Geschichten:Familiengeschichten aus Hartsteen - Beratungen auf Hutt

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Burg Hutt, 26. Travia 1043 BF

Oderik von Schwingenfels kam sich vor wie ein Bettler. Er hatte sich für seinen Ritt eine Lederrüstung ausgesucht und war nur mit Sigmann an seiner Seite aufgebrochen. Dann hatte er so viel wie möglich an Informationen über die Kämpfe in Aldenried, Bärenau, Reichsgau und Natzungen zusammengetragen, auf der Orbetreu hatte er sich zuletzt rasiert.

Am Burgtor hatte man leicht die Nase gerümpft, aber er war schließlich eingelassen worden. Mit einer Schüssel Wasser hatten sich Sigmann und er frisch gemacht. Dann hatte er sich die Berichte aus anderen Regionen angesehen. Kurz darauf war er in den Rittersaal aufgebrochen. Der gräfliche Schreiber Reto von Faldrasstein versuchte mit ihm Schritt zu halten und machte sich Notizen, während Oderik ihm knapp seine Beobachtungen wieder gab.

Vor dem großen doppelflügeligen Tor zum Rittersaal verlangsamte Oderik seine Schritte, doch er machte den beiden Wachen deutlich, dass er nicht beabsichtigte, sich von ihnen aufhalten zu lassen. Daher beeilten sich beide, das Tor zu öffnen. Drinnen drehten sich die Augen der Anwesenden zu Oderik herum.

Es war an Odilbert von Hartsteen, dem Sohn Luidors und Baron zu Hutt, ihn zu begrüßen. „Schwingenfels! Man sagte uns, dass ihr Kunde aus dem Westen mitbringen würdet!“ Oderik grüßte den Baron sowie die anderen Anwesenden. Ähnlich wie zuvor dem gräflichen Schreiber schilderte Oderik nunmehr, was er an neuen Informationen liefern konnte.

„Verflucht! Das sieht übel aus!“ sprach Tsadorn von Bugebühl das aus, was alle Anwesenden dachten. Brinhart von Wetterfels trat vor. „Es liegt mir fern, die Stimmung noch weiter zu vermiesen, aber wir sollten nicht vergessen, dass es gegen die Schlunder nicht wesentlich besser läuft.“ Er deutete auf Oderik. „Der Ritteroberst – Euer Vetter – hat leider keine besseren Nachrichten überbringen lassen. Und wir wussten ja bereits zuvor, dass die Kämpfe des jungen Windischgrütz in Bärenau auch nicht gut verlaufen sind.“

„Vergesst die Kaisermärker nicht!“ warf Irmhelde von Gneppeldotz laut und energisch ein. Oberan von Firunshöh neben ihr quittierte ihren Einwurf nur mit einem Kopfschütteln und sprach leise: „Als wenn die Natzunger Lage gerade unser größtes Problem wäre!“ Mit dieser Bemerkung löste er eine hitzige Debatte unter den Beratern des Barons von Hutt aus.

„Genug!“ entfuhr es dem jungen Odilbert. Die Anwesenden verstummten. „Die Ritter Hartsteens wurden vielleicht geschlagen, aber sie wurden nicht besiegt! Noch stehen wir! Mein hoher Vater wird auf Oberhartsteen belagert! Er ist euer Graf! Ich erwarte insoweit, dass ihr mir Vorschläge unterbreitet, wie wir dieser Situation begegnen sollen!“

