoch einen weiteren Schluck, bevor er fortfuhr. »Versteht mich recht: Jede Einbuße an Handel bedeutet weniger Geschäft für die Hiesigen, folglich weniger Geld im Beutel und damit weniger Steuern. Auch für das gräfliche Säckel. Und das habe ich auch Ihrer Hochwohlgeboren vermitteln können.«
»Das heißt also, wir werden alle Hebel in Bewegung setzen, dieses hirnrissige Unterfangen zu stoppen und stattdessen dafür zu sorgen, dass die kaiserliche Schatulle ihr Scherflein zum Erhalt des Grafenstieges beiträgt, anstelle den Elfenpfad auszubauen. Wir« - wiederum warf der Uslenrieder einen Blick zum Landvogt hinüber - »gehen davon aus, dass Ihr Euch dieser Angelegenheit als administrativer Arm Ihrer Hochwohlgeboren mit dem gebotenen Maß annehmen und unser Anliegen nach Kräften unterstützen werdet, denn es dient dem Wohl der ganzen Grafschaft. Den Greifenfurtern kann es egal sein, auf welchem Wege die Waren in die Mark gelangen oder von dort herauskommen. Uns hingegen kann es nicht gleichgültig sein, wenn die Wege nach Hartsteen und Gareth einfacher und kürzer werden, sofern wir nicht davon profitieren.«
Coswin erwiderte nichts. Politik war manches Mal ein hartes Geschäft. Alles hatte ein für und wieder. Dem gräflichen Säckel – dies ließ sich nichts leugnen – ging es wahrlich nicht besonders. Und die Eigenmächtigkeit Feenwassers mochte man durchaus als Überschreitung der Kompetenzen auslegen. »Ich werde sehen, was ich tun kann.« Damit erhob er sich, den vollen Weinbecher, an welchem er nur kurz genippt hatte, zurücklassend. Wie viele Finger er in dieser Sache zu rühren bereit war, würde sich noch zeigen. Aber einen noch saureren Wein wollte er nicht zu vertreten haben. Er würde nicht umhinkommen, irgend etwas zu unternehmen.
Garetien-, Greifenfurt- und Perricum-Con 2012
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