Geschichten:Familiengeschichten aus Hartsteen - Natzunger Trauer
Stadt Natzungen, 10. Efferd 1040 BF
Der Zug hatte gerade seine Aufstellung genommen. An der Spitze wusste er seinen Bruder Hadrumir, rechts von diesem waren die beiden Jungen, Praiofist und Duridan, 9 und 7 Jahre alt. Thallian und Arion, die Großonkel der Jungen bildeten die rechte Flanke hinter dem Pferdekarren.
Der Boroni bildete die Spitze der Geweihtenschaft, obwohl die Tempel von Praios, Ingerimm und Rondra in Natzungen stets bedeutender waren, war dies schließlich ein Trauerzug. Halmar und die beiden anderen Geweihten traten hinter den Boroni. Hinter Ihnen reihten sich die Mitglieder des Natzunger Adels ein, allen voran Arlt von Gerstungen, Sieghold von Greyfentrutz sowie Ludegar von Weisenstein, welche mit Thallian von Wulfensteyr die Totenwache gehalten hatten. Dahinter folgten die weiteren Hartsteener Adligen. Für den Grafen hatte sich dessen Bruder Alrik von Hartsteen hierher aufgemacht. Der Graf selbst war wohl unpässlich, wie man hörte. Halmar hatte zwar weitere Namen gehört, doch konnte er nicht jeden zuordnen. Irgendwo hinter den Adligen hatten sich die Ratsherren Natzungens eingefunden.
Als sich der Trauerzug für die Baronin von Natzungen in Bewegung setzte, konnte Halmar sehen, wie Hadrumir sich zu den Jungen beugte und Ihnen etwas zu raunte. Es hatte zwischen Thallian und Hadrumir eine Diskussion darüber gegeben, ob die Kinder denn nun den Zug begleiten sollten. Am Ende hatte man entschieden, dass zumindest die beiden älteren Kinder Taniras an dem Zug teilnehmen sollten. Auch Thallian schien nunmehr aufmunternde Worte für die zwei übrig zu haben. Und so schritt der Zug los, um die Baronin zu Ihrer letzten Ruhestatt zu begleiten.
Die Bürger Natzungens säumten die Straßen, durch welche der Zug nun führen würde. Halmars Gedanken schweiften ab. Sein Bruder wirkte seit seiner Rückkehr vom Heerzug nach Mendena niedergeschlagen. Eine innere Unruhe schien ihn erfasst zu haben. Halmar kannte natürlich die Berichte über den Heerzug und die Ereignisse um den letzten Ritt des Danos von Luring. Kaum war Hadrumir in Hartsteen angekommen, hatte er die verbliebenen Hartsteener Ritter nach Rommylis geführt, zum Trauern war er dabei nicht gekommen. Halmar hatte ihm seine Dienste als Geweihter angeboten, doch Hadrumir hatte ein Gespräch abgelehnt und sich zurückgezogen.
Dann waren Oderik, Hagen und der Rest der Familie aus Mendena zurückgekehrt. Mit Ihnen die Natzunger Ritter mit dem Leichnam der Baronin. Oderik hatte auf Befehl Hadrumirs die Hartsteener Ritter weiter nach Mendena angeführt, während Hadrumir mit den Pfortenrittern den Leichnam Danos zurück nach Garetien brachte.
Es hatte tatsächlich nicht lange gedauert und die ersten Fragen waren aufgekommen, wie es weitergehen solle. Sowohl für die Familie Schwingenfels als auch für die Baronie Natzungen. Hochwürden Praiotin und er waren dabei unabsichtlich zwischen die Fronten geraten. Es lag ihnen als Geweihten eigentlich fern, sich in politische Angelegenheiten einzumischen. Es war Oderik zugefallen, den Natzunger Familien die Wünche der verstorbenen Baronin mitzuteilen. Im Praiostempel hatte man sich versammelt und Hochwürden Praiotin öffnete ein Schreiben, welches seine Hochwürden und er bezeugt hatten. Tanira bat die Oberhäupter der Familien Natzungens ihren Sohn Praiofist von Natzungen als ihren Nachfolger zu akzeptieren. Bis zu seinem Ritterschlag bat sie die Oberhäupter der Natzunger Familien, allen voran Thallian von Wulfensteyr, die Geschicke der Baronie zu lenken. Hadrumir von Schwingenfels würde allenfalls ein Mitspracherecht erhalten, wenn es um Entscheidungen den Jungen direkt betreffend ginge.
Als Sieghold von Greyfentrutz dann fragte, ob sich denn die Familie Schwingenfels auch an diese Vereinbarung halten werde, hatte Oderik ruhig und sachlich dargelegt, dass es aus seiner Sicht keinen Grund gebe, die Wünsche der verstorbenen Baronin nicht zu respektieren. Die weiteren Kinder Taniras würden fortan den Namen Schwingenfels führen, lediglich für den jüngsten Sohn bestimmte Tanira, dass dieser im Zweifel Erbe seines Bruders werden solle. Für Oderik hatte die Baronin damit eine klare Grenze zwischen Schwingenfels und Natzungen gezogen.
Mittlerweile hatte der Trauerzug den Boronanger mit der Familiengruft der Familie erreicht. Halmar hatte an den Straßenrändern viele traurige Mienen gesehen. In den letzten Jahren waren hier Maline und Aldare von Natzungen begraben worden. Tanira hatte der Baronie sowie der Stadt wieder Stabilität verliehen. Sie war in kurzer Zeit die dritte Baronin, welche vor der Zeit verstarb. Das traf die Familie, die Stadt und die Baronie hart.
Der Pferdekarren mit dem Sarg der Baronin war zum Stehen gekommen. Es traten die Adligen Natzungens hervor, welche zu den Sargträgern bestimmt waren. Sie nahmen den Sarg auf und folgten dem Boroni in die Gruft, während der Trauerzug langsam Aufstellung auf den Wegen des Boronangers annahm. Hadrumir, Praiofist, Duridan und Thallian standen vor der Gruft und beobachteten den Zug des Sarges.
Hochwürden Praiotin und der Ingerimmgeweihte traten mit Halmar vor den Eingang der Gruft und warteten auf den Boroni. Die Sargträger reihten sich nunmehr in die Reihen auf dem Boronanger ein.
Die Totenandacht für die Baronin von Natzungen konnte beginnen!