Geschichten:Erste Lehrstunden - Nur eine Frage der Sinne.
Baronie Haselhain, an einem Hain, Ende Tsa/Anfang Phex 1038 BF
Lyn schmunzelte bei der Frage und meinte "Jetzt bilden wir deine Sinne." Es begann mittlerweile zu dämmern, aber es war noch recht viel Restlicht vorhanden. "Du wirst hier sitzen bleiben und ich werde mich von verschiedenen Seiten dem Lager nähern. Dann gibst du Bescheid wenn du glaubst mich zu hören und deutest in die entsprechende Richtung. Und da es wichtig ist, dass du dich nicht auf deine Augen verlässt, werde ich dir diesen Sinn rauben." Sie lächelte leicht schelmisch als sie ein Tuch aus ihrer Tasche zog.
Selo hatte soetwas schon geahnt und ertrug es deshalb mit Fassung, auch wenn ihm dabei nicht behagte. Doch die letzten Erfahrungen im echten Kampfe, die Zacken wie auch in Hartsteen, hatten ihn gelehrt das solch Prozedere wohl von Nöten waren, wenn er im Kampf nicht eine ständige Gefahr, auch für seine Mitstreiter, sein wollte. Gerade in den ungewissen Zeiten die auf sie zukommen würden und gerade um sich vor den Nebachoten als einer der Ihren profilieren zu können, ebenso vor sich selbst. So saß er blind da und verließ sich auf seine anderen Sinne.
Lyn entfernte sich relativ leise vom Lager und ging dann, als sie etwa 50 Schritt entfernt war, schleichend im Kreis, so dass sie etwas links von Selos Rücken war. Von dort aus näherte sie sich ihm schleichend, dabei genauso vorsichtig vorgehend als würde sie ein feindliches Lager ausspionieren. Ihr “Opfer” konzentrierte sich derweil und vernahm deutlich die Geräusche des Waldes. Darunter die vorsichtigen Schritte Lyn heraus zu filtern war allerdings nicht einfach. Zumal ihm jetzt erst auffiel wie lebendig der Wald war und wie es hie und dort knackte, es dort und da rauschte. Doch die Geräusche waren alle sehr unregelmässig und kamen aus verschiedenen Richtungen, also versuchte er sich auf regelmässige Laute zu fokusieren. Er brauchte lange bis er solche ausmachen konnte, er streckte seine Hand in Richtung Lyn und wollte sprechen, als sie auch schon seinen Arm festhielt. Er war zu langsam gewesen. "Erwischt... "sagte sie leise, dabei leicht schmunzelnd. Dann setzte sie sich neben ihn und meinte ruhig "Daran werden wir arbeiten müssen" Sie versuchte dabei, weder Resignation noch Enttäuschung in ihrer Stimme mit schwingen zu lassen, was ihr aber nicht ganz gelang. Als Selo sich das Tuch von den Augen nehmen wollte fuhr sie fort. "Nein, lass es noch um. Wir werden das gleich noch einmal versuchen, wahrscheinlich war ich zu voreilig. Konzentriere dich auf dein Gehör und sage mir, was du hörst."
“Naja, du bewegst dich aber auch wirklich sehr leise,selbst ein Veteran in solcherlei Dingen würde dich wohl nicht jedesmal kommen hören. Darin liegt doch auch der Sinn des Schleichens oder?”, Selo, war ein bisschen angefasst, aber ließ das Tuch an seinem Platz.
Lyn nickte, bis ihr bewusst wurde, dass Selo dies nicht sehen konnte und erwiderte dann “Das Ziel ist ja, dass Du mich zumindest auf fünf Schritt Entfernung hörst, optimalerweise auf zehn. Und das werden wir üben.”
