Geschichten:Familiengeschichten aus Hartsteen - An der Quelle der Katter
Borstefred von Katterquell schnaubte verächtlich. Der Weg hierauf war ihm eigentlich immer lieb gewesen, doch jetzt merkte er so langsam das Alter. Und dazu war es mitten im Winter. Welcher blöde Ochse aus seiner Verwandtschaft musste denn mitten im Winter hierher laden? Wobei eine Ladung war dies nicht gewesen. Es war eine Herausforderung! Hier auf dem alten Grund regelte die Familie ihre Angelegenheiten! Und wenn einer von ihnen die Familie hierher bestellte, konnte dies nur eines bedeuten.
Borstefred hatte endlich die Senke erreicht. Alte Bäume waren stille Zeugen der Tage, die da waren. Behutsam, fast zärtlich strich er über den Stamm einer Eiche. Hier hatte er um die Hand Varenas angehalten. Fast vierzig Jahre war dies nun her. Er sah sich um. Es war keiner hier. Wer war so dumm, ihn zu fordern? Der Schrat war es gewiss nicht, eher seine Schwester! Bolter oder sein trotteliger Sohn konnten es auch nicht sein. Oder doch? Nachdem er einst den Vater in die Schranken gewiesen hatte, könnte es ja jetzt sein Jungchen versuchen. Je mehr er darüber nachdachte, desto mehr ergab das Sinn! Der alten Plattnase würde er es schon zeigen!
Jemand näherte sich von der anderen Seite. Es war Rapidora! Borstefred rief ihr herüber: „Na, Du hast Nerven! Bestellst mich mitten im Winter hierher!“
Die Söldnerin schnaubte verächtlich. „Ich dachte, Du hättest hierher geladen!“
„Was? Nein, ich habe einen Brief erhalten, dass ich heute hier sein soll!“ Borstefred blickte sich kurz zu seinen zwei Begleitern um, doch diese zuckten nur mit den Achseln.
Rapidora kam nun herüber. „Wenn Du nicht gerufen hast, wer dann?“
„Ich!“ rief eine Stimme aus dem Wald, welche Borstefred vertraut vorkam. Aus dem Dunkel des Waldes hörte man, dass sich mehrere Personen der Quelle näherten. Die Katterqueller hatten ihre Waffen gezogen. Borstefred starrte angestrengt in die Dämmerung und erkannte silberne Schwingen auf blauem Grund.
„Was willst Du denn hier? Dies ist heiliger Katterqueller Grund!“ spie Borstefred dem Schwingenfelser entgegen.
Hadrumir von Schwingenfels blieb kühl. „Ich will die Angelegenheit klären, wie es das althergebrachte Recht der Familie fordert!“ Er hatte sich mit Oderik, Haldora und fünf Getreuen der Schwingen hier versteckt gehalten, bis sich die Katterqueller eingefunden hatten.
„Du bist kein Katterqueller! Du hast hier nichts zu fordern!“ rief Rapidora dem Schwingenfelser entgegen.
„Meine Mutter war Frumhilde von Katterquell! Ich denke, dass ich durchaus ein Recht habe, hier eine Forderung zu stellen!“ sprach Hadrumir gelassen.
„Du trägst aber die Schwingen und nicht das Gehörn! Mehr gibt es dazu nicht zu sagen!“ spie Borstefred aus.
Hadrumir blickte stumm über die Senke. Sein Blick ging nochmals zu seiner Seite, wo er Haldora und Oderik wusste. „Ich fordere die Herausgabe der Lechmunde von Windischgrütz sowie ihres Kindes!“
Auf Borstefreds Gesicht traten Zornesadern hervor. „Meine Frau bleibt, wo sie ist!“
„Dann fordere ich Dich hier im Angesicht der Katterquelle, Borstefred von Katterquell!“
Borstefred trat zwei Schritte vor. „Ich sagte bereits! Du hast hier nichts zu fordern!“
Während er sich zum Gehen wandte, trat ihm Rapidora in den Weg. „Die Forderung wurde ausgesprochen! Du musst sie beantworten!“
Borstefred schüttelte ungläubig den Kopf. „Er ist kein Katterquell!“
Rapidoras Miene blieb hart. „Du musst die Forderung beantworten!“
Borstefred drehte sich um und ging zu Hadrumir, so dass er diesem in die Augen sehen konnte.
„Ich habe Dich ausgebildet!“ Hadrumir nickte stumm.
„Ich habe versucht, Dir den Vater zu ersetzen!“ Wiederum nickte Hadrumir stumm.
„Ich habe Dich zum Ritter gemacht!“ Hadrumir nickte erneut stumm.
„Ich habe Dir den Tod Haldans und Linais verziehen!“ Hadrumir nickte erneut.
„Darum erwarte ich, dass Du meine Entscheidung akzeptierst!“
„Diese Entscheidung ist nicht zu akzeptieren!“
„Dann sei in drei Tagen zur Mittagsstunde hier! Ich werde Dir Deinen Tod bereiten!“