Geschichten:Familienfrieden - Nach der Schlacht
Nach der Schlacht
Ingerimm 1034 BF, Baronie Hasenfeld
Ardo fühlte sich ausgelaugt und leer. Die Schlacht war geschlagen und wieder einmal war es den Greifenfurtern gelungen den Ork zurückzuschlagen und ein Eindringen der schwarzbepelzten Horden in das Herz des Reiches zu verhindern. Doch hatte der Sieg erneut einen hohen Blutzoll von den Märker Edlen gefordert und es war ungewiss ob sie ihn ohne die zu Hilfe geeilten Weidener und Koscher Ritter errungen hätten. Doch zugleich schmeckte der Sieg in der Schlacht am Stein bitterer als viele Niederlagen, denn es hatten auf beiden Seiten Anverwandte gegeneinander gekämpft. So waren zwei Onkel von Ardo im Gefolge des Nebelsteiners im Pfeilhagel seiner Kressenburger Landwehr gefallen, sein Vetter der verräterische Baron von Finsterkamm hatte unter den Schwertern der Garafanisten sein Ende gefunden und die Hundsgraber Baronsfamilie hatte sich gegenseitig fast vollständig ausgelöscht. Nun lagen die Toten friedlich vereint nebeneinander aufgebahrt auf dem Schlachtfeld, auf dem sie sich vor Stunden noch so erbittert bekämpft hatten. Es hatte einen Dankgötterdienst gegeben und die Greifin hatte zum Festmahl geladen bei dem mit vielen Trinksprüchen den edlen Toten gedacht wurde.
Ardo indes hatte sich bald aus der Runde verabschiedet und war so schnell ihn seine müden Füße trugen zu seinem Zelt geflüchtet. Nach dem heutigen Tage war ihm nicht nach Gesellschaft zumute. Erschöpft ließ der Baron sich gleich nach dem Eintreten auf einem der Stühle nieder die in der Mitte des Zeltes um eine Feuerschale herum aufgestellt waren. Sein Schildarm schmerzte noch immer von den vielen harten Schlägen der Schwarzpelze und auch am rechten Unterarm spürte er das Pochen des frisch verbunden Schnitts.
Wenige Augenblicke später trat sein Vetter Greifwin durch die noch halbgeöffnete Zeltplane hinterdrein und blieb am Eingang stehen. Ardo erkannte in seinem Gesicht, dass der Eslamsrodener über irgendetwas angestrengt nachdachte. Greifwin warf einen letzten Blick nach draußen, als wolle er sich vergewissern nicht verfolgt worden zu sein und setzte sich schließlich Ardo gegenüber. Er schien für einen Moment mit sich zu ringen, bevor er den Vetter direkt ansah und leiser aber mit fester Stimme zu reden begann.
"Ardo? Es mag ein denkbar schlechter Zeitpunkt sein nach all dem Töten und Sterben dort draußen. Aber die Greifin ist wieder da und die Hoffnung mit ihr! Die Schwarzpelze sind ein weiteres Mal besiegt und zerschlagen. Auch wir sollten jetzt in die Zukunft schauen. Die geliebten Toten und die Vergangenheit ruhen lassen."
Der Kressenburger sah ihn verwirrt an, konnte er doch mit den rätselhaften Worten seines Vetters nicht viel anfangen. "Was meist du Greifwin? Ich kann dir nicht recht folgen."
"Ich spreche von unserem Abkommen, von der Verlobung. Ifirnia zu verlieren war... schmerzhaft. Aber es ist nun schon einige Monde her. Wir haben um sie getrauert und es muss nun irgendwann weitergehen. Es ist wahrlich die Zeit für einen Neuanfang."
"Und wie hast du dir das vorgestellt geschätzter Vetter?" In Ardos Stimme schwang eine Mischung aus Sarkasmus, Zweifeln und Bitterkeit mit.
