Geschichten:Familiengeschichten aus Hartsteen - Ringreiten

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Gut Hinterwalden, Tsa 1042 BF

„Erklärst Du mir, was das da sein soll?“ fragte Oderik interessiert. Rondriana lächelte nur sanft. „Wart es einfach ab!“ Sie trat an eine Sanduhr heran und schaute zu Radulf, einem ihrer Freunde aus früheren Tagen und ihr jetziger Vogt auf Hinterwalden. Oderik schaute kurz zu seinem Knappen Sigmann und bedeutete ihm, ihnen zu folgen.

Was er sah, wirkte auf ihn immer noch recht merkwürdig. An mehreren Gestellen hingen in verschiedenen Höhen Ringe herab. Das Ganze war in einer ovalen Form aufgebaut. An einer Stelle war auf einem kleinen Podest eine Sanduhr angebracht. Auf gleicher Höhe stand Radulf auf seinem Pferd mit bereiter Lanze und schaute jetzt ebenfalls zu Rondriana.

„Ich glaube, ich habe darüber schon etwas gelesen!“ sprach Sigmann leise. Rondriana drehte sich zu Oderik und Sigmann. „Das Ziel ist es, so viele Ringe wie möglich auf die Lanze zu nehmen. Dafür steht dem Reiter nur eine begrenzte Zeit zur Verfügung. Die Sanduhr soll sicherstellen, dass sich der Reiter nicht viel Zeit beim Zielen lassen kann, sonst schafft man es nicht durch das Oval!“

„Ringreiten wird es genannt, richtig?“ fragte Sigmann aufgeregt, nachdem er lange überlegt hatte.

Rondriana lächelte. „Dein Knappe hat sehr gut aufgepasst!“ wandte sie sich an Oderik. Der wiegelte jedoch ab. „Seine Schwester hat auf den Hesindegeweihten als Kaplan bestanden! Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich da selbst noch einiges lerne!“ sprach er hinter vorgehaltener Hand, so dass er hoffte, sein Knappe würde dies nicht mithören. Lauter deutete er auf Radulf. „Zeigt Ihr uns, wie es funktioniert?“

„Bereit?“ fragte Rondriana an Radulf gewandt. „Kann losgehen!“ sprach der Reiter. „Und los!“ rief Rondriana und drehte die Sanduhr. „Hier auf dieser Bahn haben wir zweimal zwölf Ringe aufgebaut. Ein guter Tjoster schafft es in der vorgegebenen Zeit normalerweise so 20 Ringe zu treffen. Die besten Tjoster haben meist nur einen, maximal zwei Fehler!“ Oderik und auch Sigmann schauten interessiert zu, wie Radulf seine Runde drehte. Ein Bursche von vielleicht zehn Jahren, lief hinterher und sorgte dafür, dass die Gestelle wieder neu bestückt wurde. „Wie viele hast Du geschafft?“ fragte Oderik zur Seite an Rondriana gerichtet. Sie lächelte und sprach ruhig: „20!“

Radulf hatte seine Runde mittlerweile beendet. 19 Ringe waren an der Lanze und der Krieger wirkte ein wenig missmutig, ob des Ergebnisses. „Gräm Dich nicht, Radulf!“ sprach Rondriana. „Du hast Fortschritte gemacht!“ „Kann ich es auch versuchen?“ fragte Sigmann unvermittelt.

Und so kam es, dass der Junge Windischgrütz kurze Zeit später auf seinem Pferd am Start stand. „Magst Du Deinem Knappen das Signal geben?“ fragte Rondriana Oderik. Dieser stellte sich an die Sanduhr und gab das Signal zum Start und Sigmann preschte los. „Wieso hast Du nicht auch Odilbert als Knappen aufgenommen?“ fragte Rondriana unvermittelt. Oderik zuckte mit den Schultern. „Das Grafenhaus hat nach einem Ritter aus der Familie gefragt.“ Rondriana blickte ihn ernst an. „Voltan ist genauso wenig Ritter wie ich es bin!“ stellte sie fest. Oderik beobachte den Ritt Sigmanns, während er antwortete: „Voltan hat seinen Ritterschlag bekommen, als er vom Grafen als Junker von Feldrungen bestätigt wurde! Er hat durchaus das Recht dazu, denn er ist aus einem Rittergeschlecht Hartsteens! Dir wurde doch auch der Ritterschlag zu teil, als Du Deinen Lehenseid geleistet hast!“ Rodnrianas Blick folgte dem Oderiks. „Aber sein Vater war kein Ritter!“ Oderik schüttelte den Kopf. „Aber seine Mutter!“ Ehe Rondriana zu einer Erwiderung ansetzen konnte, sprach er weiter: „Außerdem was soll die Haarspalterei? Voltan wurde der letzte Rittervater Odilberts. Ich hätte mir gar nicht die Zeit dafür nehmen können. Es gab zu viel zu tun.“ Rondriana nickte verstehend: „Der Grafensohn hat ja jetzt seinen Ritterschlag erhalten, auch wenn die Umstände wenig ruhmreich gewesen sein mögen. Waren turbulente Zeiten für die Familie Hartsteen – Hochzeit und Ritterschlag.“ Oderik nickte. „Ja, Odilbert ist nicht Luidor!“

„16!“ rief Radulf. „Nicht schlecht, junger Herr!“ sprach er anerkennend, als Sigmann seine Runde beendet hatte. Oderik nickte anerkennend seinem Knappen zu. Rondriana legte derweil eine Hand auf Oderiks Schulter und sprach: „Gute Arbeit, Sigmann! Aber jetzt wollen wir sehen, was Dein Schwertvater kann!“ Oderik warf ihr einen vernichtenden Blick zu.

Doch es half nichts und so saß Oderik kurz darauf selbst im Sattel seines Pferdes. „Das werden wir zwei schon schaffen, Graf Donnerschlag!“ sprach er beruhigend auf das Pferd ein, obwohl er sich damit wohl eher selbst beruhigen wollte. Rondrianas Startsignal ertönte und Oderik ließ sein Pferd lospreschen. Er konzentrierte sich auf seine Aufgabe. Die ersten drei Ringe waren schnell aufgespießt. Er konnte zwar Rufe hören, doch er war in einer Art Tunnel. Er hörte nichts von außerhalb. Und er sah auch nichts von außerhalb. Er feuerte Donnerschlag weiterhin an. Diese Anfeuerung galt aber eigentlich nicht dem Pferd, sondern Oderik selbst. Und dann war er plötzlich am Ziel.

„Donnerlittchen!“ entfuhr es Radulf. „21! Seid Ihr Euch sicher, dass Ihr das nicht schon häufiger gemacht habt, Euer Wohlgeboren?“ Oderik schüttelte den Kopf und schaute herausfordernd zu Rondriana. „Nicht schlecht! Aber das musst Du erst mehrfach schaffen!“ sprach sie. „Willst Du mir etwa so etwas wie Anfängerglück unterstellen?“ fragte Oderik sie mit einem Anflug von leichtem Übermut. Rondriana hob beide Hände beschwichtigend: „Ich unterstelle gar nichts!“

Oderik schaute auf die Bahn, wo die Gestelle gerade wieder hergerichtet wurden. Übermütig führte er sein Pferd zur Startlinie. „Das werden wir ja sehen!“