“Ist mir durchaus bewusst, beste Lyn.”, sagte er etwas vergrämt, lächelte dann aber. “Dann nochmal.” Sie legte sanft ihre Hand auf seinen Oberarm und meinte “Ja, gleich. Aber erst solltest du dich auf die Umgebung konzentrieren. Auf all die Geräusche die du hier im Wald hörst und die auch tatsächlich hier her gehören. Denn nur dann kannst du fremde Geräusche, wie mich, da heraus filtern. Verzeih mir, dass ich diesen Schritt übersprungen habe. So sag mir, was hörst du?” “Ist ja nich so als hätte ich das nicht getan, aber gut. Ich höre als erstes deinen Atem.”, Selo grinste, ”Riechen kann ich ihn auch ein wenig. Aber darum geht es ja nicht. Also, ich höre - das Prasseln des Feuers, auch nicht der Wald. Den seichten Wind im Geäst, das Knarren desselben. Dort knackt es im Unterholz, nichts großes, vielleicht ebenfalls nur der Wind oder Kleinstgetier. Dort plätschert der Bach. Da kauzt ein Kautz.” Selos Ausführungen wurden immer genauer und pingeliger, vielleicht auch Lyn zum Trotz, bis sie befand das es reichte.
Lyn lachte leicht und meinte “Ich glaube es reicht. Du bist, denke ich, jetzt gut genug auf die Umgebung eingestimmt dass wir einen neuen Versuch wagen können.” Sie erhob sich und entfernte sich erneut vom Lager, um sich diesesmal aus östlicher Richtung zu nähern.
Selo blieb auch dann in seiner Konzentration verharren, zählte sich innerlich das gehörte auf, hörte Lyn davon gehen. Dann kurze Zeit nur die Geräusche des Waldes, bis sich auch ihnen, kaum hörbar, das langsam rhythmische Knistern von Sohlen auf Boden, Blattwerk und Ästchen herausschälte. Er hob den Arm, deutete grob östlich und damit auf Lyn, die zwar wieder recht nah an ihm war, aber immerhin gut 7 Schritt fehlten.
Sie lachte auf und meinte "Ja, genau so meinte ich das. Das war deutlich besser." Sie kam die paar Schritte dichter zu ihm "Siehst du wieviel einfacher es ist, wenn du dich vorher auf deine Sinne konzentrierst? Und diese musst du schulen damit du auch wenn du dich nicht extra konzentrierst hörst, wenn sich etwas falsch anfühlt." Als er erneut nach dem Tuch griff fasste sie nach seiner Hand und meinte. "Noch nicht. Jetzt versuche einfach mal blind zu laufen. Halt dich dabei an mir fest." Sie hielt seine Hand gefasst, um ihm beim aufstehen zu helfen. Er richtete sich etwas unsicher auf, aber konnte mit ihrer Hilfe hervorragend über den unebenen Boden balancieren.
"Achtung, ich lasse dich jetzt los" war ihre Vorwarnung ehe sie sich einen Schritt von ihm löste und fortfuhr "Folge mir langsam. Achte dabei auf deine Schritte. Es ist wichtiger dass du sicher stehst als dass du schnell bist." Während sie sprach ging sie langsam rückwärts ein paar Schritte von ihm weg. Der so stehen gelassene setzte, nach kurzer Irritation seine Schritte vorsichtig auf die Stimme zu, auf die Gegebenheiten unter seinen Füßen achtend und auch Lyns Worte. So kam er langsam, aber relativ sicher auf sie zu, bis er kurz vor ihr stand. “Das war simpel.” Sie lachte leicht auf und meinte “Gut, dann geht das ja sicher auch ein wenig schneller.” Mit diesen Worten ging sie etwas schneller und bewegte sich nicht mehr direkt von Selo weg sondern ging leicht schräg nach links. Schneller war er zwar nicht, konnte dafür aber mit ihrem Richtungswechsel recht gut mithalten, nur einmal stolperte er leicht.
In Lyns Stimme war deutliche Anerkennung als sie meinte “Das ist schon mal richtig gut. Die Geschwindigkeit kommt mit der Sicherheit. Was Du üben kannst ist ab und an in deinen Gemächern mit geschlossenen Augen zu laufen um sicherer zu werden. Du kannst jetzt das Tuch abnehmen, denn ich möchte mit Dir noch ein paar Schwertkampfübungen machen. Und da tasten wir uns lieber langsam von Dämmerung zu Dunkelheit heran.”
