Geschichten:Familiengeschichten aus Hartsteen - Lechdan
Dorf Fiskenau, Ingerimm 1043 BF
„Lechdan! Wie schön Euch hier zu sehen! Was verschafft mir denn dieses seltene Vergnügen?“ freudig begrüßte Efferdane von Wulfensteyr die Ankunft des Junkers von Königsgrund. Aus langen Jahren der Freundschaft wusste Lechdan, dass die eigenbrötlerische Ritterin nicht immer so freudig aufgelegt war. Umso mehr freute es ihn, dass seine Freundin gerade offenbar guter Laune war. Inmitten ihrer geliebten Fischzucht hatte er sie angetroffen.
Er übergab die Zügel seines Pferdes an einen Knecht und trat dann hinkend zwischen die Teiche zu seiner Freundin. „Ihr hatte gehofft, dass ich Forelle dem Speiseplan Obernheims hinzufügen könnte!“ antwortete er mit einem Lächeln, während er Efferdane umarmte. Diese knuffte ihm in die Seite. „Du sollst eine Dame doch nicht anlügen, erst recht nicht, wenn es sich um eine alte Freundin handelt!“ sprach sie tadelnd. Lechdan lachte. „Dir kann ich einfach nichts vormachen, treue Freundin!“ antwortete er. Efferdane deutete auf eine Bank unter einem Baum. „Komm, lass uns erst einmal setzen!“ Sie winkte ein junges Mädchen heran. „Svenna, hol dem Junker und mir doch bitte ein wenig Brot und Schmalz! Und bring vom Räucherfisch mit!“ Sie schaute kurz entschuldigend zu Lechdan. „Tut mir leid, aber Wein habe ich selten im Haus!“ Dann wandte sie sich wieder zur Dienstmagd: „Und bring zwei Bier mit!“
Langsam neigte sich der Tag dem Ende entgegen. Lange hatten sich Efferdane und Lechdan über alte Zeiten unterhalten und Anekdoten ausgetauscht. Efferdane musste sich gerade eine Träne vom Lachen aus den Augenwinkeln wischen, als ihre Miene ernster wurde: „Nun, jetzt aber genug der alten Zeiten! Was bringt Dich hierher?“ Lechdan nickte. „Graf Odilbert hat mich zum gräflichen Kämmerer ernannt!“ Efferdanes Augen weiteten sich. „War das bisher nicht Dein Vetter?“ Wiederum nickte Lechdan. „Ja, genau. Er hat den Grafen um seine Ablösung gebeten. Außerdem hat er mich als seinen Nachfolger vorgeschlagen!“ Efferdane pfiff durch die Zähne. „Bestimmt keine leichte Aufgabe!“ sprach sie vorsichtig. Sie ahnte, dass da noch mehr folgen würde. „Genau deswegen brauche ich Deine Hilfe, treue Freundin!“ antwortete Lechdan. „Als ich ihm letzten Sommer nach Warunk gereist bin, um meinen Vetter Anselm zu besuchen, hast Du schon einmal auf Königsgrund Acht gegeben. Würdest Du mir erneut diese Hilfe gewähren?“
„Von ganzen Herzen: Nein!“ rief Efferdane. „Das ist da schon schlecht für uns gelaufen!“ Lechdan stand auf. „Als ich im Praios aufbrach, konnte keiner von uns ahnen, dass wir in einer Fehde mit dem Reichsforst liegen würden.“ Efferdane hob abwehrend die Hände. „Trotzdem! Kaum warst Du nicht da, ist es für uns nicht gut gelaufen. Diese schmierigen Reichsforster haben mir ganz schön die Teiche geplündert!“ Lechdan lachte. „Und Du meinst ernsthaft, dass ich das verhindert hätte, wenn ich hier gewesen wäre?“ Efferdane deutete mit dem Finger auf ihn. „Ich habe nicht vergessen, wer uns vor Raubrittern bewahrt hat! Und wenn ich ehrlich sein soll: Manchmal wünschte ich, dass Du der Erstgeborene Deiner Mutter gewesen wärest!“
Lechdan klopfte seiner Freundin aufmunternd auf die Schulter. „Komm schon! Ich bin ja nicht wieder ein halbes Jahr auf Reisen. Der gräfliche Hof ist eine Tagesreise entfernt.“ Efferdane schnaufte kurz durch. „Was ist denn mit dem Wertesteg?“ Lechdan zuckte mit den Schultern. „So ganz bin ich aus dem Kerl nicht schlau geworden. Außerdem scheint der mit seiner Gemahlin in Waldstein genug beschäftigt.“ Erneut schnaufte Efferdane durch. „Na schön, meine Hand drauf! Doch bevor Du einschlägst, stelle ich auch eine Forderung!“ Lechdan hob eine Augenbraue. „Und die wäre?“ fragte er gelassen. „Mein Enkel Firunian!“ antwortete Efferdane. „Ich möchte, dass Du ihn als Pagen und später als Knappen aufnimmst!“ Ohne zu zögern schlug Lechdan in die ihm entgegen gestreckte Hand ein. „Abgemacht!“
