Geschichten:Familiengeschichten aus Hartsteen - Grebelsteen
Reichsstadt Hartsteen, 12. Travia 1041 BF
Cordovan Hagrobald von Schwingenfels lächelte still in sich hinein. Als Händler konnte man auch mal in geschäftlichen Dingen daneben liegen. Dieser Kelch war an ihm meist vorbei gegangen und so konnte man sagen, dass er sich einen gewissen Wohlstand erarbeitet hatte. Ja, Phex war ihm stets hold gewesen. Und wie es sich gehörte, hatte Cordovan dafür auch entsprechend dem Listigen seinen Anteil hinterlassen. Das Handelshaus Grebelsteen stand gut da! Und wie viel besser würde es erst nach dem heutigen Tage dastehen?
Natürlich hatte es im Vorfeld einiges Rumoren gegeben. Seine Frau hatte sich bitterböse beschwert, dass er mit seinen achtzig Götterläufen noch eine Reise nach Gareth unternahm, dabei war er doch noch gar nicht achtzig! Aber solche wichtigen Angelegenheiten wie diese überließ man nicht irgendwelchen Boten. Er war selbst bei Odilbert Okenheld in Gareth vorstellig geworden.
Seine Tochter Talvia zu überzeugen, war da dann doch schwieriger geworden. Seit über zehn Jahren hatte er sie gewähren lassen. Seinen Feinsinn für das Geschäft hatte sie zum Glück von ihm geerbt und so hatte sie wenig Mühen gehabt, sein Werk weiterzuführen. Doch in diesem einen Punkt musste er nachhelfen. Sie hatte getobt, als er ihr Cyberian Okenheld als ihren Gemahl präsentiert hatte. Doch sie war am Ende seine Tochter. Als er ihr sämtliche Vorteile – und die wenigen Nachteile – dieser Vereinbarung dargelegt hatte, welche er in Gareth ausgehandelt hatte, hatte sie sich damit auseinander gesetzt und war schließlich zur Vernunft gekommen.
Normalerweise wollte er sich nicht in die Angelegenheiten seiner Kinder einmischen, aber Talvia benötigte diesen Schubs in die richtige Richtung. Schließlich bedeutete ein Ehemann an ihrer Seite, dass er demnächst Großvater werden würde und Grebelsteen einen Erben bekam – einen Erben mit Kontakten im Fernhandel und nach Gareth. Hilf Dir selbst, dann hilft Dir Phex! Leise verhandelte er mit dem Listigen, dass er demnächst einen Teil seiner Abgaben an den Friedenstempel der Tsa zu Hartsteen geben würde.
Ja, Phex schien ihm im Moment sehr hold zu sein. Denn nicht nur dem Kontor ging es gut, auch seiner Familie. Zu seinem Sohn Voltan hatte er zwar kein ausgesprochen gutes Verhältnis, doch die Entrückung des Kronvogt von Puleth hatte die Verhältnisse in der Familie Schwingenfels gehörig ins Wanken gebracht. Auf einmal schien nichts mehr so klar, wie dies noch vor einem Götterlauf der Fall war.
Dies zeigte sich dann auch, nachdem die Einladungen zur Hochzeit versandt waren. Zwar sagten fast alle Mitglieder der Familie Schwingenfels zu, doch es herrschte eine merkwürdige Stimmung untereinander. Seit etwa einer Woche waren die einzelnen Mitglieder angereist. Der Junker von Gabelsteen überbrachte die Grüße seiner Großkusine Rondriana. Ihre Schwangerschaft verhinderte ein Kommen. Oderik von Schwingenfels war mit seiner Familie angereist und hatte in seinem Gefolge auch die jüngsten Kinder Hadrumirs. Er war von Hadrumir zum Vormund bestimmt worden.
Und dann war sein Sohn Voltan angereist. Seine Frau und den kleinen Darulf hatte er auch mitgebracht. Cordovan mochte seine Schwiegertochter und noch viel mehr mochte er seinen Enkel. Dies konnte man von den Schwingenfelsern wohl nicht behaupten. Cordovan hatte sich zwar wenig dafür interessiert, doch hatte sich wohl Oderik darüber beschwert, dass sich Voltan mit Olandril, dem Familienschwert gegürtet hatte. Die drei Junker waren vor drei Tagen dann im Ritterstolz richtig in Streit geraten, als es um die Frage ging, wem in der Familie denn nun die Ehre zu teil werden soll, der nächste Rittervater Odilberts von Hartsteen zu werden. Man hatte die drei Streithähne am Ende ihres Disputs kurzerhand vor die Tür gesetzt.
Cordovan war seinem Sohn unterstützend zur Seite gesprungen und hatte zumindest Hagen Korhardt davon überzeugen können, dass Voltan die bessere Wahl sei. Er wusste, dass er Oderik jedoch nicht mit klingender Münze überzeugen konnte, aber auch dafür würde sich noch eine Gelegenheit ergeben. Wenn er seinen Sohn als Rittervater des zukünftigen Grafen positionieren konnte, konnte dies nur von Vorteil sein.
Doch jetzt stand erst einmal ein viel wichtigeres Ereignis an. Cordovans Lächeln wurde immer größer, als die Kutsche mit seiner Tochter vor dem Tempel vorfuhr. In einem atemberaubenden Kleid stieg die junge Handelsherrin aus, begleitet von ihren Brautjungfern.
Cordovan erwartete seine Tochter auf den Stufen des Tempels. „Bereit?“ fragte sie ihn keck. Cordovan drehte sich zum Portal des Tempels und reichte ihr seinen Arm zum Geleit. Ja, die Zukunft für das Kontor Grebelsteen versprach großartig zu werden.

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