Geschichten:Familienbande 5
Dramatis Personae:
Eine Stunde später saßen nur noch Bogumil, Herdan Lucius, Geppert und Darian am Tisch. Letztere waren gerade dabei, ihren jeweils zweiten Hasen zu verzehren, während sich das Familienoberhaupt und der Baron über den Verfall der Sitten in Greifenfurt und im Reich ausließen.
„Es ist wirklich ein Schande, Herdan, dass diese junge Gans von Wertlingen sich noch immer Markgräfin nennen darf. Jetzt hat sie auch noch diesen Traumtänzer aus dem Kosch geheiratet und ein Balg hat sie ihm auch schon geboren. Das heißt doch, dass in Greifenfurt bald ein halber Koscher das Sagen hat. Hätte sie damals doch lieber den Orkenwaller genommen. Der hat in seinem Leben wenigstens schon etwas geleistet und ist ein astreiner Greifenfurter.“
„So lange dieses Frauenzimmer im Kloster sitzt und sonst nichts anstellt, kann sie sich wenigstens nicht in unsere Angelegenheiten einmischen. Und von dem feinen Herren von Eberstamm lassen wir uns sowieso nicht an die Kandare spannen.“
„Ja, wir werden unser Greifenfurt schon sauber halten. Fehlte nur noch, dass sie versuchen, uns auch ein paar von diesen dreckigen tobrischen Hungerleidern aufs Auge zu drücken.“
„Da seien die Götter vor! Das werde ich schon zu verhindern wissen. Wo immer die hinkommen, gibt es nichts als Ärger.“
Grimmig blickte Herdan Lucius vor sich hin. Erst letzte Woche hatte er einen tobrischen Händler aufknüpfen lassen, weil der angeblich mit falschen Gewichten gewogen und Wucherpreise verlangt hatte. Die Tat konnte ihm zwar nicht nachgewiesen werden und die Gewichte erwiesen sich bei einer späteren Überprüfung als einwandfrei, doch besser einen mehr an den Galgen hängen als einen zu wenig. Das verminderte die Anzahl jener, die einen Betrug ernsthaft versuchen würden, und die beschlagnahmte Keramik passte wirklich hervorragend zu den guten Weinpokalen. Ein vernehmliches Knacken von Knochen riss Herdan Lucius aus seinen Gedanken. Im gegenüber hatte Geppert gerade sein Mahl beendet und fing nun an, das Mark aus den Hasenknochen zu saugen. Nun mischte sich auch Darian in das Gespräch mit ein.
„Nichts als Ärger, das stimmt wohl. Erinnert ihr euch an den tobrischen Tagelöhner, den die Hunde bei der letzten Jagd zerrissen haben? Ich begreife heute noch nicht, wie der mitten in den Wald kam.“
Ein wölfisches Grinsen huschte über Herdans Gesicht, als er sich daran zurück erinnerte. „Fürwahr Darian, das war wirklich ärgerlich. Wo wir doch diesem kapitalen Sechszehnender auf der Spur waren.“
Interessiert sah Geppert von seinen Markknochen auf. „Es wäre sowieso mal wieder an der Zeit für eine richtige Hetzjagd. Auf meinem Gutshof haben in diesem Herbst die Wildschweine arg gewütet. Ich habe doch deine Hunde heute früh gehört, Herdan. Die klangen so, als ob sie auch gerne wieder einer Spur nachjagen wollten.“
Das Grinsen des Barons wurde immer breiter und schließlich brach er in schallendes Gelächter aus. Ein Geräusch, das man in den Mauern von Burg Keilholtz nur selten vernahm. Als er die verständnislosen Blicke seiner Vettern sah, riss Herdan Lucius sich mit Mühe wieder zusammen.
„Verzeih mir Geppert. Aber gerade vor dem Essen habe ich meinen Diener mit einer besonderen Fütterung beauftragt. Die nächsten Tage werden meine Tiere wohl keine Lust mehr verspüren, ernsthaft etwas zu jagen.“
„Du bist einfach ein herzensguter Mensch, Herdan. Die Tiere werden ja noch ganz weich. Kein Wunder, dass sie dich so anhimmeln.“
„Ich weiß, ich weiß Geppert. Aber was soll ich tun? So bin ich nun einmal.“
Wieder fing der Baron laut zu lachen an. Und weil sie es nicht besser wussten, lachten die beiden Brüder und Bogumil einfach verlegen mit.