Geschichten:Elmenbarths Lehre - Der Zug der Unzufriedenen 3
Schloss Gerbaldsaue, Kaiserlich Gerbaldsmark, Mitte Hesinde 1037 BF:
Rhodena von Zweifelfels war in einem Gespräch mit der Kammerherrin und der Kastellanin des hiesigen Schlosses vertieft, als ein Bote mit einer Nachricht an sie herantrat. Sie überflog die Zeilen, verzog keine Miene und verabschiedete sich dann mit einem aufgesetzten Lächeln von ihren beiden Gesprächspartnerinnen.
So so, ihr Schwiegervater trommelte also den Niederadel zusammen um dem, wie er es nannte, Schlangenpack eins auszuwischen und forderte von ihr Gefolgschaft. Nun, Rhodena strich sich sanft über den Bauch, sie war da fein raus, war sie doch deutlich sichtbar von Tsa gesegnet. Aber auch unter anderen Umständen wäre sie nicht mitgezogen, denn ihre Dienstherrin Burggräfin Rondriane von Eslamsgrund hätte das sicher nicht gut geheißen. Denn deren Schwiegersohn war der hesindegefällige Baron von Falkenstein und Rondrianes Enkel Novize in St. Ancilla. Auch traf sich die Burggräfin regelmäßig mit dem Abt zum Kartenspiel. Seit dem Konkordat von St. Ancilla zwar nicht mehr öffentlich hier am Hofe oder gar im Kloster, sondern auf dem Jagdschloss Falkengrund unweit des Klosters. Das jedenfalls hatte Rhodena der Schreiberling Linnert Unterbauer nach ein paar Bechern Wein erzählt.
Auf dem breiten Flur huschte die Zofe Thalia Nanduriana von Rossreut an ihr vorbei. Diese wurde kürzlich mit einem Hirschfurten verlobt, wie sich Rhodena erinnerte. Hirschfurten. Die in Brachental, würde die auch gegen das Kloster ziehen? Wer sonst noch? Königslinden, Karseitz, Isppernberg, mit denen musste man rechnen. Rhodena begann zu erahnen, hier ging es nicht wirklich um die Geweihten in Ancilla an sich, sondern es ging um Macht und Einfluss der einzelnen Familien. Das Kloster war reich und mächtig, ebenso die Familien Greifstein und Wiehingen. Beide unterhielten enge Beziehungen zum Kloster UND waren treue Vasallen der Burggräfin. Die restlichen Niederadligen der Gerbaldsmark verhielten sich eher reserviert gegenüber der Esmalsgrunderin. Noch zu gut waren die ketzerischen Schriften von Yesatan, dem Bruder der Burggräfin, in Erinnerung. Die Adligen unterstellten ihr insgeheim auf der Seite der immer stärker werdenden Garether Bürgerschaft zu stehen.
Rhodena hatte ihr Ziel erreicht. Ein Diener öffnete die Tür zum Mohagoni-Zimmer, wo sich zu dieser Zeit einige der Höflinge versammelten. Die Zweifelfelserin blickte in die Runde. Hier waren sie alle versammelt: Junker Marbos von Greifstein mitsamt seiner Gemalin, der Hofheroldin Kedia von Sturmfels und seinem Knappen Gormian, sowie den burggräflichen Knappinnen Uthjane und Lobhilde. Offenbar trug der Junker gerade sein neustes Werk vor. Vor dem Kamin saßen die Hofgeweihte Linai Josmine von Feenwasser und der Hofmagier Marnion von Albensteyn zusammen mit dem äußerst ansehnlichen jungen Ritter Deromir Leuwart von Rossreut über ein Gedichtband vertieft. Allesamt standen auf die ein oder andere Weise in Verbindung mit dem Kloster. Sollte Rhodena sie warnen?
„Eure Gnaden, bitte verzeiht die Störung, darf ich mich zu Euch gesellen. Mir ist nach etwa Zerstreuung.“ Wieder setzte die Zweifelfelserin ihr schönstes Lächeln auf.
„Nur zu, Hohe Dame, wir besprechen gerade den neusten Gedichtband von Caldare von Falkenstein, die ...“
Nein, Rhodena schmunzelte innerlich, sie würde diesen Hesindianern nichts sagen, sondern sich einfach nur zurücklehnen und abwarten was passieren würde. Zufrieden strich sie sich über ihren Bauch. Schließlich hatte sie jetzt andere Prioritäten.
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