Das betretene Schweigen aller Beteiligten nutzte Oderik aus: „Schließt einen Waffenstillstand mit Graf Drego und den Reichsforstern!“ „Was?“ entfuhr es Bartel Helmdahl von Stolzenfurt. „Das kann doch nicht Euer Ernst sein?“ Oderik schaute von einem zum anderen und trat auf den Stolzenfurt zu. „Die Schlunder und Kaisermärker sind unter fadenscheinigen Gründen hier eingefallen. Wollt Ihr mit denen Frieden schließen?“ fragte er ihn. Obaran von Firunshöh trat zu den beiden hinzu. „Seid ihr noch ganz bei Trost? Habt ihr das Erlgardsfeld vergessen?“ Oderik schaute von ihm zu Odilbert und zurück. „Wie sollte ich dies vergessen? Aber wir können nicht gegen drei Gegner bestehen!“ Der Stolzenfurt wirkte nicht überzeugt. „Was soll das bringen?“ fragte er zweifelnd. „Ich würde in dieser Fehde gerne auch einmal austeilen und nicht die ganze Zeit einstecken! Wenn wir Ruhe dort haben, können wir uns gegen den Schlund stellen! Und vor allem können wir dem Grafen Entsatz liefern.“ sprach Oderik überzeugt. Der Firunshöh war nicht zufrieden. „Seit wann hat Euch der Mut verlassen, dass ihr so feige den Rückzug antretet?“ fragte er.

„Feige?“ fragte Oderik leise. „Wiederholt das!“ zischte er, doch der Firunshöh machte keine Anstalten, seine Aussage zu wiederholen. Oderik nahm seinen Handschuh und reichte ihn an den Firunshöh. „Bei nächster Gelegenheit werdet ihr mir für diese Aussage Rechenschaft ablegen!“ „Meine Herren, das muss doch jetzt wirklich nicht sein!“ warf Tsadorn von Bugebühl ein, doch Oderiks Blick blieb auf dem Firunshöh haften. „Doch! Es muss sein! Mein Vorschlag ist durchdacht und hat nichts mit Feigheit zu tun!“ Sein Blick glitt nunmehr über alle Anwesenden. Es war der Stolzenfurt, welcher nun wieder das Wort ergriff: „Was ihr Zwei auszufechten habt, ficht mich nicht an!“ Er deutete auf den Firunshöh und Oderik. „Doch vielmehr würde ich gerne wissen, wieso ihr glaubt, dass die Reichsforster auf dieses Angebot eingehen, Schwingenfels?“ Damit fragte er das, was sich Oderik selbst bereits gefragt hatte. Er trat an den Tisch heran und sein Blick schweifte über die Karten und Berichte, welche hier verteilt waren. Er kannte nicht alle, doch hatte ihm sein Bruder Ludegar über die entscheidenden Punkte in Kenntnis gesetzt. Entschlossen schaute er in die Runde: „Die Reichsforster werden annehmen, weil sie mit den Kaisermärkern ihren Strauß zu fechten haben! Sie können sich den Kampf mit uns ebenso wenig leisten, wie wir mit ihnen!“ Er konnte Zustimmung in den Gesichtern der Anwesenden wahrnehmen.

„Und wie wollt Ihr das anstellen?“ fragte Barthel Helmdahl von Stolzenfurt nunmehr. „Wir senden einen Unterhändler zu den Reichsforstern und treffen uns mit einem Abgesandten!“ sprach Oderik ruhig. „Wen wollt ihr denn schicken?“ bohrte der Stolzenfurt nach. „Ich werde selbst reiten, wenn es hier gewünscht wird!“ Sein Blick blieb auf Obaran von Firunshöh hängen. „Auch wenn ich lieber zunächst etwas Anderes erledigen würde!“

Odilbert von Hartsteen hatte den Disput seiner Ritter mit ruhiger Miene verfolgt. „Also gut, Schwingenfels! Euer Streit mit Firunshöh wird warten müssen!“ Er wandte sich an seinen Schreiber. „Faldrasstein! Lasst das Igelbanner holen! Ihr, Schwingenfels, werdet von mir mit allen Rechten ausgestattet, einen Waffenstillstand mit den Reichsforstern auszuhandeln! Faldrasstein wird Euch die nötigen Papiere aufsetzen!“

Er bedeutete den Anwesenden, dass sie gehen konnten. Die Versammlung löste sich auf. Im Gehen wandte sich Oderik noch an Obaran von Firunshöh. „Wir zwei sind trotzdem noch nicht fertig!“