"So wie ich das sehe hatten wir einen Plan. Die Teile unsere Familie sollte wieder in Freundschaft miteinander verkehren. Bisher haben nur wir beide das uns gesteckte Ziel eingehalten, aber wir hatten auch eine Vereinbarung getroffen um die Freundschaft weiter zu festigen."
"Das weiß ich doch alles Greifwin. Aber Ifirnia ist tot! Diesen Teil unseres Plans haben die Ränke des Nebelsteiners uns verdorben."
Der Eslamsrodener Baron schluckte kurz als Ardo so heftig von seiner toten Schwester sprach. Aber er fuhr unbeirrt weiter fort.
"Wir hatten immer gesagt, dass du meine Schwester heiraten solltest. An dieser Vereinbarung möchte ich festhalten. Es ist wahr, Ifirnia wird den Travia-Kreis nie beschreiten, aber sie ist nicht meine einzige Schwester gewesen. Deswegen bin ich dafür, dass wir die Verlobung erneuern. Praiadne wird an ihrer Schwester statt mit dir den Traviabund eingehen."
Für einen langen Moment war Ardo komplett sprachlos. Mit offenem Mund starrte er seinen Vetter an als hätte dieser den Verstand verloren. Was konnte Greifwin schon wissen? Natürlich war er immer der Berechnendere gewesen, aber so einfach über das Schicksal seiner jüngsten Schwester zu befehlen, sah ihm nicht ähnlich. Ardo hatte noch deutlich vor Augen wie schwer er sich getan hatte die mittlere Schwester von diesem Punkt zu überzeugen und Ifirnia war nie glücklich mit dieser Übereinkunft gewesen.
"Hör zu Greifwin. Ich möchte unsere Familie nach wie vor geeint wissen. Heute mehr als je zuvor, denn wir haben schwere Verluste erlitten. Aber Ifirnia hat mich gehasst, sag nichts, ich weiß es. Trotzdem haben wir sie dazu zwingen wollen und sie war die letzten Monde ihres Lebens unglücklich. Ich bin mir sogar sicher, dass sie ihren Tod noch als Erlösung empfunden hat, weil sie damit der Verbindung mit mir entgehen konnte. Das werde ich Praiadne nicht auch antun!"
Ardo war bitter und voller Gram, das war aus seiner Stimme deutlich herauszuhören. Seit er von Ifirnias Tod erfahren hatte nagte es an ihm, dass er ihren Verlust nicht um ihrer selbst willen betrauern konnte. Sie hatte ihm nichts bedeutet und die offene Trauer die andere für sie empfanden ließ ihn sich selbst für diese Gefühlskälte verachten, denn sie war kein schlechter Mensch gewesen. Bei Ardos letzten Worten hob Greifwin aufmerksam den Kopf und sah seinen Vetter forschend an. Dem Kressenburger entging dieser Blick nicht, doch fühlte er sich dadurch noch gereizter als zuvor und er sprang während seiner Antwort wütend auf.
"Jetzt schau nicht so! Ja, ich liebe Praiadne. Ich habe es lange genug vor mir selbst geleugnet, doch will ich mich nicht länger selbst belügen. Ich liebe sie mehr als ich für Ifirnia trotz aller Bemühungen je empfunden habe. Mögen die Götter mir verzeihen, ich kann es nicht. Aber genau deswegen werde ich Praiadne niemals zwingen. Ich will und werde sie nicht gegen ihren Willen in den Traviakreis führen. Damit könnte ich nicht leben. Nicht noch einmal. Nicht bei ihr. Nenne es Dummheit oder Selbstmitleid wenn du magst, aber meine Antwort bleibt nein."
Schwer atmend stand Ardo vor seinem Vetter, starrte ihn zornig an und wartete auf eine Erwiderung. Doch Greifwin sah wie in Gedanken zum Zelteingang und zeigte keine Reaktion. Als der Eslamsrodener wieder sprach, redete er an Ardo vorbei.