Selo hatte dies das befürchtet, aber ingeheim gehofft Lyn würde ihm noch etwas Schonungszeit geben. Schicksalsergeben fügte er sich aber in sein Schicksal. Als er das Tuch abnahm musste er sich erstmal an die anderen Lichtverhältnisse gewöhnen. Nur um festzustellen, dass die fortgeschrittene Dämmerung seine Sicht nicht wieder ganz herstellte, denn auch das Feuer hielt Lyn klein, damit das Licht ihm nicht half. Also bereitete er sich auf die kommenden Übungen vor.
Lyn zog ihre Waffe und bedeutete Selo, es ihr gleich zu tun. “Damit du dich an die Dunkelheit gewöhnst und ein Gefühl dafür bekommst, die Waffe auch ohne viel zu sehen zu führen, fangen wir ganz einfach an. Wir beschränken uns heute erst einmal nur auf die ersten 6 Hiebe und Wehren und zumindest zu Beginn werde ich dir sagen, was ich tue.” Mit diesen Worten wartete sie darauf, dass Selo in Ausgangsstellung ging, kreuzte einmal die Klingen mit ihm ehe sie ihre Waffe langsam nach links unten führte. Mit einem “Eber von links” führte sie sehr langsam die Waffe nach oben. Durch seine Übungen mit Lyn und Hamir die er - wenn es die Zeit her gegeben hatte - seit einem Jahr intensiver begang kannte er das Prozedere. Auch wenn Hamir, der solche Begriffe nie benutzte, das anders anging als die Vögtin, die deutlich strukturierter mit ihm übte. So wusste er was sie von ihm wollte ging darauf halbwegs routiniert ein. Das Einzige was ihm tatsächlich zu schaffen machte waren die Lichtverhältnisse, bisher hatte er die meisten Übungen bei Tageslicht gemacht, nun war es deutlich schwerer zu sehen was da kam, aber die Ansage half und ebenso die seichte Geschwindigkiet mit der der Hieb ausgeführt war. Er ließ Lyns Schwert abgleiten und konterte ebenfalls mit einem Eber, in dem er die abwehrende Haltung herumfuhr und das Schwert nach oben riss. Deutlich unpräziser als gewollt.
Lyn behielt ihre Ruhe und Gelassenheit als sie den Schlag parierte "Lass dir Zeit." sagte sie währenddessen "Im Moment geht es nicht darum deine Technik zu verbessern, sondern die bekannten Abläufe auch bei schlechten Lichtverhältnissen beizubehalten. Erst wenn die Abläufe stimmen erhöhen wir die Geschwindigkeit. Also von neuem. Erst ein Eber von links von mir, danach der Konter von dir." Er tat wie gesprochen, diesmal langsamer und bewusster. Danach erwartete er Lyns nächsten Schlag, während die Lichtverhältnisse immer schlechter wurden.
"Besser. Und jetzt kommen 2 Schläge von mir direkt hintereinander, Eber von links, gefolgt von Ochs von rechts." Erst führte sie diese Übung langsam mit ihm durch, immer und immer wieder, dabei stetig das Tempo erhöhend während die Dunkelheit zunahm.
Mit schnellerem Tempo, steigender Dunkelheit und dem stetigen niederbrennen des Feuers kam Selo ziemlich in Bedrängnis und seine Übungsleiterin nicht um hin ihm einige Male etwas Schonungszeit zu geben um sich wieder zu fangen. Ein bis zwei Mal verschätzte sich auch Lyn mit Selos Wahrnehmung und fügte ihm ordentliche Prellungen zu. Am Ende war Selo deutlich geschafft von der langen, harten Übung. Hinzu kamen Frustration und Enttäuschung, die ihm am Ende sein Schwert zu Boden werfen ließ. Fluchend auf seine nächtliche Blindheit und sein Unvermögen ließ Lyn ihn ersteinmal gewähren. Denn beide wussten, mochte er auch noch so fluchen und unzufrieden mit sich selbst sein, es würde nicht das letzte Mal sein, dass sie einen gemeinsamen Ausflug machten, in der nächsten Zeit würden viele weitere dieser Art folgen.
◅ | Und kein Ende in Sicht... |
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