"Was denkst du? Wie würdest du es nennen?"
Zu Ardos Überraschung erklang hinter ihm eine ihm wohl bekannte weibliche Stimme.
"Ich nenne es Ritterlichkeit."
Ruckartig drehte der Kressenburger sich um und erkannte erst jetzt, dass Praiadne während des Gesprächs hinter ihm ins Zelt getreten war und einen guten Teil mit angehört haben musste. In seiner Wut war das seiner Aufmerksamkeit entgangen. Unter ihrem Umhag sah er ihren gebrochenen Schildarm der ihr von einem Heiler fest an den Körper gebunden worden war. Jetzt schritt die Kriegerin langsam auf ihn zu ohne ihre Augen von den seinen zu lassen. Einen halben Schritt vor ihm blieb sie stehen und streckte ihren gesunden Arm nach nach seinen Händen aus.
"Auch ich habe heute erkennen müssen, dass ich meine Gefühle nicht länger betrügen kann. Ich liebe dich... und um ein Haar wäre es mir nie vergönnt gewesen dir das zu sagen."
Beide dachten an jenen gefährlichen Augenblick in der Schlacht wo Rondra ihren Arm, schützend über sie gehalten hatte. Ardo betrachtete ihre Hand die vertrauensvoll in den seinen lagen. Er spürte wie sich tief in seinem Innern ein Knoten zu lösen schien und ihm ganz leicht ums Herz wurde. Ein Glücksgefühl stieg in ihm auf, das es ihm Mühe bereitete die Tränen zurückzuhalten. Als er endlich wieder aufsah hatte er einen Entschluss gefasst.
"Praiadne Leuinherz Keilholtz! Wir haben von den Göttern diese Gelegenheit erhalten und wer bin ich dieses Geschenk sehenden Auges abzuweisen? Ich liebe dich und will dich nicht verlieren. Deswegen frage ich dich: Willst du meine Frau werden und mit mir den Travia-Kreis beschreiten?"
"Das will ich."
Einige Sekunden standen sich die zwei nach diesen Worten noch mit glänzenden Augen gegenüber, bevor sie sich vom Glück überwältigt um den Hals fielen. Mit einem Räuspern machte Greifwin wieder auf sich aufmerksam. Die Liebenden lösten sich nur widerwillig voneinander und sahen ihn an, als er mit gespieltem Ernst zwischen sie trat.
"Und wann hattet ihr vor mich um Erlaubnis zu fragen?"
Die entgeisterten Gesichter seines Vetters und seiner Schwester brachten den Eslamsrodener schließlich zum Schmunzeln und einen Augenblick später lagen sich alle drei Keilholtzer lachend in den Armen. Erst als sich Praiadne ihnen entzog um den gebrochenen Arm zu schützen, setzen sich die drei wieder ans Feuer. Ganz Verwalter brach in Greifwin sofort der Drang zur Organisation durch.
"Für wann wollen wir die Hochzeit eigentlich ansetzen?"
Fragend blickte Ardo zu seiner Braut und in ihren Augen erkannte er seine Gedanken wieder. Lächelnd wandte er sich an seinen zukünftigen Schwager.
"Wir hatten ja bereits einen Termin im kommenden Praios vorgesehen. Unter den gegebenen Umständen bin ich dafür die Verlobungszeit zu verkürzen."
"Das ist nicht gerade viel Zeit, Ardo. Weder für die Vorbereitungen noch für die Einladungen an die Gäste", gab Greifwin zu bedenken. "Solch überstürzte Eile wird mancherorten Kopfschütteln und Befremden hervorrufen."
"Das mag sein, Bruderherz", gab Praiadne föhlich zurück, während sie ihren unverletzten Arm um Ardo legte und ihren Bruder frech angrinste. "Aber die zwei Monde bis dahin werden uns lang genug erscheinen."